Interview

Blackmail


Nach einstündigem Warten und vielem Hin- und Hergereiche befinde ich mich 40 Meter über dem Erdboden in einem riesigen wunderschönen Saal mit zwei barockesquen Stühlen in der Bandarea des Hamburger Bunkers im neuen und riesigen Club "Uebel & Gefährlich". Unten tobt der Dom, oben spielen gerade Revolt. Da kommt ein gutgelaunter, wenn auch vom Touren erschöpfter Carlos Ebelhäuser, seines Zeichens Bassist bei Blackmail, und steht Rede und Antwort.

Hallo Carlos, mein erstes Interview heute und du bist das Opfer. Ich hoffe ich werde dein bislang schlimmstes Interview nicht unterbieten.

Carlos: Ganz ruhig, lass uns einfach reden.

Die Tour läuft ja schon lange, ihr seid fast fertig. Alles gut bislang? Zufrieden?

Carlos: Ja, sehr zufrieden. Die neuen Songs funktionieren besser als wir uns das gedacht haben und das Publikum ist auch toll. Es kommen vor allem mehr. Früher waren wir ja froh wenn 50 leute kamen, aber mittlerweile füllen wir die Venues, was uns dann doppelt Spaß macht. Nur Österreich hätte echt nicht sein müssen.

Wieso das? Keine Zuschauer?

Carlos: Naja. Wien ging ja noch, aber abgesehen davon war das Publikum ätzend. Dorfdeppen vor allem, die hingegangen sind, weil überhaupt was ging.

Naja, ihr habt es sicher gemeistert. Vor allem mit der exorbitanten Show, die ihr jetzt so liefert. Die Leinwände, die Lights...

Carlos: Ja, da haben Freunde aus Köln sich wirklich den Allerwertesten für uns aufgerissen. Stilistisch ergänzt sich das ja mit unserem Artwork auf der neuen Platte und passt auch toll zu den neuen Songs.

Ihr macht jetzt Videos, bekommt Airplay, zufrieden mit der Resonanz also? Sogar die Roche war damals schon bei der "Friend Or Foe?" total pro.

Carlos: Ach, die Resonanz war bei uns ja schon immer ganz gut. Unser höchste Prämisse ist einfach Meisterwerke abzuliefern. Aber jetzt findet uns auch die Spex okay. Und wenn die Spex jemanden okay findet, verstummen auch die letzten Kritiker. Aber ich glaube die Roche mag uns nicht besonders, egal was sie sagt. Außerdem hat das gute Airplay tatsächlich seine guten Seiten: Es spült endlich das kleine bißchen Geld in die Kasse, dass uns lange verwehrt blieb. Dadurch lassen sich unter anderem auch Lightshows etc. finanzieren.

Jetzt gab es ja den Labelwechsel. Müssen wir wieder soetwas wie die EP nach "Friend Or Foe?" befürchten? Versteh mich nicht falsch, die EP war geil, aber doch räuberisch. Weißt du, was ich meine?

Carlos: Ja, klar weiß ich das. Aber Warner haben viel Mist gebaut. Wir sind aber auch nicht für Politik zuständig. Es gibt Musik und Politik, Warner haben viel schlechte Politik gemacht. Und diesmal wollen wir auch nicht alles raussschmeissen. Das Medley vor Kurzem war ja schon grenzwertig. Wir haben eine DVD bei unserem Album mit dabei und zeigen auch so schon viel. Aber wenn man alles rauswirft, macht man sicht nackt, entblößt sich. Die guten Sachen bringen wir auch raus. Aber nicht jeden aufgenommenen Ton.

Hat man als Band Bock auf Politik?

Carlos: Nein, gar nicht. Aber man kommt nicht drum rum. Und auf City Slang läuft das ja auch alles.

Für Artwork und so weiter habt ihr immer gute Freunde, oder?

Carlos: Ja. Das neue Cover stammt von einem aus Hannover. Die Stadt, die da zu sehen ist, liegt in Korea.

Das ist ein Asiate? Ach was...

Carlos: Ja klar, erkennt man ganz deutlich finde ich.

Jetzt wo du es sagst...?! Ich spanne jetzt einen ganz krassen Bogen: Die Beatles sind ja hier in Hamburg groß geworden...und der fünfte Beatle der ganz früh gestorben ist, hat damals Gitarre gespielt, aber immer mit dem Rücken zum Publikum. Weißt du was ich meine?

Carlos: Der war zwar Bassist, aber was du meinst, weiß ich trotzdem nicht.

Aydo macht das genauso, wenn er die Gitarre nimmt.

Carlos: Hmm, stimmt. Aber er kann halt auch keine Gitarre spielen. Er schrammelt seine Akkorde und konzentriert sich auf den Gesang und die Texte. Das ist komplett sein Ding, ist ja auch kein Problem.

Der Gesang...

Carlos: ...nicht dass schon wieder. Sie sind stimmverwandt, aber Aydo singt viel besser. Und hat nicht dieses eklige Timbre. Und musikalisch sind wir auch ganz anders. Die sind zu poppig, wir haben die besseren Gitarren. Der QOTSA-Vergleich sagt mir mehr zu.

Auf härtere Gitarren steh ich auch, ich mag Placebo nicht besonders.

Carlos: Harte Gitarren sind nichts wofür man sich schämen muss. Wir konzentrieren uns auch viel mehr auf die Musik, als auf die Texte. Geile Englischkenntnisse soll man für Musik nicht brauchen. Es gab mal so eine Geschichte, da war der Molko noch mehr auf Drogen als heute, hab ich mir sagen lassen. Da hat er Aydo einen Klappstuhl hinterhergeschmissen, weil der sich mit einem Mädel unterhalten hat, mit welchem Molko allein sein wollte. Aydo hat sich ganz cool verhalten und sich nicht wegscheuchen lassen. Placebo interessieren mich nicht. Später ist er noch ausgerastet, hat sich aber dann doch noch beruhigt.

Oh, heftig. Sounds like yellow press. Aber zu der Sache mit den Texten nochmal: Jaja, dass ihr mit Textfixierheit á la Tomte, Kettcar usw. nichts am Hut habt, ist klar. Wie steht ihr eigentlich zu den Jungs? Das geteilte Interview in der Visions ist ja nicht sehr herzlich gewesen, da spürte man eine gewisse Antipathie.

Carlos: Ach Thees, der alte Saufbruder...mir ist er egal. Ich hab es nicht so mit bedeutungsschwangeren Texten und die Leute sollen mögen, was ihnen gefällt. Ich mag es nicht, so einfach ist das.

Würdet ihr für den Erfolg auch so wie Tomte von zuhause wegziehen?

Carlos: Aydo wäre sofort dafür. Aber wir sind schon zu alt für so eine Aktion. Und in Koblenz bin ich zuhause, wieso soll ich da weg. Ich muss auch nicht in jeder Kneipe erkannt werden, ich mag meine Ruhe daheim.

Ihr habt ja schon einen gewissen anderen Status als Tomte etc. Mehr so das Exotending, ein bißchen ähnlich wie bei Slut und The Notwist. Das scheint im Ausland auch gefragter zu sein.

Carlos: Ja, Japan und Korea sind interessant für uns. In Japan ist auch der Erfolg da, aber dort haben wir auch gerade das Label gewechselt.

Das Musikerleben...

Carlos: ...ist auch bitter. Es gab so ein paar Städte auf der Tour, da hast du an der Wand genau solche rauchenden Typen gesehen, wo du wusstest: Das sind Musiker, erfolglos und sich fragend, was den Erfolg von Blackmail ausmacht. Nürnberg war da so. Ganz schlimm. Das beklemmt auch beim Spielen. Aber wir waren ja nicht anders früher. Und mittlerweile stehen wir da drüber.

Ganz nebenbei, am Ende kommt der Buddha von Scumbucket. Da quält ihr ja immer die Leute so ein bißchen, mit den vielen Breaks. Ich find's aber super.

Carlos: Ja, das macht Spaß. Den Riff hat sich Kurt noch vor Blackmail überlegt. Der gehört nur ihm allein und wirkt auch ganz gut.

Gefällt euch Hamburg? Ihr hattet mal ein Wahnsinnskonzert im Sommer vorm Rathaus...

Carlos: Das war echt sehr klasse damals. Hier im "Uebel & Gefährlich" spielen wir nur, weil der Aydo jemanden kennt, der jemanden kennt...der Club ist...naja, der muss noch reifen. Wir kriegen auch nicht beide Leinwände an die Wand, was schade ist. Der Postbahnhof war sehr geil gestern in Berlin.

Wie findet ihr eure Vorgruppe "Revolt"?

Carlos: Wir haben die schonmal nicht ganz ohne Grund mitgenommen auch bei einer ganz alten Tour damals, aber sie müssen noch viel viel spielen. Aber ich weiß, was du meinst. Du sag mal, sind wir durch? Dann ess ich noch schnell mein Sushi vorm Konzert.

Klar, ich bedanke mich für das tolle Interview.

Carlos: Nichts zu danken, bis später.

Konstantin Kasakov

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