Rezension
Various
Fünf
Highlights: Cooling Room // Wenn Meine Mutti Wüsste // Boom Tang Schwuck // Scourer // Doors To Manual // Boom Room // Twelve To Four // Kraft Und Licht // Drin
Genre: Techno
Sounds Like: Ben Klock // Scuba // Dinky
VÖ: 05.11.2010
Zwei CDs, sieben Vinyl, 26 digitale Tracks. So feiert Ostgut Ton seinen fünften Geburtstag. Mit Steffi, Ben Klock und Marcel Dettmann ist natürlich die Speerspitze des Labels vertreten, und auch andere Berghain-Resident-DJs wie Fiedel oder Boris steuern Stücke bei. Zudem finden sich mit Substance und SCB die Kuratoren der SUB:STANCE-Parties ebenso wieder wie (unter anderem) Shed, Dinky, Cassy oder Luke Slater.
Grundlage der Stücke – oder besser: in allen Nummern vertreten – sind Field-Recordings, die Ninja Tune-Künstler Emika in Berghain und Panorama Bar aufgenommen hat um zu erfahren, wie diese besondere Location klingt, wenn keine Party stattfindet. Und wer jetzt an Matthew Herberts Vertonung des Robert Johnson oder The Black Dogs „Music For Real Airports“ denkt: ja, irgendwie schon ähnliches Konzept, im Grund aber gestaltet sich „Fünf“ ganz anders.
Zumeist nimmt man diese Elemente kaum wahr, aber wenn sie denn deutlich in die Stücke integriert werden – sei es das Geräusch der Kühlräume in Emikas Albumeröffnung „Cooling Rooms“ oder immer wieder Gesprächsfetzen –, tragen sie effektiv zur Atmosphäre bei oder sind sogar essentieller Bestandteil des jeweiligen Tracks. Sowohl das gedankliche Konzept der Sammlung wie auch die Tatsache, dass natürlich die Gefahr bestand, hier B-Seiten-Ware zu versammeln, mögen als Damokles-Schwerter für die Kompilation gewertet werden. Real jedoch bilden diese knapp drei Stunden eine fantastische, durchgängig fesselnde Reise durch den Techno, wie er existiert und sich entwickelt in und um Berghain und Panorama Bar und auf und um das Label Ostgut Ton. Insgesamt ließe sich vielleicht bemängeln, die – ohne das Berghain nicht so effektive – Verschmelzung von Dubstep und Techno, von UK und Berlin, käme hier zu kurz. Aber dadurch gewinnen Stücke wie Marcel Fenglers „Shiraz“ oder Substances „Gestalts“ um so mehr an Bedeutung.
Strategisch platziert in dieser schieren Masse finden sich einzelne, solch überragende Stücke, dass der Hörer versucht ist, in spontane Jubelstürme auszubrechen, die zu verwirrten Blicken seiner Mitmenschen führen könnten. Hierzu gehört ganz eindeutig Soundstreams Beitrag, dessen Energie, dessen unverschämte Direktheit und dessen Umgang mit Emikas Field-Recordings so sehr erstaunen, dass man alles, was man tut, stehen und liegen lässt, um kein Element des Tracks zu verpassen. Die gleiche Wucht besitzen auch Fiedels „Doors To Manual“ und Barker & Baumeckers „Drin“, die beide industriell hämmernd den Hörer fordern. Ähnlich geht es einem bei der schieren Bassgewalt von Luke Slaters „Boom Tang Schwuck“, und Marcel Fenglers Dubstep-Exkursion fungiert gleich zu Beginn als solcher Hörfang. Ganz anders erklingt dagegen Dinkys „Twelve To Four“ als funky House mit – wen überrascht es – südamerikanischem Flair, das den Rahmen von „Fünf“ deutlich erweitert. Ebenfalls als stilistische Steigerung fungiert Len Fakis ätherischer Ambient-Techno „Kraft Und Licht“.
Nicht ganz so extremen Einfluss auf die Handlungen des Hörers bei gleich hoher Qualität haben die Beiträge von Cassy, Boris, Prosumer oder Ryan Ryan Elliott. Ebenfalls erwähnt werden müssen Tama Sumo, Nick Höppner und Murat Tepeli feat. Elif Biçer.
Von vornherein müssen natürlich die Stücke von Ben Klock und Marcel Dettmann mit großen Erwartungshaltungen umgehen. Besonders Klocks Beiträge – „Wolf“ auf der Vinyl-Sammlung, „Bear“ auf der Doppel-CD – erfüllen diese Vorfreude vollkommen. Marcel Dettmanns „Scourer“ wiederum schafft es, fast alle Kritik, die hier an seinem Album geübt worden sein mag, vergessen zu lassen. Auch Sheds Album erschien dieses Jahr auf Ostgut Ton, und sein Beitrag „Boom Room“ zementiert die Tatsache, dass 2010 definitiv auch sein Jahr war. Steffis „My Room“ wiederum macht Hoffnung auf ihr im nächsten Jahr – natürlich auf Ostgut Ton – erscheinendes Album. Eine Sonderrolle auf „Fünf“ spielen Margaret Dygas Techno-Experimente. Das direktere namens „For Five“ findet sich auf der Vinyl-Sammlung, wogegen „Quintet“ die zweite CD beschließt und die Spannung auf all das steigert, was Techno in Zukunft bieten kann.
Normalerweise wird das Geburtstagskind beschenkt, im Fall von Ostgut Ton schenken – gegen Aufwandsentschädigung – sie uns mehr als 150 Minuten umwerfende Musik. Allein für die Tracks von Soundstream, Fiedel, Barker & Baumecker sowie Len Faki muss ganz laut Danke gesagt werden. Danke, Ostgut.
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