Rezension

Sportfreunde Stiller

New York, Rio, Rosenheim


Highlights: Hymne Auf Dich // Applaus, Applaus // Unter Unten
Genre: Deutschrock
Sounds Like: Tip Top // Astra Kid // Madsen

VÖ: 24.05.2013

Soso, da sind sie also wieder, die Sportfreunde. Zuletzt hatten sie sich vor allem mit Fußball und stromloser Musik beschäftigt und sich so ins Radio und auf Zeltfeten geschlichen. Und jetzt kommt „New York, Rio, Rosenheim“, das erste Studioalbum seit sechs Jahren. Wie hat sich der Erfolg der letzten Jahre auf die neue Platte ausgewirkt? Gibt es jetzt nur noch Ballermannhits und Radioschnulzen? Oder finden Peter, Rüde und Flo zu alten Stärken zurück? Sagen wir mal so: Man hat auf jeden Fall wesentlich mehr Spaß an „New York, Rio, Rosenheim“, wenn man einen nicht unwesentlichen Teil der Lieder mit einer ordentlichen Portion Ironie versteht.

Nach lyrisch-feinsinnigen Texten hat man schon auf den Vorgängeralben oft vergebens gesucht. Wenn die Bayern auch ein Händchen für eingängige Refrains haben, in den Strophen hat es immer schon Aussetzer gegeben. Dafür verantwortlich war oft schlicht der Zwang zum Reim, der die Bedeutung der Worte in den Hintergrund gedrängt hat. Diese Praktik wird auf der neuen Platte konsequent weitergeführt. Da kann der Refrain des Titelstücks noch so schön sein, bei Zeilen wie "Wir strahlen wie ein Reaktor / nach 'nem Pilsrisotto / unsre Liebe wankt nicht / wie die Parteien im Wahlkampflotto" horcht auch der hartgesottenste Fan ungläubig auf. Ein schönes Beispiel ist auch „Unter Unten“, ein Stück, das in vielerlei Hinsicht heraussticht und den Kritikern massig Futter bietet. Da wird auch mal schamlose "Narretei" auf "Kneipenschlägerei" gereimt, die Bridge besteht aus einem von Geigen untermalten "Zicke Zacke, Zicke Zacke / Hoi! Hoi! Hoi!", die Strophen handeln von betrunkenen Proletentechniken inklusive Schwanzvergleich. Wer das ernst nimmt, ist selber Schuld. Live dürfte das Lied aber sicher ganz gewaltig zünden. Schon im nächsten Stück darf dann auch mal Schlagzeuger Rüde ran und säuselt als schmieriger Weiberheld „Es Muss Was Wunderbares Sein (Von Mir Geliebt Zu Werden)“. Großartig in die Reihe passt dann auch „Let's Did It“. Unter diesem Namen sind die Sportfreunde Stiller im letzten Jahr beim Immergut Festival aufgetreten und anscheinend haben sie einen Teil ihrer Persönlichkeit abgespalten, der sich jetzt für Elektrogedudel begeistert. Oder Peter ist mit seinem Nebenprojekt Tip Top nicht mehr ausgelastet. Fest steht in jedem Fall, dass es ziemlich trashig und herrlich sinnfrei ist.

Und die Balladen? Ja, die gibt es natürlich auch. „Applaus, Applaus“ ist bereits aus dem Radio bekannt und zugegebenermaßen einer der besten Songs, den die Sportfreunde in den letzten Jahren veröffentlicht haben. Gegen Ende der Platte verstecken sich dann noch „Festungen Und Burgen“ und „Wunder Warten Nicht“. Hier wird mal wieder unverschämt gereimt, aber das ist okay. Wer nämlich tatsächlich Wert auf geniale Texte legt, die verzaubern und danach schreien, in Gedichtform gegossen zu werden, der weiß schon, dass er die neue Platte der Sportfreunde Stiller nicht mag, bevor er auch nur das Cover gesehen hat. Aber Gehirn abschalten und Mitgröhlen beziehungsweise Mitschmachten geht mit „New York, Rio, Rosenheim“ eigentlich ziemlich gut.

Lisa Dücker

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