Rezension

Ron Sexsmith
Long Player Late Bloomer
Highlights: Late Bloomer // Michael And His Dad // Eyecandy
Genre: Pop // Folk
Sounds Like: Paul Mc Cartney // Elvis Costello
VÖ: 25.02.2011

Was braucht man für eine erfolgreiche Sitcom? Sympathische Charaktere, die trotz einiger Neurosen viel Identifikationsfläche bieten, eine Story, die weder langweilig noch zu weit weg vom Alltag ist, und ein Set, dessen Farben zwar „Bonbon!“ schreien, sich dennoch gekonnt im Hintergrund halten.
Die musikalische Variante dessen scheint Ron Sexsmith mit seinem nun schon elften Studioalbum zu bieten: Das Cover in frischem türkis-gelb, vor dem Sexsmith in einem orangenen Sakko und Rüschenhemd steht und sich dabei zuschauen lässt, wie er, gedankenverloren, irgendwas links-unten fixiert. Die Musik hierzu ist im Prinzip hörbar gemachte Behaglichkeit: Der Sound sitzt, das Timing passt, die Instrumentierung hat Drive – aber dass Sexsmith das, was er tut, kann wie kein zweiter, muss er keinem mehr beweisen.
Virtuos setzt er seine Stimme an Country- und Folkklänge zwischen hübsche kleine Popmelodien, denen die wundervollen Lyrics noch die Krone aufsetzen. Mit hilflosem oder auch gleichgültigem Schulterzucken verkündet Sexsmith „I'm a late bloomer / I'm a slow learner / ... / I'm a long player“ oder erklärt bei „Get In Line“, dass man sich doch bitte in der langen Schlange hinten anstellen solle, wenn man ihm ans Bein pinkeln möchte. Hier werden keine großen Themen behandelt, es geht um kleine Alltagstragiken, die mit der Leichtigkeit der entzückenden Melodien erträglich werden. Sexsmith ist kein braungebrannter Held in Retterpose, er spielt vielmehr die Rolle des nerdigen Losers, ist eher ein schluffiger Typ mit Wuschelfrisur, der bescheiden singt „Well I can't talk now / I'm in the middle of love“.
Sexsmith hat sich mit „Long Player Late Bloomer“ ein Album zusammengeschrieben, das wie eine gute Sitcom dazu einlädt, die Lieblingsfolgen wieder und wieder anzuschauen. Man kennt den Protagonisten, weiß um seine Fehler und hat diese lieben gelernt, da man sich in ihnen wiederfindet. Die Story kennt zwar Höhen und Tiefen, aber man weiß, dass man sich auf sicherem Terrain befindet, etwas tatsächlich Schlimmes wird hier nicht passieren, wenn auch der eine oder andere Turn einen überraschen kann.
Eine Frage stellt sich aber dennoch immer, wenn es um Ron Sexsmith geht: Warum, verdammt nochmal, ist der nicht erfolgreicher? Größen wie Paul McCartney zählen zu seinen Fans und diejenigen, die Sexsmith kennen, wissen, dass die Qualität seiner Songs locker mit Stücken weitaus bekannterer Künstler mithalten kann, oder diese sogar überschattet. Vielleicht ist es die Tatsache, dass Sexsmith mit seiner abseitsstehenden Liebenswürdigkeit genau die Rolle einer Sitcom einnimmt: Sexsmith ist eine Figur, die einen begleitet, zum Lächeln bringt, die einem eine kleine Geschichte erzählen darf, die man aber problemlos auch wieder in den Hintergrund drängt oder wieder vergisst, wenn es Wichtigeres gibt. Schade eigentlich. So bleibt Sexsmith der ewige Geheimtipp, der im Grunde mal durch mutiges Arschkicken aus dem Hintergrund hervortreten sollte, um sich nicht damit zufrieden zu geben, nur dann aus dem Schrank geholt zu werden, wenn man seichte Unterhaltung braucht.
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