Rezension

Keaton Henson

Dear


Highlights: You Don't Know How Lucky You Are // Sarah Minor // Small Hands // Not That You'd Even Notice
Genre: Singer-/Songwriter // Folk
Sounds Like: Bon Iver // Nick Drake

VÖ: 02.04.2012

Henson scheint wie die Verkörperung eines längst verblichenen Künstlercharakters der Romantik: er verbirgt sich in den dunklen Windungen und Soundtexturen seiner Melodien, weist geheimnisumwoben auf eine mögliche, höhere Wahrheit hin und agiert nur im Hintergrund seines Kunstwerks. Dieses jedoch gestaltet er dermaßen intim, dass man als Hörer glaubt, dem schmächtigen Briten im Jesus-Look beängstigend nah zu kommen.

Das Genre "Singer-/Songwriter mit Folkeinschlag" erfüllt Henson in bekannter Manier: einfühlsames Fingerpicking, instrumentelle Kargheit, zerbrechliche Stimme und lyrische Texte. Trotzdem kann man Keaton Henson zwar mit Künstlern wie Nick Drake, Justin Vernon oder Conor Oberst in einem Atemzug nennen, aber ihn nicht einfach in die Reihe neben diese stellen und meinen, hier gäbe sich einfach noch ein Musiker, der nach „For Emma, Forever Ago“ klingt, die Ehre.

Henson nämlich hat eine ganz eigene Signatur. Bereits der Prolog lässt in knapp anderthalb Minuten erahnen, was auf dem restlichen Album erwartet werden kann: sphärische Bescheidenheit, zierliche Klänge, Naturverbundenheit und Unvollkommenes. Henson flüstert sich mitunter von der Gitarre angetrieben durch seine kleinen Songs, als würden sie ihn bestimmen, immer mit einem Gegenüber diskutierend, immer in einem Dialog stehend. Mal kreiert Henson eine dichte, düstere Spannung, mal träumerische Klanggebäude. Hierbei beweisen Songs wie „You Don't Know How Lucky You Are“, „Small Hands“ oder „Not That You'd Even Notice“ Hensons Gespür für intelligente, trotzdem aber eingängige Popmelodien.

Keine Frage – Hensons lyrisches Ich ist ein eindeutig leidender Charakter, der von Einsamkeit, verflossener Liebe, Schmerz und dem üblichen Schwarz des Alltags zu erzählen weiß. Dennoch zaubern Hensons Texte einem mitunter ein ehrliches Lächeln ins Gesicht, etwa wenn man dem wundervollen „Sarah Minor“ zuhört, einem der schönsten, vermutlich unprätentiösesten Liebeslieder ever: Henson erzählt von einer mehr als unperfekten Dame, mit Worten wie „And though your skin’s sheet white and your arms carry scars. Your hair isn’t clean much, your lungs black with tar.“ um dann aber bescheiden und sanftmütig ein kleines Happy End herbeizusingen „But still let me tell you, that I love who you are“.

Entzückendes Debüt eines so talentierten wie auch scheuen Künstlers, dessen Liveshows rar sind und dessen Statements zu sich selbst sich nur auf Folgendes belaufen: „Keaton Henson spends his time alone, writing songs and sometimes drawing, he doesn't like to talk about himself.“

Silvia Silko

Sehen


Video zu "Sarah Minor"
Video zu "Small Hands"

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!