Rezension
Arctic Monkeys
Humbug
Highlights: My Propeller // Potion Approaching // Cornerstone // Pretty Visitors
Genre: Alternative Rock // Wüstenrock
Sounds Like: The Last Shadow Puppets // The Rascals // Queens Of The Stone Age // Dirty Pretty Things
VÖ: 21.08.2009
Für den Fußballtrainer gibt es eine existenzielle Weisheit: Never change a winning team. Klar, wenn Grafite und Dzeko das Ding in jedem Spiel im Netz versenken, wäre Wolfsburgs Meistertrainer Magath auch schön blöd gewesen, etwas an der Aufstellung zu ändern. Würde Otto Normalfußballtrainer jedoch denken wie viele Musiker, wäre der typische Gedanke wohl ein anderer: "Ich bin es satt, dass man immer nur diese Aufstellung von meinem Team erwartet! Um meine Reife als Trainer zu demonstrieren, spiel ich jetzt wie in den 60ern mit 4-2-4-Aufstellung, oder stell im Endspiel einfach mal die A-Jugend auf - und wer mich dann kritisiert, hat die Mannschaft sowieso nie wirklich verstanden!"
Mag abstrus klingen, ist aber gerne einmal die Denkweise von - zugegebenermaßen im Gegensatz zu Fußballtrainern als Künstler ernstgenommen werden wollenden - vielen Bands, die sich nach erfolgreichen Erst- (und manchmal Zweit)alben auf neue musikalische Wege trauen wollen - oft zum Verdruss der Fans, aber dafür dem eigenen Freiheitsdrang als Musiker folgend. Dass es auch den Arctic Monkeys so gehen würde - wahrscheinlich kein Wunder, postulierte ihr Debütalbum doch noch großkotzig-vielversprechend "Whatever You Think I Am, That's What I'm Not".
Und stimmt: Vorrangig auf jenem Album, mit Abstrichen auch auf dem Nachfolger "Favourite Worst Nightmare" hätte man die arktischen Affen noch für eine auf den britischen Geschmack gepolte, rotzige, aber eingängige Indiepoprock-Band gehalten, wenn auch eine sehr gute. In der Tat nicht gedacht hätte man vielleicht, dass knappe drei Jahre später ein Album wie "Humbug" folgen würde.
Man vergleiche einfach mal die Bilder, die die Opener von "Whatever You Think..." und "Humbug" auf das innere Auge projizieren: Waren es bei ersterem vielleicht feiernde, leicht angetrunkene britische Under-Agers, evoziert "My Propeller" - ebenso wie die darauf folgende Vorabsingle "Crying Lightning" eher Bilder, wie Little Joe und Hoss Cartwright durch eine brennende Landkarte reiten. Die Last Shadow Puppets, Alex Turners Nebenprojekt, und wohl auch die Produktion Josh Hommes haben ihre Spuren hinterlassen, Saloon statt Club scheint das Motto zu sein, wenn der Bass dumpf durch "My Propeller" schleicht oder die Drums sich durch "Potion Approaching" prügeln.
Dass in solchen Saloons aber jeder Musikant wohl in Sekundenbruchteilen erschossen worden wäre, wenn er Geschnulze wie "Secret Door" oder insbesondere "Cornerstone" angestimmt hätte, verdeutlicht dann aber auch die andere Seite von "Humbug" - Hits, nicht mehr für den Dancefloor, sondern (auch deutsches) Formatradio und die feuerzeugbewaffnete Stadionmeute. Ansonsten hält sich der Hitverdacht in Grenzen - wenn man einmal vom rasanten, potentiellen Old-School-Fan-Favoriten "Pretty Visitors" absieht. Aber mal ehrlich - offensichtliche Hits für die Masse sind die Highlights eines guten Albums ja sowieso eher selten. Auf Albumlänge widerlegen die Arctic Monkeys oben erwähnte Fußballtrainerweisheit dennoch. Manchmal geht 4-2-4 eben auch auf.
Diskutieren
Lesen
Rezension zu "AM" (2013)
Rezension zu "Suck It And See" (2011)
Rezension zu "Favourite Worst Nightmare" (2007)
Rezension zu "Who The Fuck Are Arctic Monkeys? EP" (2006)
Rezension zu "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" (2006)
Konzertbericht (2005)
Weitersagen
Finden
Bye-Bye
Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!