Rezension
Sportfreunde Stiller
La Bum
Highlights: Eine gute Nacht // Sodom // 995er Tief über Island
Genre: Pop
Sounds Like: Peter S. Brugger + Florian Weber + Rüdiger Linhof
VÖ: 03.08.2007
Kapitel 6: "You Have To Win Zweikampf". Deutschland wird im eigenen Land Weltmeister. Das wäre natürlich der Stoff aus dem Helden sind. Doch während Klinsmanns Fußballjungs unglücklich gegen Italien ausscheiden, um sich in Stuttgart eindrucksvoll Platz 3 gegen Portugal zu erkämpfen, stehen die Sportfreunde Stiller ganz oben: Platz 1 der deutschen Single-Charts mit der WM-Hymne "54, 74, 90, 2006" - das erste Mal in der Karriere der drei Münchner - und zudem der bislang am häufigsten legal heruntergeladene Titel in unserem Land.
Und jetzt? Jetzt liegt da im Sommer 1 nach dem Fußballfest eine neue Platte im Laden und die gleich mit der Frage beginnt: "Wie lautet der Titel vom nächsten Kapitel?" Die Antwort? "La Bum". Na klar. Wer findet die schönsten Assoziationen? Ein Anagram zum Wort Album? Eine Anlehnung an jenen französischen Film mit Sophie Marceau La Boom - Die Fete? Oder ganz sportlich ein Gruß an Gerd Müller? Dann macht es Bumm? Wie dem auch sei, es ist das siebte Kapitel aus dem Leben der Sportfreunde, wenn man das Live-Album außen vorlässt, aber die beiden EPs "Thonträger" und "Macht doch was ihr wollt - Ich geh jetzt" mit einbezieht.
Kapitel voller Höhen und Tiefen. Da wären die beiden angesprochenen EPs, die durchaus schon für Aufsehen sorgten. Einige Songs schafften es auf das Debütalbum "So wie einst Real Madrid", voll mit Klassikern wie "Wellenreiten '54", "Heimatlied" und "Fast wie von selbst". Der Nachfolger, also Kapitel 4, hieß "Die gute Seite" und machte dem Namen auch alle Ehre, auch wenn schon ein paar schwächere Titel darauf zu finden waren. Nach einer kleineren Pause erschien 2004 mit "Burli" der Tiefpunkt der Diskografie. Die seichte Schnulze "Siehst du das genauso?" langweilte, auch ansonsten war, vom spaßigen "Ich, Roque" abgesehen, wenig Interessantes darauf zu finden. Jetzt spielt Roque Santa Cruz in England und keiner der 11 Titel auf "La Bum" handelt auch nur ansatzweise von Sport.
Nein, diesmal geht es um andere Geschichten. In "Der Titel vom nächsten Kapitel" geht es um die Kindheit und das Größer werden, um Erfahrungen und um die große Frage: Was kommt eigentlich als nächstes im Leben? Die erste Single "Alles Roger" ist textlich auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn unterwegs, aber zumindest ein legitimer Nachfolger des Fanta4-Songs "MfG". Fremdwörter, grammatische Stolpersteine, Abkürzungen - die deutsche Sprache ist bunt und immer gut, um sich mit ihr auseinander zu setzen. Textstellen wie "Du gibst dir Klöße mit Sauce lieber als die Blöße" sind halt typisch für die Sportfreunde, schließlich servierten sie uns einst schon "einen Schweinebraten und zwar nen kalten" ("10:1" auf "Die gute Seite").
Und so geht es weiter: Urlaubserinnerungen und Fernweh sind das Thema von "995er Tief über Island", das wohl "Wellenreiten '54" endgültig aus dem Liveprogramm stürzen wird oder vielleicht doch ein Medley provoziert. Warum nicht gleich noch mit "Westerland" dabei? "(Tu nur das) Was dein Herz dir sagt", geschrieben von Drummer, Bolzplatz Hero und Jungautor Florian Weber, handelt von der Herzscheiße, wenn man nicht mehr weiß, was man noch tun soll, wenn es in einer Beziehung nicht mehr so läuft, wie man es gerne hätte. Als direktes Gegenstück folgt dann "Ohne deine Liebe", ein ganz neues Kompliment für die Traumfrau oder den Traummann an der Seite eines jeden. Auch Bassist Rüdiger Linhof steuert einen eigenen Text bei. Die Gefühle von Fernbeziehungen oder zeitweiligen Trennungen aus beruflichen Gründen, ganz simpel zusammengefasst "In unmittelbarer Ferne".
Plötzlich leuchtet ein Martinsfeuer, Kinder schwenken Weckmänner und singen "Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir". Nein, Moment, so geht freilich nur der Text des Kinderliedes, der Refrain von "Eine gute Nacht" beginnt mit "Denn dort oben leuchten die Sterne / Und hier unten leuchten wir". Gerade so die Kurve bekommen. Der Soundtrack für eine Nacht mit Freunden, egal wo, egal wie, aber wir haben Spaß und strahlen in der Nacht.
Damit wären wir schon beim Fazit. "La Bum" macht Spaß, zeigt, dass es im Leben manchmal auch ohne Fußball geht und wenn es am Ende bei "Sodom" noch einmal lauter wird und Peter Brugger singt "Ich liebe mein Leben / So ist das eben / Und zwar trotzdem! Trotzdem! / Und nicht deswegen!", dann denkt man wieder an jenen kalten Schweinebraten und Klöße mit Sauce und ist eigentlich ziemlich froh, dass es auch noch Musik gibt, deren Texte zwar so simpel sind, dass der Bedeutungsschwangerschaftstest ganz klar negativ ausfällt, aber erfrischender sind als Apfelschorle und Weizenradler.
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