Rezension
Son Lux
Brighter Wounds
Highlights: Labor // The Fool You Need // Dream State
Genre: Epischer Pop
Sounds Like: Perfume Genius // Sin Fang // Sufjan Stevens
VÖ: 09.02.2018
„I hope you are a dreamer”, so die ersten Worte auf „Brighter Wounds“, dem neuen Album von Son Lux. Gerade hatte ich noch ein Glückslos gezogen, auf dem stand ein irischer Segenswunsch: „Mögen die Grenzen, an die du stößt, einen Weg für deine Träume offen lassen“. Und jetzt der Wunsch von Ryan Lott, Mastermind und Sänger bei Son Lux. Die Hoffnung, dass das Gegenüber überhaupt in der Lage ist, Träume zu haben, um die dann träumen zu können, wenn an Grenzen gestoßen wird. An eigene Grenzen, an die von anderen aufgelegten und ebenso an solche, die Wunden hinterlassen, wie der paradoxe Albumtitel verrät. „Forty Screams“, der erste Track auf dem Album „Brighter Wounds“, eröffnet dieses bereits episch und düster. Ein Album voller Ängste, voller Verletzungen, aber eben auch voller Träume und Hoffnungen. Es lässt sich anhören wie ein düsteres Märchen, mit Angst und Kämpfen, aber auch immer wieder mit Vertrauen in das Gute und natürlich einem bittersüßen, aber glücklichen Ende. Jeder Song erzählt eine eigene Episode des Lebens, nicht einseitig, sondern so, wie es ist: mit Höhen und Tiefen, mit Trauer und Wut, Verzweiflung, Liebe, Glück und Freude.
Während auf Son Lux' älteren Werken die schöne Instrumentierung und hübsch arrangierte Passagen überwogen, sich alles engelsgleich und imposant zusammenfügte, verwebt Ryan Lott gemeinsam mit seinem Gitarrist Rafiq Bathia und Drummer Ian Chang hier auch mehr und mehr die negativen Seiten. Immer noch gibt es hochwertige Arrangements zu hören, die aber gerne mal während des Songs zerbrochen werden und von der Realität oder einem Alptraum überrollt. Insgesamt ist „Brighter Wounds“ immer noch gewohnt imposant, aber gleichzeitig wesentlich zurückhaltender instrumentiert.
„Labor“ beginnt mit einem Krächzen und zarten Klavieranschlägen. Ein Beat aus durch ein Phonokardiogramm hörbar gemachten Herztönen unterlegt im weiteren Songverlauf die Melodie. „Come to life! My hungry arms are begging you!“, presst Lott heraus, bevor er in ein Duett mit einer Sängerin geht, das, mit Streichern unterlegt, fast beruhigend wirkt. Dieses Duett steigert sich, bis die beiden die Worte nochmals wiederholen, dieses Mal aber weniger flehend als freudig erwartend. Lott verarbeitet im Song „Labor“ die Reanimation seines Sohnes nach dessen Geburt. Der Song ist damit gleichzeitig eine Ode an die gelungene Wiederbelebung und die Verarbeitung der intensiven Angst, die er in diesem Moment erlebt hat.
Ohnehin liegen Furcht und Zuversicht auf „Brighter Wounds“ immer nah beieinander, nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch. Chorale Gesänge werden von heftigen elektronischen Bässen und hineinpreschenden Drums überwälzt, in „Surrounded“ wird so heftig auf das Schlagwerk eingedroschen, dass es klingt wie ein apokalyptischer Ritt. Der hört dann urplötzlich auf und der nächste Song („Young“) beginnt mit zarten Bläsertönen und zerbrechlichem Gesang. Ein Vorwurf, den man dem Album machen könnte, ist, dass es nicht wie aus einem Guss ist. Auch, wenn das Auf und Ab während der Songs ein spannendes Stilelement ist, so wird beim Hören fast die Erwartung groß, dass die Songs insgesamt ineinander verwebt sein sollten und fließend ineinander übergehen. Durch die teils harten Brüche stehen die Songs zwar jeweils für sich, sind aber auch isoliert voneinander.
„Brighter Wounds“ ist ein wenig wie ein irischer Segensspruch. Auch, wenn er Hoffnung geben soll, so bleibt er immer noch in der Realität verankert – und die Luft, die man beim Träumen einatmet, ist nicht zuckersüß, sondern salzige Meeresluft. Und am Ende klingt es makaber euphorisch, wenn Lott im finalen Song „Resurrection“ wiederholt ausruft, was er schon mit Chor in „Dream State“ angekündigt hat: “Out of the darker day and into the brighter night!”.
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