Rezension

...And You Will Know Us By The Trail Of Dead

IX


Highlights: A Million Random Digits // The Ghost Within // Bus Lines
Genre: Alternative Rock
Sounds Like: Sonic Youth // The Afghan Whigs // The Smashing Pumpkins

VÖ: 17.10.2014

Was passiert, nachdem du als Musiker ein Jahrhundertwerk veröffentlicht hast? Trail Of Dead grübeln wohl immer noch. Das dritte Album „Source Tags and Codes“ war ein Meilenstein. Ein Monolith, welcher die frühen Nuller geprägt, Zimmer verwüstet und Liebe, Lärm und Leidenschaft verquirlt hat. Sämtliche Journalisten waren sich ausnahmsweise einig und hoben die Krachmacher aus Austin in den Olymp. Danach dann die große Ernüchterung: Mit „Worlds Apart“ fielen auch die ersten Jünger ab, suchten sich einen neuen, jungen, aufregenden Messias. Die Zeit lief weiter. Trail Of Dead blieben und wurden älter, eventuell etwas weiser und leider auch grundsolide. Keine Zerstörungs- und Feedbackorgien mehr, stattdessen verstärkte Anleihen an Prog- und Post-Rock. Endlose Neuausrichtungen und Selbstfindungen. Nun veröffentlicht die Band mit dem wohl immer noch längsten Bandnamen der Welt ihr neuntes Album, und nur die Hartgesottensten horchen auf.

Unglücklicherweise – denn das simpel betitelte Album ist gut. Die Band scheint zu wissen, dass die Zeit gegen sie steht und alleine der Name nicht mehr überzeugt. Anstatt mit einem typischen instrumentalen Opener zu beginnen, stapft „The Doomsday Book“ gleich trotzig voran. Sicher, das sind nicht mehr die Trail Of Dead, die Hotelzimmer verwüsten und ihre Instrumente am Ende jedes einzelnen Konzerts an heidnische Götter opfern. Hier wird nicht mehr zwischen Genie und Wahnsinn hin und her oszilliert, auch das nervöse Flackern zwischen den Extremen Noise und Prog wurde aufgegeben. „IX“ klingt ruhiger, resignierter, gesetzter, doch keineswegs langweilig.

Natürlich, „IX“ ist immer noch pompös. Daran zu rütteln, hieße, die DNA dieser Band umzuschreiben. Auf dem neuen Album legen Trail Of Dead die Essenz ihrer Lieder offen. Was sonst unter breiten Lärmschwaden verschleiert war, liegt dem Hörer nun frei. Diese Mut zur Transparenz steht der Band gut. Sei es das ruhige, klaviergetragene „The Ghost Within“ oder das treibende „A Million Random Digits“, nie klang eine Trail-Of-Dead-Platte zugänglicher. Den Höhepunkt markiert „Bus Lines“, welches auch textlich die Frage nach einem Ankommen aufgreift.

Was wurde nicht alles über Trail Of Dead nach „Source, Tags And Codes“ gesagt. Ein überlebtes Relikt aus der Zeit des Bombastrock vor der Wirtschaftskrise. Eine Band ohne klare künstlerische Linie. Ein greiser Dinosaurier, der einfach nicht aussterben will. All dies hat sich die Band vorwerfen lassen müssen. Und irgendwie erinnert „IX“ deshalb an die Geschichte des Boxers, der röchelnd am Boden liegt und gerade von seinem übergroßen Widersacher geschmäht wird. Die Kameras blitzen, der Kampfrichter zählt langsam und unaufhaltsam hoch, das Publikum wendet sich schon gähnend dem Ausgang zu. Und dann im allerletzten Moment, beim neunten Anzählen, erhebt sich der alternde Koloss. Um noch einmal gehörig auszuteilen.

Yves Weber

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