Interview
Ron Sexsmith
"Cobblestone Runaway" beinhaltet viele elektronische Elemente und "Retriever" war durch ein Orchester bestimmt. Meiner Meinung nach ist "Time Being" im Gegensatz zu diesen beiden Alben eher kühl und verhalten. Warum hast du die Songs so reduziert klingen lassen?
Ron Sexsmith: Nunja, irgendwie ist dann doch jeder Produzent sehr unterschiedlich und beeinflusst dich in deiner Arbeit. Das letzte Album war mir im Nachhinein auch viel zu überschwänglich mit den ganzen Streichern und so weiter. Deshalb wollten wir es dieses mal wieder etwas simpler und ruhiger angehen.
Vielleicht auch deshalb, weil du die Aufmerksamkeit des Hörers wieder mehr auf deine Texte lenken wolltest?
Ron: "Retriever" war eher ein Popalbum und daher leichter zugänglich. "Time Being" ist lyrisch viel dunkler und persönlicher, denke ich. Wir gingen jetzt nicht absichtlich mit dem Vorhaben heran, deshalb den Sound eher zu reduzieren, aber jedes mal, wenn ich ein Album schreibe, geben mir die Texte in gewisser Weise vor, wie die Musik dazu zu klingen hat. Ein ausschweifendes Orchester oder ähnliches hätte einfach nicht zu den Lyrics gepasst.
Gab es für dich einen bestimmten Grund wieder mit deinem alten Produzenten Mitchell Froom zusammen zu arbeiten?
Ron: Weißt du, wir beide sind ständig in Kontakt. Auch in der Zeit, als ich andere Produzenten hatte. Er rief mich ungefähr ein halbes Jahr vor "Time Being" an und erkundigte sich, wie es denn bei mir so läuft. Ich sagte ihm, dass ich zwar ein paar Songs geschrieben hätte, aber nicht so recht wisse, ob die gut sind oder nicht. Da hat er gefragt, ob er sie mal hören könne und so nahm das Ganze wieder seinen Lauf. Ich hatte gar nicht die Absicht gehabt, mit ihm wieder ins Studio zu gehen, aber es stellte sich schon nach kurzer Zeit heraus, dass daraus etwas Fruchtbares werden würde.
Auf "Time Being" singst du häufig über den Tod und seine Begleitumstände. Gab es dazu einen bestimmten Anlass?
Ron: Es begann alles damit, dass in den letzten Jahren ein paar meiner Highschool-Freunde gestorben sind und ich auf einer Menge Beerdigungen war. Es ist sehr verstörend auf Beerdingungen von Leuten zu gehen, die genauso alt sind wie du. Irgendwie bringt man den Tod immer mit alten Menschen in Verbindung und wenn es dann mal Jüngere erwischt, ist man total verwirrt. Mein Kopf war daher voll von diesem ganzen Thema, und da ergab es sich automatisch, dass meine Texte in diese Richtung gingen, obwohl ich es eigentlich nicht geplant hatte.
Du schreibst deine Songs sowohl auf der Gitarre, als auch auf dem Klavier. Sind beide Instrumente bei dir gleichberechtigt, wenn es um Songwriting geht?
Ron (grinst): Oh je! Ich bin viel besser auf der Gitarre! Am Klavier kann ich so gut wie gar nichts. Das ist einfach mein Ehrgeiz, der mir einbildet, ich könnte auf dem Klavier bessere Songs schreiben. Man hat da ein Gefühl, als könnte man viel leichter durch Zufall auf tolle Melodien kommen, aber sehr wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein, weil eigentlich entstehen die besten Melodien immer noch in meinem Kopf, wenn ich spazieren gehe.
Wie gehst du denn allgemein ans Songschreiben ran?
Ron: Das ist eine sehr mysteriöse Sache, wenn ich ehrlich bin. Häufig werde ich dadurch inspiriert, dass irgendwer irgendeinen Satz zu mir sagt und schon ist die Idee da. Was immer es auch ist, es ist dann meine Aufgabe aus der Idee das Potenzial für einen Song zu sehen, oder eben die Idee wieder zu verwerfen. Ich verbringe dann Stunden damit herumzulaufen und über die Idee nachzudenken. Das hört sich jetzt total bescheuert an, aber manchmal beschäftigt mich das sogar Monate.
OK, ganz andere Baustelle: Gibt es irgendwelche Musiker, die zu Beginn deiner Karriere ein großer Einfluss für dich waren und es noch heute sind?
Ron: Ja, sogar fast alle von denen! Die ganzen melodiösen Songwriter wie Ray Davies von The Kinks, Elton John oder die Beatles (überlegt) Wenn ich es mir recht überlege, ist das schon sehr erstaunlich, dass ich mich in all den Jahren nie so wirklich von den alten Helden entfernt habe. Darüber sollte ich einen Song schreiben!
Bekomme ich dann eine Gewinnbeteiligung an dem Song?
Ron (lacht): Ja Mann! Du solltest im Anschluss an das Interview am besten gleich mit meinem Manager verhandeln.
Du hast mit Musikern wie Don Kerr oder Chris Martin gearbeitet. Wird es in Zukunft ähnliche Kollaborationen geben?
Ron: Ich weiß nicht. Die Sache mit Don Kerr war ja eher eine Freundschaftsangelegenheit. Wir sind schon ewig befreundet. So etwas, wie mit Chris Martin wird es hingegen wohl nie wieder geben. Das ist einfach so passiert. Ich war ja nicht einmal da, als er seinen Teil zu dem Song beigetragen hat. Noch besser, ich hab nicht einmal gewusst, dass er überhaupt in dem Song singen würde. Das war diese Benefizgeschichte, die ja an sich super ist, aber bei der man sich im Nachhinein nicht wundern darf, wenn plötzlich Eminem die Strophen übernimmt.
Meiner Meinung nach bist du eher der schüchterne Musiker ohne irgendwelche Eskapaden und dergleichen. Was denkst du über Bands und Künstler, die in den Medien eher durch ihre Exzesse, als durch ihre Musik bekannt sind?
Ron: Ich glaube die Medien wollen heutzutage überhaupt nichts mehr von der Musik der Künstler wissen. Daraus kann man keine Schlagzeilen mehr machen. Nimm Pete Doherty! Der ist ständig wegen seinem Drogenproblem, oder was weiß ich was, in den Medien. Keine Sau schreibt was über seine Musik, dabei ist er wirklich ein verdammt talentierter Songwriter. Gerade in England kannst du es total vergessen, Aufmerksamkeit wegen deiner Musik zu bekommen. Wenn du da nicht die Skandale mitbringst, hast du schon verloren. Aber in gewisser Hinsicht ist mir das gerade recht. Die müssen doch alle denken, wie gottverdammt langweilig ich doch bin. Dabei stimmt das gar nicht! Ich hab den ganzen Rockstarscheiß nur schon lange hinter mir. Oh je, wenn die Presse wüsste, was wir früher gemacht habe!!! Jetzt bin ich aber einigermaßen erwachsen und kann Gott sei Dank ganz normal einkaufen gehen.
Du hast einige sehr bekannte Bands wie Radiohead, Coldplay oder The Cardigans supportet. Welche Tour blieb dir am meisten in Erinnerung?
Ron: Ich würde sagen die Tour mit Elvis Costello. Das war, als ob man plötzlich mit seinem großen Idol zusammen in den Urlaub fährt und abends zusammen abfeiert. Die Tour mit Coldplay war allerdings auch sehr interessant, da sie genau zu der Zeit groß wurden, als wir mit ihnen unterwegs waren. Wir starteten in kleinen Clubs und spielten am Ende in riesigen Arenen. Das war schon sehr beeindruckend mitzuerleben.
Haben sie sich denn dann anders verhalten, nachdem sie berühmt wurden?
Ron: Chris hat sich schon sehr verändert. Wir haben ihn kaum noch gesprochen gegen Ende der Tour. Mit dem Rest der Band konnte man allerdings immer noch prächtig einen heben gehen. Aprospos, hast du auch Lust auf ein Bier?
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