Rezension

Various

Nigeria 70: Lagos Jump


Highlights: Ire Africa // Ezuku Buzo // Tete Muo bu Muo
Genre: Afro-Funk
Sounds Like: Fela Kuti // Vampire Weekend // The Good, The Bad & The Queen // Herbie Hancock // Miles Davis

VÖ: 09.05.2008

Aus der Digitalisierung als weiterer Stufe der Globalisierung ergab sich seit Anfang des Jahrtausends für den Musikinteressierten ein de facto unbegrenzter Zugriff auf jede Form der Musik. Dies umfasst jedes Alter des Stücks – so weit es digitalisiert wurde – wie jedes Genre vom global massentauglichen Phänomen bis zur kleinteiligen Lokalszene. Beispiele wären Kuduro, Kwaito und Baile Funk. Beispiele für ersteres wären zum Beispiel auch all jene (1. Welt) Künstler, die sich spontan oder langfristig entschieden haben, die polyrhythmischen Konstrukte des Afrobeat organisch oder durchkalkuliert in ihre Musik zu integrieren - seien es Vampire Weekend oder sei es Damon Albarn, der für The Good, The Bad & The Queen gleich mit Fela Kutis Drummer Tony Allen kooperiert.

Albarns Freunde beim Label Honest Jons legten 2008 mit „Shake – A Tony Allen Chop Up“ dann einen der wichtigen „erzieherischen“ Beiträge für die Nachgeborenen vor. Ein weiterer namens „Nigeria 70: Lagos Jump“ kommt vom Label Strut. Dessen Untertitel „Original Heavyweight Afrobeat Highlife & Afro-Funk“ führt zudem vor Augen: Die transatlantische Befruchtung funktionierte bereits vor vierzig und mehr Jahren – beidseitig. Während des zweiten Weltkriegs gelangte Swing-Jazz nach Westafrika und beeinflusste die lokalen Musiker. In den folgenden „Pop“-Jahrzehnten schwappten Rock’n’Roll, Twist, Ska, Funk und Soul herüber und vermischten sich mit den traditionellen Musiken. Gleichzeitig jedoch nahmen eben Funk- und Soul-, aber auch Jazz-Musiker die afrikanischen Musiken wahr und ließen sich inspirieren. „Nigeria 70“ präsentiert, wie Highlife und JuJu – die ihrerseits schon Synthesen traditioneller Musik mit externen Einflüssen waren – sich unter amerikanischen Funk- und Ska-Einflüssen weiterentwickelten. Die Betonung liegt auf dem Funk.

Dieser gleich bleibende Fokus, die gleichtönige Klangkultur sind dann auch die kleinen Schönheitsfehler dieser unterhaltenden wie erläuternden Compilation. Konzentriert der Hörer sich nicht genau auf die Unterschiede der sechzehn Tracks, auf die verschiedenen Instrumentierungen und die vielseitigen Herangehensweisen an Rhythmik und Dynamik, herrscht eine leicht monoton wirkende, gemächlich zurückgelehnte Atmosphäre vor. Weniger elektrifizierend und verzückend als unterkühlt genießend, lässt sich dem steten Fluss der Tracks folgen.

So tritt Chief Checkers „Ire Africa“ als hypnotisch repetitiver Afro-Dub auf, dessen Vokalspur und Beat nahezu housige Züge annehmen. Der Track zeigt jedoch ebenfalls, wie Tradition und Import melangeartig ineinander übergehen. Die Flöten in diesem Track gehören zudem zu den faszinierendsten Momenten des Samplers. In „Tete Muo Bu Muo“ von Tony Tete Harbor fungieren nachfolgend alle Instrumente wie auch der Gesang nahezu rein perkussiv. Beiden Tracks – dem Dub wie dem Afrobeat – fehlt nicht der Funk, für dessen Dominanz das fiebrige Instrumental „Tug Of War“ von The Faces beispielhaft ist.

Perkussive lokale Rhythmen im Wechselspiel mit westlichen Instrumenten- und Rhythmus-Importen machen den größten Reiz von „Lagos Jump“ aus. Dafür stehen unter anderem das hektische „Wetin De Watch Goat, Goat Dey Watcham“ von Eric Akaeze und die melancholische Highlife-Nummer „Eddie Quansa“ der Peacocks Guitar Band. Auch der vokalakrobatisch treibende Track „Onyame“ von Ashanti Afrika Jah und die Albumeröffnung von Sir Shina Peters gewinnen hierdurch. Letzterer mischt JuJu, Afrobeat und karibische Reggae-Funk-Klänge. Die faszinierende und immer nur beispielhafte Reise durch die musikalische Boom-Epoche Westafrikas runden psychedelischer Afrorock und eher simple Poptunes ab.

Oliver Bothe

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