Rezension
Battles
Gloss Drop
Highlights: Futura // Inchworm // Sundome
Genre: Avantgarde // Math-Rock
Sounds Like: -
VÖ: 03.06.2011
Erzählt wird einem dieser Tage ja so Einiges. Hat der brave Bürger mal die Chance, Dinge gegenzuprüfen, dann merkt er, dass Medien gern mal versuchen, Schmarrn an den Mann zu bringen. Wer das Video von Lars von Triers berüchtigter Pressekonferenz in Cannes gesehen hat, weiß, wie er die Äußerung, er sei ein Nazi, gemeint hat. Und dass in Deutschland nicht sofort die Lichter ausgehen, wenn man ein paar AKWs abschaltet, wäre inzwischen ja auch klar. Nun die nächste Ente – und das auch noch im Musikbereich: PR-Agenturen, Konzertberichtschreiber und selbst Musikfans behaupten allesamt, Battles bestünden aus menschlichen Lebewesen. Jaja, schon klar.
Schon nach dem skurrilen Debüt „Mirrored“ war doch eigentlich klar: Dieses quietschbunte Treiben könnte so ziemlich von allem stammen – nur nicht vom Homo Sapiens. Und auch Battles' Zweitling „Gloss Drop“ lädt wieder zu bescheuerten Gedankenspielen ein. Beim Cover geht’s los: Ist das gestanztes Affenhirn? Ein Berg Mett? Oder einfach nur Erdbeer-Speiseeis?
Wahrscheinlich Letzteres, haben Battles die naheliegendste Single-Auskopplung aus „Gloss Drop“ doch entsprechend getauft: „Ice Cream“ reißt mit herrlich eiernden Synthesizern und Gaga-Gesang den Schrank auf und zerdeppert alle sprichwörtlichen Tassen darin mit Vorsatz. Am Mikro: Ein Gast. Denn: Tyondai Braxton, Sänger und Gründungsmitglied, wollte nicht mehr. Der Konkurrenz bräche sowas die Beine, bei Battles ist das alles halb so wild: Singen nun halt Minimal-Produzent Matias Aguayo oder Kazu Makino von Blonde Redhead.
Gesang ist nun mal kein Angelpunkt bei Battles. Siehe „Futura“: Ein monströser Groove und eine furzende Gitarre geben irgendwann ab an kristalline Keyboards, bis dieses obskure Instrumental-Stück eine Vorstellung davon gibt, was im Kopf eines Marsmännchens nach vierstündiger THC-Session so ablaufen müsste. Ein Song wie ein rotierender, transparenter Neon-Würfel. Klingt alles fürchterlich banane, aber genau das ist der Verdienst dieses Trios: Battles' abgedrehter Math-Sound bringt Sprache regelmäßig an ihre Grenzen. Da müssen zur Veranschaulichung eben Bilder her: Das herrlich quirlige „Inchworm“ lässt mit strahlenden Synthies und treibender Percussion glauben, man höre hier gerade ein Flohdorf beim Karnevalsumzug.
Ab Mitte der Platte specken die Songs auf „Gloss Drop“ etwas ab, „My Machines“ stürzt mit pulsierendem Drum&Bass-Beat nach vorn, ist nach nicht mal vier Minuten schon durch. So konventionell wie noch nie kommt dann „Sweetie & Shag“ daher. Einfacher Beat, simpler Song. Aber: es geht mitreißender. Ein Überhit wie "Atlas" fehlt diesmal, den Großteil ihres Pulvers verschießen Battles schon in Albumhälfte eins. Später wirken die Songs weniger pointiert arrangiert, manchmal schon fast beliebig. Oder anders gesagt: gewöhnlicher.
Mit „Gloss Drop“ das Album des Jahres erwartet? Leider Fehlanzeige. In ihrem ganz eigenen Zirkuszelt zeigen Battles auch in zweiter Auflage genug schräge Attraktionen, die so niemand aufs Parkett bekommt. Geschweige denn, sich überhaupt ausdenken könnte. Aber tatsächlich: Es gibt auf „Gloss Drop“ Ansätze von Normalität. Vielleicht stimmt sie ja doch, diese Sache mit den Menschen.
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