Konzertbericht
Los Campesinos!

Bei einer Band, die immerhin acht Mitglieder hat, ist es nicht leicht, die herausragendste Eigenschaft der einzelnen Bandmitglieder in einem Satz zusammenzufassen. Daher ist es verziehen, wenn sich Kim und Ellen Campesinos!, die wir vor dem Gig der Band im Molotow trafen, dabei manchmal etwas schwer tun: „Ich bin......die Bass-Spielerin“, lacht Kim. „Und Ollie ist der, der sich immer nackt macht.“
Vielleicht hat sich ja Letzteres entweder zu viel oder zu wenig herumgesprochen, denn der Hamburger Club ist nur knapp zur Hälfte gefüllt – was natürlich aber auch am Datum gelegen haben kann, denn am St. Patrick's Day legt sich so mancher vielleicht lieber unter den Zapfhahn eines Guinness-Fasses, als zu den Los Campesinos! zu tanzen. Immerhin wurde auch innerhalb der Band ein passender grüner Hut erworben, erzählt Ellen: „Jeder hat ja auch irgendwo irisches Blut.“
Aber zurück zum Auftritt: An geringen Zuschauerzahlen leidet ja auch die Vorband, und so sind es dann nur wenige, die dem Auftritt von Copy Haho beiwohnen und noch weniger, die dieser zu interessieren scheint. Eigentlich ungerechtfertigt, denn eine Band, der die Presse Ähnlichkeiten zu Pavement zuschreiben kann, ohne sich lächerlich zu machen, und die dazu noch hin und wieder einen kleinen Hit wie „Wrong Direction“ aus dem Ärmel schütteln kann, der darf man zumindest ein Weilchen seine Aufmerksamkeit schenken.
Aber wer weiß denn, wieviel das (größtenteils) U-18-Publikum überhaupt noch mit Pavement anfangen könnte? Oder, viel interessanter: Was es mit „Romance Is Boring“ anfangen würde, das zwar immer noch eine bunte Sammlung kleiner Indie-Pop-Songs, aber zunehmend ernster und weniger quirlig als noch „Hold On Now, Youngster...“ und „We Are Beautiful, We Are Doomed“ ist. Keine willkürliche Entwicklung: „Man wird mit den Jahren eben reifer und manchmal auch verbitterter“, erklärt Sängerin und Keyboarderin Kim, die der Band erst letztes Jahr beitrat. Ob es dennoch irgendein Element gäbe, ohne das Los Campesinos! nicht Los Campesinos! wären? „Wenn wir uns darüber jemals Gedanken gemacht hätten, würde wahrscheinlich auf jedem unserer Lieder ein Glockenspiel sein müssen.“
Ob es an mangelnden Glockenspielorgien liegt, ist unbekannt, aber neue Stücke werden heute eher verhalten aufgenommen, zum recht früh eingestreuten „Death To Los Campesinos!“ vom Debütalbum bewegt sich die Meute zum ersten Mal so wirklich, nur um später bei „A Heat Rash in the Shape of the Show Me State; or, Letters from Me to Charlotte“ oder anderen neuen Tracks den Stock zurück in den Popo zu stecken. Und a propos – warum die Band immer noch so unnormal lange Liedtitel bräuchte? „Gareth ist nun einmal ein Künstler und hat keine Lust, seine Texte auf zwei Wörter runterzubrechen“, so Ellen. „Und als Bonus gefällt es ihm, die Journalisten zu ärgern, die die Titel immer abtippen müssen.“
Grund genug für einen beleidigten Verriss wäre dieses Geständnis, wenn die Band nicht ansonsten so sympathisch rüberkommen würde: Sänger Gareth lässt sich seine Ansagen und Danksagungen nicht nehmen, obwohl seine Stimme nach der langen Tour schon wie die Darth Vaders klingt, die erst letztes Jahr in die Band gekommene Kim macht ihren Job an Mikro und Keyboard super und eine Band, die gegen Ende des Sets Songs wie „You! Me! Dancing!“ und „Sweet Dreams, Sweet Cheeks“ raushaut, muss man eigentlich sowieso liebhaben. Obwohl Ollie sich diesmal nicht nackt gemacht hat. Oder auch deswegen?
Photo Credit: Jon Bergman