Interview
Toro Y Moi
Als ich in den Club komme, finde ich Chazwick umringt von einer Horde Mädchen, die aufgeregt fragen: „Are you Toro Y Moi?“ – Chazwick scheint der Rummel zu gefallen. Er bejaht grinsend. Auch zu einer kleinen Fotosession mit den Fans sagt er nicht nein. Dann kommt er gut gelaunt herüber. Ich frage ihn, ob er einen guten Ort kennt, an dem wir das Interview machen können. Chaz schüttelt den Kopf. Er schlägt vor, erstmal raus auf die Straße zu gehen.
Im Club nebenan ist Metal-Nacht, im Venue werden in wenigen Minuten Teeth anfangen zu spielen und gegenüber hat schon das Konzert von Everything Everything begonnen. Wir befinden uns sozusagen in der „Hauptkonzertstraße“ von Reykjavik. Als wir auf dem Gehweg stehen, sagt Chazwick: „Meinetwegen können wir das Interview hier machen!“ und grinst mich an. „Oh… ich befürchte, hier wird es zu laut sein. Könnten wir nicht einen ruhigeren Ort finden?“
Nach einiger Sucherei finden wir ein ruhiges, öffentliches Gebäude. In dessen Vorraum steht ein kleines Bäumchen, an dem viele kleine Zettel hängen. Auf einem Tisch daneben ist ein Brief von Yoko Ono zu lesen, die erst vor kurzem in Reykjavik zu Besuch war. Sie hat einen Wunschbaum aufstellen lassen, an den jeder, der möchte, seine Wünsche hängen kann. Chazwick ist begeistert, schnappt sich sofort einen Zettel und fängt an zu zeichnen.
Welchen Wunsch schreibst du auf?
Chazwick: Wahrscheinlich haben schon jede Menge Leute „Peace“ und sowas aufgeschrieben, ich schreibe einfach nur „Smiles“. Ich möchte, dass die Menschen häufiger lachen.
Das ist ein guter Wunsch. Ich habe gelesen, dass du bald Geburtstag hast. Was wünschst du dir zum Geburtstag? Hast du schon Pläne?
Chazwick: Ehm… nun, ich möchte vor allem meine Freunde und meine Familie sehen. Meine Freundin wird zu meiner Mum kommen und wir werden gemeinsam feiern. Darauf freue ich mich.
Bist du schon lange auf Tour unterwegs?
Chazwick: Wir hatten gerade fünf Wochen Pause. Nun werden wir etwa 3 ½ Wochen in Europa touren und danach noch ein paar Wochen in Amerika.
Hast du einen Lieblingsort, wenn du tourst?
Chazwick: (lacht) Die Hotelzimmer!
Du bist also nicht am liebsten auf der Bühne?
Chazwick: Nein… für mich ist die Bühne okay, aber wenn ich toure, dann ist mein Lieblingsplatz das Hotelzimmer. Dort kann ich alleine sein, relaxen und fernsehen.
Ist es sehr anstrengend für dich, jeden Abend auf die Bühne zu müssen?
Chazwick: Nein, nein! Das ist es nicht. Es macht mir wirklich Spaß! Gestern haben wir allerdings den ganzen Tag nicht geschlafen, weil wir aus den Staaten her geflogen sind. Bei so langen Flügen kann es anstrengend werden. Aber in Europa sind es ja nur kurze Strecken. Wir können also am gleichen Tag von einem Ort zum anderen fliegen und abends ein Konzert geben. Auf einer Tour sind meist der Anfang und das Ende am härtesten. Am Ende will man es nur noch schnell hinter sich bringen.
Wo du vom Relaxen in Hotelzimmern gesprochen hast: Ich habe ein Interview mit dir gesehen, bei dem du im Bett liegst, während du interviewt wirst. Wie kam das zustande?
Chazwick: (lacht) Ich glaube, es war die Idee des Reporters. Es war verrückt, aber ziemlich bequem.
Hattest du schon Zeit, dir viel von Island anschauen?
Chazwick: Noch nicht so richtig. Es ist mein erstes Mal auf Island. Die Fahrt vom Flughafen hierher hat etwa eine Stunde gedauert. Alles sah ziemlich flach aus, bis auf ein paar Hügel. Es erinnerte mich sehr an die Mid-West-States der USA. Ich mag die Felsen hier, die sehen toll aus, es muss etwas mit den Vulkanen zu tun haben.
Als ich über dich im Internet gelesen habe, tauchte überall das Wort „Chill-Wave“ auf. Was bedeutet dieses Genre für dich persönlich? Würdest du dich auch dort einordnen?
Chazwick: Hmm… Ich würde einfach sagen, dass ich Popmusik mache. Ich versuche oft, mir eine andere Antwort auszudenken, aber Popmusik ist das Passendste. Aber es ist nicht so schlecht, dass eine eigene Kategorie für unsere Musik geschaffen wurde. Das bedeutet, dass wir etwas anders und besonders machen, und das ist cool.
Es werden ja auch noch eine Reihe anderer Künstler in dieses Genre eingeordnet, wie zum Beispiel Beach House und Washed Out. Arbeitet ihr auch zusammen, oder kennt ihr euch überhaupt?
Chazwick: Ja, ich habe die meisten von den Leuten schon persönlich getroffen. Zum Beispiel Alan von Neon Indian… sie spielen, glaube ich, morgen auch hier! Ernest von Washed Out und ich gingen sogar zusammen zur Schule.
Wirst du dir die Show von Neon Indian anschauen?
Chazwick: Nun… ich weiß es noch nicht. Ich denke, wir werden eher versuchen, uns ein paar Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Aber wenn ich noch Zeit habe, möchte ich die Leute auf jeden Fall treffen.
Hast du ansonsten irgendwelche Pläne, dir Bands auf dem Festival anzuschauen?
Chazwick: Nicht wirklich… es ist immer so: Wir fliegen von Festival zu Festival und haben nicht wirklich den Kopf dafür, uns andere Bands anzuschauen. Aber wir sind heute zum Beispiel einfach in den Straßen herum gelaufen und haben die gute Stimmung mitgenommen. Und ansonsten bin ich auch immer daran interessiert, neue Musik zu entdecken. Ich mag diesen Typen… James Blake. Einer seiner Songs ist instrumental, den finde ich großartig. Ich möchte heute Abend sein Konzert anhören.
Wo wir gerade über Musik sprechen, wollte ich dich fragen, was dich beeinflusst hat, als du ein Kind oder Jugendlicher warst?
Chazwick: Als ich ein Kind war, hörte ich mir die Top 40 der Charts an, weil meine Eltern sich das anhörten. Madonna und Elvis Costello. Eines Tages hat mein Vater mir dann eine Platte von Weezer mitgebracht.
Dein Vater hat dich auf Weezer gebracht?
Chazwick: Ja, er hatte bei MTV von ihnen erfahren. Ich hab damals noch nicht fern geschaut, ich war da ungefähr 10 Jahre alt… Weezer habe ich mir oft als Kind angehört! Zu der Zeit außerdem auch die Beach Boys. Von denen habe ich mir auch meine erste CD gekauft.
Hörst du dir die alten Platten immer noch an?
Chazwick: Nein, nicht wirklich. Ab und zu höre ich noch Weezer, aber nur um ironisch zu sein und an meine Jugendjahre zu denken. Was ich mir jetzt noch anhöre, sind Sachen aus den 70ern. Die finde ich immer noch ziemlich gut.
Hast du diese Sachen auch durch deine Eltern kennen gelernt?
Chazwick: Ja, das sind größtenteils Sachen, die mein Dad mir gegeben hat.
Haben deine Eltern dir auch beigebracht, Instrumente zu spielen?
Chazwick: Ja, meine Mom wollte, dass ich Klavierunterricht bekomme, als ich etwa acht Jahre alt war. Dann lernte ich mit zwölf noch Gitarre spielen.
Warst du gerne im Musikunterricht oder bist du hin gegangen, weil deine Mutter es wollte?
Chazwick: Es war eher so, dass sie von mir verlangt hat, dass ich hin gehe… aber als ich dann aufgehört habe, Klavierunterricht zu nehmen, um Gitarre spielen zu lernen, fing ich auch endlich an, für mich selbst Klavier zu spielen und einiges auszuprobieren. Von da an mochte ich es.
Hmm… so ist es wohl immer: Wenn man jung ist, schreiben die Eltern einem vor, was man zu machen hat, und später …
Chazwick: … merkst du, dass sie Recht hatten. Ja, so ist es.
Wo nimmst du am liebsten deine Songs auf? Zu Hause?
Chazwick: Ja, meistens bin ich dafür zu Hause. Meine Freunde sind da, und meine Freundin, das ist wichtig.
Sind sie in die Aufnahmen involviert, oder machst du alles alleine?
Chazwick: Die Aufnahmen mache ich alleine. Aber ich habe meinen Dad vor kurzem gebeten, ein paar Worte zu sagen, die ich aufgenommen habe. Ich habe sie für das nächste Album gesamplet. Das wird cool! (lacht)
Welche Samples benutzt du noch für deine Songs?
Chazwick: Auf dem nächsten Album hab ich einige meiner alten Sachen neu gemischt.
Ich hab deinen Beach-House-Remix gehört. War es deine Idee, den Song zu mixen oder haben sie dich gefragt?
Chazwick: Meine Freunde haben mich gefragt. Ich habe nie daran gedacht, ein Cover zu machen, aber es hat Spaß gemacht. Ich habe Fruity Loops dafür benutzt, es ist ein bizarres altes Computer-Programm. Aber für mein neues Album möchte ich nun lieber natürliche Geräusche aufnehmen.
Spielst du dann „echtes“ Klavier oder spielst du auf den Synthesizern?
Chazwick: Ich spiele auf beidem. Bei meinen Eltern zu Hause habe ich mein echtes Klavier.
Wie bist du eigentlich auf den Namen „Toro Y Moi“ gekommen?
Chazwick: Den habe ich mir ausgedacht, als ich etwa 15 war. Ich saß auf der Rückbank im Auto meiner Eltern. Das ist nun schon fast zehn Jahre her… aber ich habe nie an einen neuen Namen gedacht. Der Name bedeutet: Der Stier und ich. Es ist halb spanisch und halb französisch.
Sprichst du dann auch spanisch und französisch?
Chazwick: Nein… aber ich spreche philippinisch! (lacht)
Wow, wie kommt das?
Chazwick: Meine Mom ist Philippinerin. Ich plane demnächst zum ersten Mal dort hin zu fliegen, um meine Cousins und den Rest der Familie zu treffen. Es wird garantiert ganz anders als in den Staaten sein. Wahrscheinlich werde ich einen Kulturschock bekommen… Es war auch ein ziemlicher Kulturschock für mich, das erste Mal nach Europa zu kommen! Schon alleine wegen der Straßenschilder! Und dann erst in den UK! Oh mein Gott, sie fahren ihre Autos auf der falschen Straßenseite! (lacht) Es ist verrückt, manche Dinge zum ersten Mal zu sehen… vor allem, wenn man schon erwachsen ist. Dann kann es einen wirklich umhauen.
Was war die letzte Sache, die dich wirklich umgehauen hat?
Chazwick: Ich weiß nicht… wahrscheinlich irgendein Video auf Youtube… (fängt an zu lachen) Wahrscheinlich die Robbe, die schreien kann wie ein Mensch… Mike, hast du das gesehen?
Mike: Die Robbe, die wie ein Mensch schreien kann? Nein…
Chazwick: (lacht) Die Robbe springt aus dem Wasser und schreit wie ein Mensch! Es ist wirklich witzig! Die Robbe schreit wirklich! Aaaaaahh!! (schreit)
Das ist ja eine tolle Sache, die dich fasziniert hat! (lacht)
Chazwick: Ja, es war wirklich tiefgründig! (lacht) Naja, eine andere Sache, die mich fasziniert, ist, dass ich gerade hier bin! Ich hätte nie gedacht, dass ich mal nach Island fliege! Das ist verrückt!
Ja, ich finde es auch großartig! Ich befürchte, unsere Zeit ist abgelaufen. Du musst gleich zum Konzert… weißt du schon, welche Songs du spielen wirst?
Chazwick: Ja, wir haben eine Setlist. Patrick und Andy unterstützen mich live. Sie spielen Bass und Samples und Schlagzeug. Sie sind ein gutes Team. Sie haben ständig Augenkontakt und stimmen sich immer ab.
Kennt ihr euch schon lange?
Chazwick: Ja, wir haben zu Hause schon in verschiedenen Bands zusammen gespielt. Wir sind in der gleichen Stadt aufgewachsen.
Schön, ich freue mich, euch live zu sehen! Genieße den Rest deines Aufenthalts!
Chazwick: Danke schön! Bis später!
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