Rezension
Keaton Henson
Kindly Now
Highlights: The Pugilist // Holy Lover // Gabe
Genre: Singer/Songwriter // reduzierter Folk
Sounds Like: Bon Iver // James Vincent McMorrow // Dry The River
VÖ: 16.09.2016
Keaton Henson ist kein Mann vieler Worte, aber vieler Disziplinen. Neben seinen musikalischen Ambitionen malt und dichtet er. So hat er für die Kollegen vom DIYmag einige Fragen zu seinem Album beantwortet – in Form von Zeichnungen. Um es vorweg zu nehmen: Die Zeichnungen sind unterhaltsam. Viel mehr als beim Hören seiner Platte erfährt man durch sie jedoch auch nicht.
Grundlegend stellt sich also die Frage, ob es von Seiten Hensons überhaupt irgendwelcher ergänzender Worte bedarf. Mit seiner Musik nämlich lässt er uns nicht nur körperlich so nah, wie es nur zu gehen scheint: Hensons Stücke sind so aufgenommen, dass wir seine Spucke auf dem Mikrofon hören können und seinen Atem regelrecht neben unserem Ohr fühlen. Aber auch inhaltlich lässt er nicht viele Zweifel offen: Gnadenlos selbstreflexiv und -kritisch breitet Henson sein Seelenleben in seinen Songs aus, beleuchtet jeden Winkel seines Inneren und führt seine HörerInnen ganz tief in jeden Zwiespalt, der in seiner Brust schlagen mag: Die Angst vor dem Tod etwa ist es, mit der Henson sein Künstlerdasein begründet ("The Pugilist"), erklärt, welchen Zusammenhang es zwischen Lieben, Hassen und Los Angeles gibt ("No Witnesses") und zeigt uns, mal genüsslich, mal leidend seine alles überfrachtende Einsamkeit. Textzeilen wie „It’s been a month and I'm still eating badly, I still don’t cry“ ("Alright") sind da nur eines von vielen Beispielen.
Spannend ist, dass der Opener seines nun vierten Albums elektronische Ausflüge macht und schon befürchten lässt, dass Henson seinen Seelenstriptease plötzlich nicht mehr so wundervoll klassisch und reduziert vollführt. Aber keine Angst: Bis auf schwerwiegende Cellos und Klaviergeräusche hören wir auf „Kindly Now“ nur Hensons ergreifendes Jammern.
Obwohl also alles ist wie immer in Hensons Welt, erscheint dieses Album ausgereifter und ausgearbeiteter. Dadurch schafft er es, seine schwere Kost leichter verdaulich darzubieten. Tief unter die Haut gehen seine Stücke dennoch, wie wir es von Henson gewohnt sind. Nachdem man die zwölf Stücke und Seelenabgründe der Platte gemeinsam mit dem Künstler durchgemacht hat, wird man sich ihm definitiv näher fühlen und Henson kann sich kostspielige Therapiestunden sparen. Es ist also für alle etwas dabei.
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