Rezension

Sophie Hunger

Molecules


Highlights: She Makes President // There Is Still Pain Left // Cou Cou
Genre: Singer-Songwriter // Pop // Electronica
Sounds Like: Emiliana Torrini // Kate Tempest // Amanda Palmer

VÖ: 31.08.2018

Alben von Sophie Hunger waren bislang akustische Wundertüten: Zwischen Kammerpop, Jazz, Folk, Electro und Indierock tobte sich die Schweizerin gern mal in jedem Song in anderen Genres aus, sang dazu auf Englisch, Französisch, Deutsch und Schweizerdeutsch. „Molecules“ ist anders – und überrascht gerade damit mehr, als es jeder plötzliche Stilwechsel zwischen zwei Tracks könnte.

Für ihr sechstes Studioalbum setzte sich Hunger selbst Grenzen: Im Instrumentarium beschränkt sie sich auf Drum-Computer, Synthesizer und Akustikgitarren, sprachlich bleibt sie (fast) durchgängig beim Englischen. Klanglich wird „Molecules“ so zu ihrem bisher wohl insgesamt geschlossensten Werk, was nicht bedeutet, dass es an Abwechslung mangelt: Vom minimalistisch pluckernden „She Makes President“ über die Akustik-Ballade „Sliver Lane“, die die Elektronik vor allem zur Verzierung nutzt, bis zum vollends maschinellen „Electropolis“ findet sie ein breites Ausdrucks-Spektrum. Die rockig-explosiven Momente und Improvisationen bisheriger Alben lässt „Molecules“ dabei hinter sich. Dafür bringt seine elektronische Kühle ganz neue Facetten zum Vorschein.

Gleichzeitig ist „Molecules“ auch das bislang wohl persönlichste Sophie-Hunger-Album: „She Makes President“ verarbeitet ihre Enttäuschung nach dem Sieg Donald Trumps über Hillary Clinton, bei der sich die wählenden Frauen Amerikas laut Hunger zu “Henkerinnen ihrer eigenen Machtergreifung“ machten. „There Is Still Pain Left“ verarbeitet in ungewohnt deutlichen Zeilen die Beziehung zu einem depressiven Menschen, der vor lauter Abgründen sein Gegenüber nicht mehr sieht – „You kiss your nightmares everywhere/Why, why can't you see you should be kissing me“. Und der Abschluss „Cou Cou“, in dem Hunger dann doch kurzzeitig ins Französische wechselt, nimmt bei der Beschreibung einer Trennung eine ungewohnte Perspektive ein und richtet sich an die Kinder des Ex-Partners, von denen sie ebenfalls Abschied nehmen musste.

Von vereinzelten Fans, die vor allem die eklektizistische Klanglichkeit ihrer bisherigen Alben schätzten, wird sich Sophie Hunger demnächst vermutlich Ausverkaufs-Vorwürfe anhören müssen – gerade, weil die Hinwendung aus dem Rock-Sektor hinaus hin zu mehr Elektronik eigentlich automatisch entsprechende Assoziationen weckt. „Molecules“ weicht diesen Anschuldigungen aber behände aus, indem es zwar offensichtlich ausgiebig produziert, aber nie glattgeschliffen ist. Sophie Hungers Klangsprache mag hier einheitlicher als bisher sein, ihre Songs aber sind eindringlich wie eh und je, kontern die elektronisch-kühlere Soundgestalt gekonnt mit umso klareren Texten und fügen sich zu einem Album, auf das vielleicht erstmals in ihrer Karriere der Begriff „wie aus einem Guss“ passt.

David Albus

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