Wer bei den Fratellis immer noch hauptsächlich an gröhlende britische Fußballfans, döp dödöp und Retro-Pinup-Girls auf CD-Covern denkt, der hat in den letzten Jahren eine interessante Entwicklung verpasst. Nachdem die Schotten zum letzten Album „We Need Medicine“ den elterlichen Partykeller verlassen haben, um im Saloon ihr Glück zu finden, sind sie jetzt anscheinend mit verkatertem Schädel irgendwo im Nirgendwo aufwacht und verarbeiten all ihre musikalischen Erinnerungen zu einer interessanten Mischung.

Wenn die Countryanleihen auf dem letzten Album manchmal zu platt und gewollt daherkamen, so werden Banjo & Co. jetzt ganz gezielt lowkey eingesetzt, um den poppigen Songs eine gewisse Würze zu verleihen. Ohne den Hauch von Bottleneck-Gitarre und Wüstenstaub wäre „Impostors (Little By Little)“ zum Beispiel wahrscheinlich nur eine durchschnittliche Ballade geworden. Aber die Westernakzente sorgen dafür, dass das Lied im Kopf und auf den Lippen bleibt. Und auch eine weitere Ballade, das die Platte abschließende „Moonshine“, illustriert die Entwicklung der Fratellis ziemlich treffend. Hier geht es nämlich keineswegs um billigen Schnaps! Es ist zwar auch nicht wirklich klar, worum es tatsächlich geht, aber anscheinend hat Alkohol diesmal nichts damit zu tun. Aber keine Angst: Von einer 180°-Wendung in Richtung Beschaulichkeit kann keine Rede sein. „Baby Don't You Lie To Me“ etwa erinnert von Thema und Energie her stark an das Fratellis-Debüt und bei „Too Much Wine“ ist genau das drin, was draufsteht.

„Eyes Wide, Tongue Tied“ hält insgesamt einige schöne, eingängige Tracks bereit. Um wirklich in Gänze zu überzeugen, fehlt den Schotten aber noch ein bisschen Geschlossenheit. Die Fratellis scheinen noch auf der Suche zu sein nach dem Sound, der sie aus der Menge der Indiepopbands von der Insel herausstechen lässt. Mit den Countryanleihen könnten sie damit auf der richtigen Spur sein, aber derzeit hängen sie noch zu sehr alten Erinnerungen an durchgröhlte Nächte nach.

Lisa Dücker

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