Rezension

Los Campesinos!
Hello Sadness
Highlights: Songs About Your Girlfriend // Life Is A Long Time // To Tundra
Genre: Indie-Pop // Twee-Pop
Sounds Like: Love Is All // Architecture In Helsinki // Pavement
VÖ: 11.11.2011

Es hat sich ausgetanzt. Sorgte das Debüt „Hold On Now, Youngster“ 2008 noch für verzücktes Gezucke und Endorphinstöße, verschwand die Band wieder schnell aus den Wettbüros des „Next Big Thing“. Und während immer mehr Mitglieder des immerhin siebenköpfigen Kollektivs abfielen, um mit einem Studium den rettenden Hafen einer gesicherten Zukunft anzusteuern, hielt der harte Kern an seiner Vision fest. Nur war diese Vision mittlerweile offensichtlich pervertiert; auf jugendliche Euphorie folgten Selbstzweifler und Introversion. Um im Sprachkosmos der Los Campesinos zu bleiben: „We Are Beautiful, We Are Doomed“, „Romance Is Boring“ und nun 2011 „Hello Sadness“. Wie wahr.
Während alle Schönwetterfans wohl längst vom ausgehöhlten Körper abgefallen sind, um den nächsten jungen Hüpfern die Lebensenergie abzuzapfen, haben die Los Campesinos unbeirrt ihren Weg fortgesetzt und im wilden Arbeitseifer – immerhin vier Veröffentlichungen in drei Jahren – konstant starke Platten stoisch aneinandergereiht. Dass dies immer weniger Leute interessiert, scheint die Band längst nicht mehr zu berühren. Vielmehr vollendet „Hello Sadness“ die Verweigerung einer Zielgruppenbedienung, welche sich bereits seit „Romance Is Boring“ andeutete.
Wie klingt nun eigentlich die Musik? Der Opener „By Your Hand“ macht bereits deutlich, dass das Tempo bis auf eine ruhmreiche Ausnahme (das glorreiche „Songs About Your Girlfriend“) massiv gedrosselt wurde. An den liebevoll ausgeschmückten Indiepop-Arrangements hat das recht wenig geändert, an der Grundstimmung dagegen schon. Das Bandmanifesto „You! Me! Dancing!“ hat sich natürlich längst den Fuß verstaucht: Wer hier unkontrolliert zuckt, ist wohl Spastiker. Zu den neuen Liedern lässt sich am besten seufzen, kontemplieren und bei Highlights wie „Life Is A Long Time“ vielleicht dann doch mal etwas weniger unzufrieden mitwippen.
Gerade der Titeltrack wird durch sein an LCD Soundsystems „Drunk Girls“ angelehntes Video als musikalisches Guantanamo in 2011 eingehen. Sämtliche Bandprotagonisten werden von Maskierten gefoltert, um später dann ausgelaugt an den Traualtar geführt zu werden: Die Liebe als Hölle. „Hello Sadness“ im Crashkurs. Und genau hier liegt das große Problem des neuen Los-Campesinos-Albums. Die Texte von Gareth fahren mal wieder einen gefährlichen Kurs zwischen Selbstironie und selbstzerfleischender Nabelschau. Lieder wie „To Tundra“ torkeln oft haarscharf die Klippe zum lyrischen Selbstmord entlang.
„Hello Sadness“ reiht sich damit in die guten Veröffentlichungen der Los Campesinos ein und eigentlich sollte es ganz egal sein, ob es nun jemanden interessiert oder nicht. Trotzdem würde man den sieben Elendchen um der guten alten Zeit wegen manchmal gerne ein unironisch entrücktes Lächeln entlocken und ihnen tröstend „alles gar nicht so schlimm“ zuflüstern. Ihr lieben Los Campesinos: Depressionen sind heilbar. Why so serious?
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Rezension zu "No Blues" (2013)
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