Rezension

K.I.Z.
Urlaub fürs Gehirn
Highlights: Doitschland schafft sich ab // Lach mich tot // Küss mir den Schwanz // Urlaub fürs Gehirn // H.I.T. // Der durch die Scheibeboxxxer
Genre: Hip Hop // Rap
Sounds Like: Prinz Pi // Olli Banjo // Kool Savas // Die Kassierer // Terrorgruppe
VÖ: 03.06.2011

K.I.Z. haben sich fest gefahren und, um ehrlich zu sein, war das eine Entwicklung, die abzusehen war. Tarek, Maxim, Nico und DJ Craft waren nie die dummen Rap-Mucker, als die sie viele immer noch sehen wollen, noch waren sie die vor lyrischer Genialität strotzende Rettung des deutschen Rap. Aber sie waren erfrischend, clever und ohne Respekt – weder vor Obrigkeiten, Politikern oder anderen gesellschaftlichen Vertretern noch vor Kollegen, vor dem Genre und erst recht nicht vor sich selbst. Letztes Ergebnis ihrer provokanten Texte war die Kontrolle von „Urlaub für‘s Gehirn“ durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die mit einem Lob für die scharfsinnigen und pointierten Texte endete.
Wieso also haben sie sich festgefahren? Der letzte Satz des ersten Absatzes macht es bereits klar: Schocken kann man mit der Musik von K.I.Z. kaum noch jemanden. Dafür gibt‘s weiterhin eine ganze Menge Spaß für diejenigen, die mit der Absurdität der Berliner zurecht kommen. Das Paradoxe steckt bereits im Titel. Einerseits findet sich hinter vielen Zeilen cleverer und gezielter Sprachwitz, andererseits darf man nicht den Fehler machen, die Musik der Jungs zu intellektualisieren. Das Gehirn darf Urlaub machen – in diesem Sinne stehen K.I.Z. für clevere, gleichzeitig aber sinnbefreite Unterhaltung. Denn letztlich ist es genau das, was die Berliner umtreibt: der Wille, auf eine ganz eigene Weise zu unterhalten.
Dabei bedienen sie sich eines Konzepts, das auf den beiden Vorgängeralben bereits gefruchtet hat. Klassischer Hip Hop („H.I.T.“, „Küss mir den Schwanz“) wird ebenso persifliert wie R‘n‘B und Autotune-verseuchter Pop („Fremdgehen“), dann gibt es noch den „seriösen“ Track, der mit grausamer Übertreibung ein ernstes Thema angeht. In „Abteilungsleiter der Liebe“ wird per absurder Überemotionalisierung versucht, das Bild des bösen Chefs zu entzerren („Ihr verliert nur einen Job // Doch ich, ich verliere Freunde“) und erinnert dabei extrem an „Rauher Wind“ vom Vorgänger. Mit MC Motherfucker von der Terrorgruppe und Wölfi von den Kassierern liefert Nico a.k.a. Der Durch-die-Tür-Geher mit „Raus aus dem Amt“ die Saufhymne schlechthin und bietet seinem Alter Ego auf „Der Durch die Scheibeboxxxer“ eine weitere Plattform, seine versoffene Berliner Hartz-IV-Prosa in die Welt zu gröhlen („Ick sitz an der Theke // nenn mich den Andertheker“). Der Urlaub fürs Gehirn erreicht in diesem Track seine Perfektion. Obendrauf gibt es mit „Doitschland Schafft Sich ab“ die Antwort auf die Frage, wie die Berliner wohl die Sarrazin-Debatte verarbeiten. Aus der Sicht von Homosexuellen verklären sie Frauen als die Wesen, die die Gesellschaft zerstören und die sich einfach nicht integrieren wollen („Für mich sind Heteros ehrenlos, ich kann‘s nicht checken // wie kann man da, wo man rauskam, seinen Schwanz reinstecken“). Das negative Frauenbild des Aggro-Rap wird dank einer Prise Selbstironie ad absurdum geführt.
K.I.Z. haben sich festgefahren, weil sie mit ihrer Provokation kaum noch große Empörung auslösen, sondern viel mehr die Feuilletons begeistern. Besser werden sie nicht mehr - das Gegenteil wäre zu befürchten. Das liegt in der Natur der Sache, wenn Musik, die auf Respektlosigkeit und Provokation aufbaut, ihrer Grundlage beraubt wird K.I.Z. sind nunmal keine Feuilleton-Band - umso spannender die wird die weitere Entwicklung der Band anzusehen sein. Wenn sie diesen Level halten, kann man zufrieden sein und hin und wieder gut unterhalten werden.
Sehen
Diskutieren
Lesen
Rezension zu "Sexismus Gegen Rechts" (2009)
Rezension zu "Hahnenkampf" (2007)
Weitersagen
Finden
Bye-Bye
Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!