Rezension

Various
The Jam Files – Past Present Future
Highlights: Brothers, Sisters // Sing It Back // A Love Bizarre
Genre: House
Sounds Like: Mousse T // Boris Dlugosch // Roachford // Spiller
VÖ: 17.06.2011

Peppermint Jam Records wird volljährig. Für jene Menschen, die nicht sofort erkennen, wer oder was sich hinter Peppermint Jam Records – dem laut Werbung legendären deutschen Houselabel – verbirgt, sei kurz angemerkt: es handelt sich um Mousse Ts Label, das uns solche Hits wie „Horny“ oder „Sex Bomb“ beschert hat. Den 18. Geburtstag feiern Mousse und Kollegen mit einer Drei-CD-Compilation, die – in Past, Present und Future aufgeteilt – vergangene Hits sowie aktuelle Remixe präsentiert und einen kleinen Ausblick auf die Veröffentlichungen der nächsten Zeit gewährt.
Von vornherein sei gesagt, „The Jam Files“ erfüllt jede Hoffnung und jede Befürchtung. Wer also nur „Horny“ kennt und deshalb von einer knapp vierstündigen Vocalhouse-Sammlung weichgespülten Dance-Einheitsbrei erwartet – ohne jetzt die absurden Reize von „Horny“ oder Charts-Vocalhouse herunterspielen zu wollen – der wird in seiner Meinung bestätigt. Wer auf die Clubnights im öffentlich-rechtlichen und privat-wirtschaftlichen Rundfunk steht, wird mit der perfekten musikalischen Begleitung zum Vorglühen belohnt. Problematisch könnte es für diejenigen werden, für die zentral-europa-optimierter Vocalhouse ein „guilty pleasure“ darstellt, die werden nämlich vier Stunden lang aus beglückter Selbstscham, aus schuldigem Vergnügen nicht herauskommen.
Tatsächlich sorgt vor allem die Rückschau für einige nostalgische oder auch ganz gegenwärtige Momente des absoluten tanzbaren Wohlbefindens. Boris Dlugoschs Remix für Molokos „Sing It Back“ ist natürlich über jeden Zweifel erhaben, und auch Michi Langes „Brothers, Sisters“ ist zeitlos gut. Auf etwas absurde Art überzeugt auch Spillers Sambahouse „Batucada“. Vereinfacht formuliert, lässt sich an dem rückwärtsgewandten Teil der Sammlung nicht viel aussetzen.
Die angebliche Gegenwart, die hier aus Remixen der Vergangenheit durch aktuelle Künstler besteht, ist dagegen schon durchaus zwiespältiger. Zwar versuchen Christian Prommer oder Henrik Schwarz und andere mehr, den Tracks ein zeitgemäßes Housegewand zu geben, aber mehr als einmal endet das in dem, was Tanzmusik absolut nicht gebrauchen kann, in Langeweile. Schon der eröffnende Remix von Can 7s „Cruisin‘“ gerät zur Geduldsprobe. Besonders platt erklingt dann Mousse Ts „Nasty Girl“, Henrik Schwarz' Behandlung von Omars „Feeling You“ enttäuscht einfach nur und auch Prommers Mix von Dlugoschs „Never Enough“ überzeugt – wie schon das Original – nur und ausschließlich dank Roisin Murphys Vocals. Der Solomun Remix von So Phat!s „A Love Bizarre“ ist hier die große Ausnahme vom Mittelmaß, und Adultnappers Remix für Roachfords „Sex Has Gone“ könnte positiv überraschen, wäre er nicht überlang.
Der Ausblick wiederum macht es dann nicht viel besser. Zwar nutzt Autodeep zu Beginn durchaus ganz nette Ideen für seine Beats, aber am Ende ist auch dieser Track vor allem langatmig, spannungsarm, nervtötend. Ähnlich sollte man Mousse Ts Jazzneuinterpretation von „Horny“ am besten gleich unter den Teppich kehren. Dieser Zukunftsanteil von „The Jam Files“ bietet vor allem das, was zu befürchten war, weichgespülten House für die Blackmusic-House-Party in der Großraumdisco. Brother of Zions „iLook“ und So Phat!s „Fading“ ließen sich als rühmliche Ausnahme anführen. Nicht dass hier alles falsch gemacht würde, aber im Endeffekt wird zu wenig richtig gemacht, um langfristig Spannung aufzubauen. Eine Aussage, die so auch auf den Rest der Compilation angeführt werden könnte. Die Dreifach-CD taugt weder zum durchgängig Hören, noch als echte Retrospektive für 18 Jahre Peppermint Jam Records. „The Jam Files“ sind kein Sammel- und kein Hörobjekt. Aber was sind sie dann?
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