Rezension

The Fratellis

Costello Music


Highlights: Henrietta // Chelsea Dagger // Creepin Up The Backstairs // Everybody Knows You Cried Last Night
Genre: Punkpop
Sounds Like: The Jam // The Clash // The Libertines

VÖ: 26.01.2007

Willkommen zum Endspiel in der Liga des abgekühlten Britzeugs. Heute: Die Fratellis gegen den Rest der Insel. Der Ball ist flach, glänzt und hat ein Loch in der Mitte, das Spiel dauert diesmal nicht ganz so lange (41 Minuten und ganze neun Sekunden).

Unter der stürmischen Begeisterung der britischen Teenager und einer großen PR-Maschinerie, ganz London ist mit riesigen Plakaten zugeklebt, betreten die Spieler den Platz. Spielmacher und Gitarrist Jon Fratelli besticht durch unglaublich lässige Lederjacken und Wuschelkopf-Optik so, dass die Gegner sowieso das Weite suchen, angesichts einer so großen Klappe (Die meisten jüngeren Bands sind unfassbar schlecht und einfach nur unmelodisch.). Dafür wirken Schlagzeuger Mince, übersetzt „Hackfleisch“, und Bassist Barry eher verpennt. Wird es ihnen trotzdem gelingen, ihren Kapitän anständig zu unterstützen? Wir werden sehen. Den Mannschaftsnamen tragen übrigens alle drei mit großem Stolz, doch nur einer von ihnen wurde damit geboren. Wetten, welcher der drei tatsächlich „Fratelli“ heißt, werden gerne angenommen.

Anpfiff: Stürmisch gehen die Fratellis bereits innerhalb der ersten paar Minuten in die Offensive. Kein Wunder, „Henrietta“ ist ein Doppelter-Rückwärtssalto-und-dann-noch-schneller-nach-vorn-auf-die-Tänzfläche-Wunder par exellence. Für so einen Antritt würden die Gegner töten. Außerdem fürchten neuerdings alle um ihre Mütter, denn Henrietta ist niemand anderes als die MILF (Mother I’d like to fuck) eines Freundes. Ohoh, und dann auch noch dieser Waaap-Waaap-Waaap-Ententanzteil zum Schluss. Zuviel Energie für die Anderen. TOR!

Begeisterungsstürme auf den Rängen, Jubelgesänge fühlen das Stadion. „Baadaapbaapdada", zu hören in „Flathead“. Sowieso haben die Fratellis die euphorischsten Fans. In Fachkreisen munkelte man von Londoner Mädchen, die in Clubs zu Fratellis-Songs blankziehen und selbst im fernen Ausland pinkelt die Meute kochendes Wasser vor lauter Begeisterung.

Das Spiel wird ruhiger, „Schönspielen“ nennt man wohl das, was jetzt passiert. Friedlich schieben sich die Fratellis die Bälle zu, erstmals kommt auch der Gegner etwas zum Zug, freilich, ohne ernstlich gefährlich zu werden. Doch, auch das entspannte Spiel beherrscht die Mannschaft, wie sich in „Whistle For The Choir“ zeigt. Das ist nicht unbedingt spannend, regt aber zum gemütlichen Schunkeln an.

„Ooooh, oooh!“, ist alles, was der Stadionsprecher noch zu sagen hat, angesichts dessen, was nun folgt. Bringt euch bloß alle in Sicherheit! „Chelsea Dagger“ ist der sogenannte Überhit, der Fangesang im Hintergrund ist genau das, was den Song ausmacht, neben Jons Geschnodder mitten auf den heiligen Rasen. TOR!

An anschließende Party haben wir uns bereits gewöhnt, leider ist es in diesem Fall leider eher die übliche niveaulose Biereuphorie, nicht übel, wenn man getrunken hat, aber nüchtern eher ermüdend („For The Girl“). Anschließend ist der Mannschaftsführer in „Doginabag“ leider erst mal so damit beschäftigt lässig zu sein, dass er darüber hinaus fast das Spiel vergisst. Die Taktik wirkt auch eher abgeschaut, wie Jon auch im Nachgespräch offen zugeben wird. „Wir hingegen klauen überall und bauen de Versatzstücke dann wieder neu zusammen.“ Schade, dass ist der Grund, warum es bei den Fratellis nicht für die Weltmeisterschaft reicht.

Es kommt wieder Wind ist Spiel. Die Band gibt einen zackigen, einprägsamen Spielrhythmus vor. Ja, es eine Freude, ihnen so zu zusehen. Ob die Energie mit harten Training zusammenhängt oder ist das angeboren? Die Fratellis nehmen mit „Creepin’ up the Backstairs“ scharf Angriff aufs gegnerische Tor uuund: Versenkt.

Der Rest der Begegnung ist spaßig, aber nicht übermäßig spannend. Zeitweise geben die Fratellis eine schöne bis verschrobene Vorstellung („Everybody Knows You Cried Last Night“/“Got Ma Nuts From A Hippy“), zweitweise schwächeln sie stark („Vince The Loveable Stoner“/“Baby Fratelli“). Insgesamt trotzdem eine deutlich überlegene, eigenständige Partie für die Mannschaft mit dem italienischen Nachnamen. Vielleicht sollten sich einige Gegner noch mal überlegen, ob sie wirklich mitspielen wollen.

Lisa Krichel

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