Rezension

Wilco

Ode To Joy


Highlights: One And A Half Stars // Love Is Everywhere (Beware) // Hold Me Anyway // Everyone Hides // White Wooden Cross
Genre: Alt-Country // Indierock // Singer-Songwriter
Sounds Like: Eels // My Morning Jacket // Yo La Tengo

VÖ: 04.10.2019

Bringen Wilco ein Album raus, ist es in der Regel großartig. Als Beleg dient zum Beispiel unser éclat-Textarchiv – und wenn es nicht sofort wunderbar ist, dann wird es das später noch werden und wie guter Wein reifen („A Ghost Is Born“). Eine neue Wilco-Platte ist ein großes Versprechen und das gilt es zu halten. Mit “Ode To Joy” kommt nun drei Jahre nach dem angenehm leichten „Schmilco“ das elfte Studioalbum der Band aus Chicago heraus und es ist kurz gesagt überragend. Ja, auch für Wilco-Verhältnisse.

Die beiden letzten Veröffentlichungen aus dem Hause Jeff Tweedy waren seine Solo-Alben „Warm“ und „Warmer“. Eine schöne Fortführung des entspannten „Schmilco“. „Ode To Joy“ ist hingegen fordernder. Der satte Sound der Band tut der Musik sehr gut und die immer wieder eingebauten Disharmonien heben die Platte auf ein anderes Level als die Singer-Songwriter-Musik der Tweedy-Alben. Trotz der zum Teil hohen Komplexität und Genialität der Instrumentalisten ist das Gesamterlebnis für den Hörer nicht überladen und sehr Klang-ästhetisch.

Auch wenn sich Wilco im Gesamtverlauf ihrer Karriere nicht ständig wie David Bowie neu erfinden, hat doch jede Veröffentlichung seine eigene Handschrift. Bei „Ode To Joy“ kann man sich hingegen nicht sicher sein, ob es nicht einfach ein Best-Of-Wilco-Album ist. Mal werden Erinnerungen an „Sky Blue Sky“, mal an „The Whole Love“, manchmal auch an so frühe Alben wie „Summerteeth“ wach. Fast jeder Song dürfte sich auf einer anderen Wilco-Platte finden und von fast jedem Wilco-Album finden sich Einflüsse auf „Ode to Joy“. In Summe ergibt sich jedoch wieder ein Gesamtbild des Albums, welches doch ganz klar neu klingt – nach dem „Ode To Joy“-Wilco-Sound.

Hier wird wirklich jeder Wunsch erfüllt, herausragende Einzelsongs werden in eine wunderbare Reihenfolge gesetzt. Das Album beginnt mit einer großen Schwere und passt perfekt in die kalte Jahreszeit. Doch bei „One And A Half Stars“, einem Song, der zu den ganz großen Wilco-Titeln gehören wird, wird eine Wende eingeleitet. Zwar heißt es hier noch „So what? I stay in bed all day“, doch langsam aber sicher kommt etwas Hoffnungsvolles in den Klang, langsam hellt die Stimmung auf und spätestens beim Hit „Everyone Hides“ ist die Welt dann nicht mehr so schlimm. Das hohe Niveau wird gehalten bis mit „Love Is Everywhere (Beware)“ ein Gänsehautsong folgt und noch einer drauf gesetzt wird. Das Duo von Tweedys Stimme und Nels Clines E-Guitarre geht ins Ohr und berührt den Hörer emotional. Manche Songs dieses Albums wachsen immer mehr, je häufiger man sie hört. Dieser hier ist mit seiner Melancholie einfach da und nimmt den Hörer sofort ein. Der folgende Track überrascht. Nach so einem Brett fahren Alben oft etwas runter und es kommt ein ruhiger, sich zurücknehmender Song. Nicht mit Wilco, denn direkt gibt es mit „Hold Me Anyway“ eine ganz andere Art von Wilco-Musik mit Hitpotential zu hören, da er eher leicht und fröhlich daherkommt und zum Mitwippen einlädt. Zum Schluss nochmal schwer-schöne musikalische Kost über Tweedys Drogenprobleme und fertig ist eine aufreibende, hoffnungsfrohe und große Platte einer großen Band.

Wilco halten mal wieder ihr Versprechen, ihre Fans zu begeistern und immer und immer wieder begeistern können. Es gibt Routinen, die müssen sich wirklich nicht ändern. „Ode To Joy“  beweist, dass es in der Musik nicht immer eine Revolution braucht, sondern dass Wilco es schaffen, auch durch konstante Evolution Großes zu leisten.

Marian Krüger

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