Rezension

Sportfreunde Stiller

Sturm & Stille


Highlights: Rotweinflaschengrün // Ein Dienstag Im April
Genre: Pop
Sounds Like: Revolverheld // Dorfdisko

VÖ: 07.10.2016

Es ist sehr einfach, gegen Veränderungen und alles Neue zu sein. Das gilt nicht nur für das alltägliche Leben, sondern auch und vielleicht sogar ganz besonders für die Musik. Um sich aus der Abwärtsspirale aus „Das erste Album von Band XY war das Beste und alle späteren können sowieso nicht mehr daran herankommen“ auszubrechen, kann es manchmal sinnvoll sein, wenn man sich einmal ganz bewusst vor Augen führt, was man eigentlich ursprünglich an einer Band so toll fand. Nehmen wir zum Beispiel die Sportfreunde Stiller. 16 Jahre ist es immerhin her, dass ihr Debütalbum „So Wie Einst Real Madrid“ erschienen ist. Was im Jahr 2000 so bestechend an den Münchnern war, war die Direktheit, Spielfreude und das Kumpelhafte. Vor allem das Kumpelhafte. Der Reim stimmt nicht ganz, die Produktion unsauber, die Metapher ist ganz schön schief? Egal, ist doch geil und die Jungs so irre sympathisch! Was ist davon auf „Sturm & Stille“, dem mittlerweile siebten Studioalbum des Trios, geblieben? Leider nicht besonders viel.

Fangen wir doch da an, wo wir gerade aufgehört hatten: Bei den Sportfreunden Stiller von einem Trio zu sprechen, ist 2017 eigentlich nicht ganz fair, gibt es doch kaum ein Lied auf dem neuen Album, das ohne Keyboard oder Synthie-Spielereien auskäme. Das fällt nicht immer so krass auf wie in „Disco4000“ oder „Lumpi (L.U.M.P.I.)“, aber klassische Songs, die nur mit Gitarre, Bass und Schlagzeug auskommen, gibt es auf „Sturm & Stille“ so gut wie gar nicht mehr. Über die Qualität der Songtexte zu meckern, wäre allerdings Schummelei. Die Sportis waren ja textlich immer schon dichter an übermotivierten Mittelstufenschülern gebaut als an großen Lyrikern. Aber es ist nicht wirklich nötig, dass man versucht, „Ein Kompliment“ schon zum dritten Mal zu schreiben. Der erste Versuch war doch schon super! Wozu nach „Applaus, Applaus“ vom letzten Album jetzt noch „Das Geschenk“ nachschieben, aber dann mit uncoolerem Text? Das riecht ganz stark nach der Festigung neu erschlossener Zielgruppen: Irgendwas muss man den Muttis, die von den Sportis nur die Balladen aus dem Radio kennen, ja auch bieten.

Und es ist keine Frage: „Sturm & Stille“ wird genug Freundinnen und Freunde finden. Die Texte sind zugänglich und die Lieder teilweise ziemliche Ohrwürmer. Aber bei Refrains wie „Ich bin so glücklich wie nie / und doch so traurig wie selten / Das Leben spielt seine Partie / und ich bin irgendwo mittendrin zwischen den Welten“ („Zwischen Den Welten“) sieht man vor dem geistigen Auge doch eher den ZDF Fernsehgarten als die Hauptbühne von Rock am Ring. Wer die Sportfreunde mit ihrem Unplugged-Album entdeckt hat und an „New York, Rio, Rosenheim“ seine Freude hatte, der wird auch die neue Platte abfeiern. Alle anderen sollten sich vielleicht besser das Geld sparen und stattdessen nochmal „Die Gute Seite“ auflegen.

Lisa Dücker

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