Rezension

Modest Mouse

Strangers To Ourselves


Highlights: Lampshades On Fire // The Ground Walks, With Time In A Box // Sugar Boats
Genre: Indierock
Sounds Like: Built To Spill // Grandaddy // Pavement

VÖ: 13.03.2015

Es gibt sie ja doch noch: Diese Ausnahmen von der Instant-Gratification-Gesellschaft, von der Welt der angeblich immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen, in der man alles immer sofort haben muss, nur um es danach sofort wieder für den nächsten Wunsch zu vergessen. Ja, die wahren Musikfans sind auch hier mal wieder die besseren Menschen – denn die erinnern sich auch dann noch an ihre liebsten Bands, wenn diese sich jahrelang rar machten. Ansonsten hätte ja schließlich der „Chinese Democracy“-Running-Gag nie einer werden können und bestimmte Tool-Mitglieder hätten den Weinbau schon lange als Hauptberuf in den Ausweis eintragen lassen können. Und ja: Auch auf Modest Mouse' „Strangers To Ourselves“ wartete schon seit „We Were Dead Before The Ship Even Sank“ jeder, der Anfang der Zweitausender dem Indie auch nur ein bisschen abgewinnen konnte.

Nach einem solchen achtjährigen Hiatus (und dem Ausstieg Eric Judys, seit über 20 Jahren fast ununterbrochen Bassist der Band) sollte es manchen Kritikern leicht fallen, wahlweise über Stagnation oder unnötige Änderungen im Sound zu schimpfen – wären Modest Mouse keine Band, die von leise bis lärmend und schrullig bis Charthit schon immer alles in das Loch ohne Boden stopfte, das die Genre-Schublade Indie eigentlich ist. Auch 2015 hat es sich nicht geändert, dass Isaac Brooks Stimme (die immer irgendwie befürchten lässt, dass die ersten Reihen auf Modest-Mouse-Konzerten einen Regenschirm benötigen) eines der wenigen konstanten Merkmale der Band bleibt. Das lässt dann eben auch einmal „Pistol (A. Cunanan, Miami, FL. 1996)“ zu, das mit Knarzbass und Dicke-Eier-Attitüde erst einmal für allgemeine Verwunderung sorgt – dem man aber auch geradezu anmerkt, wie sehr diese Eindrücke bei jedem Hördurchgang verglichen mit dem unheimlich lässigen Groove dieses Songs in den Hintergrund treten.

Deutlich schneller hat den Hörer die smart gewählte Vorabsingle „Lampshades On Fire“ an der Angel, bei der es sich um einen Kandidaten für den größten Sommerhit (oder Frühling, Hauptsache warm) der Bandgeschichte handeln könnte – was für eine Band, die einst „Float On“ geschrieben hat, schon eine ziemliche Leistung ist. Ebenso hartnäckig eingängig-hitverdächtig: „The Ground Walks, With Time In A Box“ – und das trotz seiner Länge, einem Noise-Ausbruch nach vier Minuten und einem mehr oder wenigen aus einem Gitarrenriff bestehenden Refrain.

Was Modest Mouse dann aber doch wieder von denjenigen Kollegen unterscheidet, denen schon nach drei Jahren kein Schwein mehr hinterherpfeift, sind eben diejenigen Songs, die nicht ihrem typischen Hitschema entsprechen: Das sind Ausflüge in den Alternative Rock wie „Be Brave“, Atmosphäregiganten wie „Coyotes“ oder „Sugar Boats“, das klingt, als hätte die Band eine Mischform aus Noise-, Garagenrock und Zirkusmusik erfinden wollen. Was ja relativ nahe liegt. Um solche Lieder wirklich schätzen zu können, muss man sich länger mit ihnen beschäftigen. Aber wer Instant Gratification sucht, war bei Modest Mouse eben noch nie an der richtigen Adresse.

Jan Martens

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