Rezension

Modest Mouse

We Were Dead Before The Ship Even Sank


Highlights: We've got everything // Florida // Little Motel // Dashboard
Genre: Indierock!
Sounds Like: Firewater // The Arcade Fire // Neutral Milk Hotel

VÖ: 30.03.2007

Ja, das ist schon verdammt abgedreht, aber in welcher Band, wenn nicht bei Modest Mouse, hätte es passieren sollen? Nach dem famosen "Good News For People Who Love Bad News" das neue fünfte Album mit niemand geringerem als Ex-Smith Johnny Marr, der sich mittlerweile in die Stammbesetzung gezupft hat. Wen interessiert da noch der Abgang von zwei anderen (Ex-)Mäusen. Schon verrückt, diese Band. Aber genau dafür wird sie schließlich so unglaublich geliebt. Mit der Erwartungshaltung, die überall zu spüren ist, könnte man sich locker an Wolkenkratzer lehnen. "The Moon & Antarctica" und eben jenes "Good News..." gelten als unangezweifelte Meisterwerke, die verschrobenen Vorgänger mindestens als nahe dran, und die vielen EPs boten auch stets atemberaubende Songs. Eigentlich konnte bei "We Were Dead Before The Ship Even Sank" gar nichts schief gehen. Eigentlich kann jeder den Plattendealer seines Vertrauens aufsuchen und sich die neue Modest Mouse kaufen. Und jetzt subtrahieren wir mal das "eigentlich".

Wer die Vorgänger mochte, wer die Band mag, und wer auf gute Musik steht, wird mit dem neuen Dropping nämlich seine hellste Freude haben. Seien es die catchy Überflieger des Albums, wie "Florida" oder "We've Got Everything" (nur zwei von drei Songs mit Shins-Frontsirene James Mercer), oder das für die Dancefloors geplante "Dashboard". Hits, Hits, Hits. Aber auch Freunde der etwas ruhigeren Modest-Mouse-Töne kommen nicht zu kurz. "Little Motel" hätte prächtigst auf das tiefgekühlte und liebevolle "The Moon & Antarctica" gepasst. Und das ausufernde "Spitting Venom" war vermutlich mal die Arie in einer längst von der Band verworfenen Rock-Oper. Isaac Brock und seine Mannen schaffen es nur wie wenige, aus etwa fünfhundert Ideen einen Song aus der Hüfte zu schießen der dann auch noch völlig unangestrengt und genauso faszinierend klingt, wie das die Erwartungen bei 500 Ideen eben zulassen. Die Ideenvielfalt eben dieses Songs hätte vermutlich anderen Kombos gereicht, um ganze Diskographien entstehen zu lassen.

Und auch das ist ein Erfolgsgeheimnis von Modest Mouse: Too much is never enough. Und das hört man aus allen Poren dieses Albums. Brocks Stimme schlägt Purzelbäume, verprügelt ihren Besitzer, springt durch den Raum wie ein motorisierter Flummi, und landet am Ende mitten in der Magengrube des Hörers. Er krakeelt, krächzt, schreit, keift, brüllt, dass es herrlich ist. Für Neulinge sicher gewöhnungsbedürftig, aber für MM-Veteranen ein großer Spaß. Denn noch nie hat Brock auch noch gleichzeitig so gut gesungen. Und da sieht man es wieder: Dieses Album ist das vielleicht gegensätzlichste der Band. Es bietet sowohl Radiotauglichkeit, als auch ziemlich unknackbare Gemeinheiten, absoluten Pop und wohlklingenden Lärm. Manchmal kann sich ein Song selbst nicht entscheiden, wo er so recht hingehört.

Das bereits erwähnte "We've Got Everything" macht es einem da leichter. Der vielleicht beste Song des Albums. Eingängig, mit großartigem Riff und gewohnt guten Lyrics. Der Einsatz von Mercers Stimme im Hintergrund hat dabei fast schon etwas emoeskes und verleiht dieser Adrenalinspritze von Song im Mouse-Kosmos etwas völlig Neues. Man freut sich auf neue Kooperationen. Allerdings gehören solche Gedanken unmittelbar in die Minuten, welche sich nach dem Hören abspielen.

Man ist durch und weiß, dass man es wieder mit einer tollen Modest Mouse zu tun hatte. Aber was nun? Schade, dass sich diese Frage überhaupt stellen muss. Man hat ein neues fantastisches Album in seiner Sammlung. Nicht das beste, auch nicht unter diesem Bandnamen, aber das stört keinen großen Geist. Auf die nächsten fünf. Dann bitte noch mit Josh Homme, Damien Rice, Sufjan Stevens, Trent Reznor und Bob Dylan. Man traut es ihnen absolut zu. They've got everything.

Konstantin Kasakov

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