Rezension
Wilco
Schmilco
Highlights: Normal American Kids // If I Ever Was A Child // Cry All Day // Locator
Genre: Alt-Country // Indie // Singer/Songwriter
Sounds Like: Elliott Smith // Townes Van Zandt // Ryan Adams // M. Ward
VÖ: 09.09.2016
Wilco und ich waren einst beste Freunde, doch irgendwie haben wir uns in den letzten Jahren aus den Augen verloren. Einst dachte ich, wir hätten so viel gemeinsam, doch dann verschwand dieses Gefühl zunehmend. Was auch immer der Grund dafür war, jetzt ist wieder alles gut und der Grund dafür ist Wilcos zehntes Album. Es ist nicht unbegründet in Anlehnung an Harry Nilssons „Nilsson Schmilsson“ mit „Schmilco“ betitelt. Denn das neue Album verliert sich nicht in Sounds, nicht in technischen Fertigkeiten einer aus hervorragenden Instrumentalisten zusammengesetzten Band. Vielmehr hat es den Charakter eines klassischen Singer/Songwriter-Albums, das einfach nur gemeinsam mit einer Band eingespielt wurde, die genau weiß, was sie tun muss, um zu unterstreichen, was Jeff Tweedy mit seinen Songs vermitteln will.
Tweedy zeigt, dass er auch auf Wilcos zehntem Album noch nicht alles gesagt hat, was ihm auf dem Herzen liegt. Es ist eher, als ob er viele Dinge erst jetzt zu verstehen lernt, und sich damit auch überhaupt nicht aufspielen will. „Schmilco“ hat einen bescheidenen Grundtonus, eher wie ein „Mir gehen diese ganzen Sachen durch den Kopf und vielleicht geht es euch ja auch so?“. Dadurch wirkt Wilcos zehntes Album clever, aber ist kein altkluger Ratgeber dafür, was für einen Blick man auf die Welt haben und wie man Dinge tun sollte. Es gleicht einem thematisch geführten Tagebuch, aber ist nicht nur selbstbezogen, sondern voller Denkanstöße für jeden, der bereit ist, sich darauf einzulassen. Tweedy setzt sich mit den unangenehmen Dingen seines Innenlebens auseinander, was ihn schmerzt, was ihn nachdenklich stimmt, ohne dabei ins Lamentieren zu geraten. Denn dadurch würde „Schmilco“ sich wieder zu sehr um das eigene Ego drehen und das versucht Tweedy tunlichst zu vermeiden. Persönlich sein, ohne dabei zu selbstbezogen oder gar selbstverliebt zu werden, das ist der Spagat, der Wilco auf ihrem zehnten Album gelingt und es so gut macht.
Nicht, dass es nicht auch Alben gäbe, denen es hervorragend gelingt, einfach nur den Schmerz zu vertonen und in die Welt hinauszutragen, doch darum geht es bei „Schmilco“ nicht. Dieses Album klingt bei der Schwere seiner Themen zwar sanft, aber überraschend cool und leicht. Mit „joyously negative“ bringen es Wilco selbst am besten auf den Punkt. Was damit gemeint ist, kann man nur verstehen, wenn man lernt, Musik und Text dieses Albums als Einheit wahrzunehmen. Man muss beim Hören von „Schmilco“ immer wieder an Townes Van Zandt denken, und auch an Elliott Smith, die diese Kunst der Vertonung von bittersüßer Melancholie perfektioniert haben, wie auch Wilco auf ihrem neuen Album. Und was man schon fast vergessen hatte, wird einem beim Hören von „Schmilco“ nach langer Zeit erneut auffallen: Jeff Tweedy ist einer der besten Songwriter unserer Zeit. Kaum jemand ist so gut darin, einem das Gefühl zu geben, verstanden zu werden.
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