Rezension

Sufjan Stevens

The Age Of Adz


Highlights: Too Much // I Walked // Vesuvius // Impossible Soul
Genre: Elektro-Folk
Sounds Like: Radiohead // The Notwist // The Postal Service

VÖ: 08.10.2010

Ein dummer Witz und schon ist Pandoras Büchse offen: Erwähnte Sufjan Stevens nach dem Erscheinen von „Michigan“ und „Illinois“ noch beiläufig, dass er nun ja zu jedem US-Bundesstaat ein Album aufnehmen wolle, häuften sich in der Folge flapsige Kritikerkommentare, die beim Erscheinen von „Illinois“-B-Seiten-Sammlungen und Weihnachtscompilations auf immer noch ausstehende musikalische Würdigungen von Iowa und New Hampshire aufmerksam machten. Auch wenn das Thema der 48 fehlenden Bundesstaat-Alben mittlerweile vom Tisch ist, kann man nach „The Age Of Adz“ kaum anders als zu konsultieren: Das kreative Potential, um auch „Wyoming“ noch zu einem wunderbaren Album zu machen, hätte Sufjan Stevens auf jeden Fall gehabt.

Denn ein weiteres Fass ohne Boden hat wohl derjenige aufgemacht, der Sufjan zum ersten Mal gezeigt hat, dass man nicht nur dann mit Computern Musik machen kann, wenn man sie als Percussion-Instrument benutzt – was er erst auf „The Age Of Adz“ so richtig auskostet. Bedenkt man dazu noch, dass Stevens auch zuvor schon so gut wie alles für seine Musik benutzt hat, das man zupfen, schlagen, streichen oder blasen kann, potenziert diese neue Entdeckung seine Möglichkeiten nur noch. Die Ergebnisse eines Sufjan Stevens, der nach Herzenslust im Wunderland der musikalischen Möglichkeiten herumtoben kann, schwanken irgendwo zwischen dem Opener „Futile Devices“, der nur mit Klavier und Gitarre auskommt, auf der einen Seite, und „Impossible Soul“, einem beinahe halbstündigen Monster an Song, auf der anderen.

„Impossible Soul“ taugt an sich schon als (wenn auch recht umfangreicher) Mikrokosmos, um das Universum zu beschreiben, das „The Age Of Adz“ ist – selber inoffiziell in fünf Songs aufgeteilt, in denen Stevens mal knarzende Geräuschexperimente und einen stetigen Background-Engelschor miteinander verbindet, mal den musikalischen Einsatz von Vocodern eigenständig rehabilitiert und zum Ende einfach nochmal unauffällig einen potentiellen Clubhit für Indies bis Hopper hineinstopft. Warum? Höchstwahrscheinlich einfach, weil er's kann.

Ganz so verzwirbelt kann natürlich nicht jeder Song auf „The Age Of Adz“ sein – muss er aber auch nicht, wenn eine kleine Postal-Service-Hommage wie „I Walked“ auch durch seine vergleichsweise simplen Strukturen verzaubert oder „Bad Communication“ durch seine Kürze besticht. Das alte Klischee, dass man „immer wieder Neues entdecken kann“, trifft dennoch so gut wie überall ins Schwarze, ob es jetzt kleine Choreinlagen, Panflöten oder besonders gelungene Loops und Samples sind. Eingängigkeit und Komplexität in Symbiose. „The Age Of Adz“ wurde bereits als „Kid A“ für das neue Jahrzehnt bezeichnet. Sicherlich ein Lob – für Radiohead.

Jan Martens

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