Rezension

The Fratellis

Here We Stand


Highlights: My Friend John // A Heady Tale // Mistress Mabel
Genre: Indie-Ballermann (vom Anstechen bis zum Zapfenstreich)
Sounds Like: The Libertines // The New Pornographers // We Are Scientists

VÖ: 06.06.2008

Es ist der 14. Mai 2008. Alle Augen der Sportwelt sind auf das City of Manchester Stadium gerichtet, in dem soeben das Finale des UEFA Cups zwischen Zenit St. Petersburg und die Glasgow Rangers mit einem 2-0 für das russische Team sein Ende gefunden hat. Und während die Schotten noch über den geplatzten Traum trauern, wird auf der Siegerehrung der Osteuropäer ein Lied gespielt, das bei jedem Fußballfan der Insel mittlerweile einen Bekanntheitsgrad ähnlich der altehrwürdigen "Three Lions" erreicht haben dürfte: Döödöödöp, döödöödöp, döödöödöödöödöödöödöp... - die Fratellis, "Chelsea Dagger".

Und wessen Song eine so prominente Rolle im Kontext der Pöbelbelustigung #1 in Europa zukommt, der muss sich nicht wundern, wenn jegliche Kredibilität in geschmackssicheren Indiekreisen die Themse runtergeht: So erachten manche bereits eine Kategorisierung wie „Indie-Ballermann“ als durchaus treffend für die Fratellis und ihre stets zum bierseligen Mitgröhlen einladende „Costello Music“ , während andere diese Schublade höchstens aus Respekt vor seriösen Künstlern wie Jürgen Drews oder Mickie Krause ablehnen würden.

Dass die drei Schotten nun den Urlaub auf der Platja de Palma nicht unbedingt komplett gegen eine Museumstour eintauschen wollen, wird auch auf „Here We Stand“ deutlich gezeigt. So hat der Opener „My Friend John“ zwar einige Morricone’sche Westernzüge, klingt im Endeffekt jedoch immer noch nur so, als hätten Barry, Jon & Mince Fratelli diesmal halt nicht alleine, sondern zusammen mit dem italienischen Soundtrack-Großmeister einen Putzeimer voll Sangria weggekübelt. Auch „A Heady Tale“ und „Mistress Mabel“, in dem es wieder einmal um das potentielle Flachlegen älterer Damen zu gehen scheint, haben wiederum dank großzügig eingestreuter Pianoeinlagen durchaus 60’s-Charme, lassen aber dennoch vor lauter guter Laune wie unter Hypnose zur nächsten Hopfenkaltschale greifen.

Jene feucht-fröhlichen Partykracher müssen auf der zweiten Albenhälfte jedoch leider einer Anzahl von Tracks weichen, die sich zu den Songs über John, Mabel & Co in etwa so verhalten wie alkoholfreies Bier zu der Version, die im deutschen Reinheitsgebot vorgesehen wurde: Grob gesehen zwar aus den gleichen Zutaten hergestellt, wahrscheinlich auf Dauer auch besser für den Schädel – aber irgendwie langweilig und wenig reizvoll. So dürfte sich „Acid Jazz Singer“ zwar noch zum schunkelnden Ausklang nach Celtics nächster Meisterfeier eignen, Lieder wie „Baby Doll“ und „Lupe Brown“ hingegen werden wohl auch den betrunkensten Schotten nicht zum Tanzen auf den Tisch locken, sondern eher den wohlverdienten Schlaf der Narkotisierten provozieren. Im Endeffekt bleibt man dann wohl doch lieber bei hochprozentigen Stücken wie „My Friend John“ oder gleich der kompletten „Costello Music“. Schließlich lässt es sich angetrunken ja auch viel schöner singen. Also, jetzt noch mal alle: Döödöödöp, döödöödöp, döödöödöödöödöödöödöp...

Jan Martens

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