Interview

The Twilight Sad


Laut, lauter, am lautesten: Aufgrund des ohrenbetäubenden Mogwai-Soundchecks wird unser Interview mit James Graham, Sänger von The Twilight Sad, spontan auf die Straßen der Reeperbahn verlagert. Aufgedrehte Volume-Regler sind dann auch ein Thema des Gesprächs – ebenso wie Schottland, Slayer und vieles andere.

Hey! Ist das hier nun eure erste Tour, bei der ihr das europäische Festland besucht?

James: Das ist nicht unser erstes Mal in Europa, aber unser erstes Mal in Deutschland. Wir hatten schon einige Male geplant, hier zu spielen, aber die Shows wurden immer aus verschiedenen Gründen gecancelt. Wir waren mit Beirut auf Tour, aber nach zwei Shows ist er schon erkrankt und der Rest der Tour musste abgesagt werden und wir durften wieder den Weg nach Hause antreten.

In letzter Zeit habt ihr euch auch mehr auf die Vereinigten Staaten konzentriert, oder?

James: Ja, wir haben in Glasgow eigentlich auch nur drei Shows innerhalb von drei Jahren gespielt, dann ist unser Label auf uns zugekommen und hat uns direkt nach Amerika geschickt, was schon etwas verrückt war. Wir haben dann öfter in Amerika als bei uns zuhause in Schottland gespielt! Wir haben ungefähr 12-15 Wochen in den USA verbracht, das war harte Arbeit.

Hat euch das Label denn einen Grund genannt, warum sie euch zuerst in den USA statt in eurer Heimat Schottland auftreten lassen wollten?

James: Ich weiß nicht, vielleicht weil sich die Musikindustrie bei uns zuhause größtenteils auf ziemliche Scheißbands zu spezialisieren scheint und das Label deswegen erstmal sehen wollte, was wir in den USA erreichen könnten. Wir haben daraufhin dann auch viel Lob in unserer Heimat eingeheimst und Leute begannen, Kenntnis von uns zu nehmen, insofern hat das ja auch ganz gut funktioniert.

Ihr habt in den USA auch mit Aereogramme getourt, stimmt's?

James: Ja, du kennst ja auch Campbell (den ehemaligen Aereogramme-Bassisten, Anm. des Autors), der nun unser Tourmanager ist. Das hat uns viele Türen geöffnet, als wir dann nach Schottland zurückgekehrt sind, so haben wir dann auch zum Beispiel Mogwai kennen gelernt.

Wenn man sich einmal eure Verbindungen zu Aereogramme anschaut – Campbell ist, wie gesagt, euer Tourmanager, Doug ist zu einem Livemitglied von The Twilight Sad geworden…

James: Ja, und Eden Cook hat die letzte EP aufgenommen, die wir veröffentlicht haben, ebenso einige der Tracks der CD, die wir auf Tour verkaufen, und er wird wohl auch bei unserer nächsten Platte mit uns zusammenarbeiten. Es war schon super für uns, sich mit ihnen anfreunden zu können.

Worauf ich hinauswollte: Ehemalige Aereogramme-Mitglieder wirken bei The Twilight Sad mit, ihr geht mit Mogwai auf Tour – es fällt schon auf, dass es eine Menge toller schottischer Bands mit einem jeweils ganz eigenen Sound gibt – wie euch, Aereogramme, Mogwai, Biffy Clyro – die sich auch untereinander gut verstehen. Würdest du sagen, dass es so etwas wie eine Szene gibt?

James: Ich glaube an sich nicht, aber Glasgow ist eigentlich so eine kleine Stadt, dass man über einen Menschen, den man kennen lernt, sofort alle anderen trifft. Ich weiß nicht, ob es eine Szene gibt, aber wir hatten wirklich eine Menge Glück, dass wir diese und andere Bands, mit denen wir aufgewachsen sind und die uns als Vorbild gedient haben, kennen lernen konnten. Dass diese Bands nun auch noch mit uns zusammen arbeiten, ist unglaublich. Vielleicht gibt es nicht unbedingt eine Szene, aber auf jeden Fall eine Ansammlung von Leuten, die gute Musik mögen und unterstützen und solche, die eher scheiße sind (lacht).

Glaubst du, dass die Gegend, in der man aufwächst, die Musik beeinflusst und formt, die man macht?

James: Für uns gilt das definitiv. Wir sind nicht direkt aus Glasgow, sondern aus einem kleinen Örtchen auf dem Land, das eine halbe Stunde von Glasgow entfernt ist. Unsere Songs handeln auf jeden Fall davon, wo wir aufgewachsen sind, Leuten, die wir kennen, Geschichten, die sich dort zugetragen haben. Wir können auch auf Tour keine Songs schreiben, wir müssen in der Heimat sein, um daher unsere Impulse beziehen zu können.

Noch eine Frage zum Thema Schottland: Ich erzähle dir wohl nichts Neues, wenn ich sage, dass du einen sehr prägnanten schottischen Akzent hast. Glaubst du, dass sich – insbesondere außerhalb von Schottland – positiv oder negativ auf eure Rezeption ausgewirkt hat? Der Akzent wirkt ja schon etwas "exotisch", was manchen vielleicht gefällt, anderen nicht.

James: Ja, ich werde manchmal "Hausmeister Willy", von den Simpsons, genannt… In Amerika scheint ihnen der Akzent auf jeden Fall zu gefallen, die meisten sehen uns dort sowieso gleich an, dass wir aus Schottland sind. Er gefällt auf jeden Fall nicht jedem, das stimmt, aber er ist nun einmal ein Teil von dem, was ich bin, und wenn ich jetzt versuchen würde, mir einen amerikanischen Akzent anzutrainieren, würde ich wahrscheinlich wie ein großer Arsch klingen.

Ich finde, dass er eure Band ziemlich einzigartig macht – ihr könntet Slayer covern, und ich würde immer noch sofort erkennen: "Hey, da singt James."

James: Das sollten wir wirklich einmal machen! Wir haben in letzter Zeit auch viel über Slayer gesprochen, weil wir auf dieser Tour immer in den gleichen Städten wie sie zu spielen scheinen und uns ständig fragen: "Hey, wann können wir sie endlich mal sehen?"

Zurück zum Thema "Akzent": Ich habe gestern ja mit Campbell telefoniert und habe vielleicht die Hälfte von dem, was er gesagt hat, verstanden. Ich musste ständig interpretieren, was er gesagt haben könnte.

James: Das passiert bei mir auch oft. Leute müssen mir Fragen wiederholt stellen, weil sie mich nicht verstehen. Der Rest der Band ist diesbezüglich noch viel schlimmer als ich.

Du hast vorhin ein neues Album erwähnt. Es ist ja schon anderthalb Jahre her, dass eure letzte Platte erschienen ist, wie weit seid ihr denn mit dem Nachfolger?

James: Wir gehen im Januar für fünf Wochen ins Studio, sie wird dann in der ersten Hälfte 2009 erscheinen. Wir hätten sie vielleicht schon früher fertig haben können, aber wir wollten uns Zeit lassen. Unsere Band hat nun soviel positives Feedback bekommen, das wollten wir uns nicht verderben. Wir haben ein, zwei Songs, die wir fertig stellen wollen, wenn wir nach Hause kommen, dann ist Weihnachten, wir betrinken uns und machen uns dann danach an die Aufnahmen. Ich kann es gar nicht erwarten, ich bin schon richtig aufgeregt.

Was kannst du mir über den Sound des neuen Albums erzählen?

James: Es wird auf jeden Fall lauter, aber es werden auch mehr Instrumente darauf sein. Es wird auf jeden Fall ein Schritt nach vorne und nicht nur ein Remake der ersten Platte werden. Ich glaube, wir werden Streicher und so dabei haben, aber es wird auf jeden Fall ein ganzes Stück lauter sein. Warte einfach ab.

Wie läuft denn der Songschreibe-Prozess bei euch ab? Ich erkläre einmal, worauf ich hinaus will: Ich habe ein Interview über die EP, die du vorhin erwähnt hast, gelesen, in dem du erzähltest, dass ihr vor der EP in einer Kirche gespielt habt, in der ihr ruhiger sein und daher improvisieren musstet. Seid ihr mehr die Band, deren Songs durch Improvisieren und Jammen entstehen, oder setzt ihr euch hin und sagt euch "So, jetzt schreiben wir mal einen Song"?

James: Andy, unser Gitarrist, schreibt die Gitarrenparts bei sich zuhause und schickt sie mir dann rüber. Ich füge dann den Gesang und die Melodien hinzu, dann setzen wir uns mit unserem Schlagzeuger zusammen und die Schlagzeugparts entstehen. Andy nimmt dann zuhause eine Demo auf und das ist es eigentlich schon.

Du hast ja erwähnt, dass das neue Album lauter wird. Ich habe auch gelesen, dass ihr auf euren Liveshows extra viel Lärm macht, um euch von dem Sound des Albums abzugrenzen. Habt ihr schon einmal probiert, das auf andere Art und Weise zu erreichen? Man könnte ja auch den Spieß umdrehen und die Songs leiser spielen, andere Instrumente benutzen oder Ähnliches.

James: Ja, der erste Song unseres Albums, "Cold Days From The Birdhouse" ist live ganz anders als die aufgenommene Fassung. Zum Beispiel sitzt dann Doug an den Tasten. Manchmal spielt Andy andere Gitarrenparts. Es war immer eine bewusste Entscheidung, das Album nicht live zu wiederholen, was wir allgemein dadurch zu erreichen versuchen, dass wir live kraftvoller klingen.

Was macht denn für euch eine gute Show aus? Wann ist eine Show gut, wann ist sie schlecht?

James: Es ist auf jeden Fall schon mal eine schlechte Show, wenn Sachen schief laufen. Aber ansonsten gibt es viele Faktoren, die es zu einer guten machen können. Ganz allgemein ist es eine gute Show, wenn es laut ist und wir sehen, wie Leute einfach zu dem Sound mitnicken.

Und im Publikum die Trommelfelle explodieren?

James: Genau, wenn wir sehen, wie sich Leute die Ohren zuhalten, denken wir: "Yeah!" (lacht) Eine schlechte Show ist es ganz allgemein, wenn es zu leise ist.

Dann werden wir ja nachher sehen, ob es in euren Augen eine gute Show gewesen sein wird. Danke für das Interview!

Jan Martens

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