Rezension

K.I.Z.

Sexismus Gegen Rechts


Highlights: So Alt // Selbstjustiz // Halbstark // Das System
Genre: Hip-Hop
Sounds Like: Prinz Pi // Oli Banjo // Sido

VÖ: 10.07.2009

K.I.Z. – eine Band, viele Namen. Das bewusste Spielen mit den Namen (Kannibalen In Zivil, Klosterschüler im Zölibat) und der Mehrdimensionalität gehört nun bereits seit drei Alben zu den Hauptmerkmalen einer Band, die nie richtig verstanden wird und vielleicht auch nie richtig verstanden werden will. Die vier Kreuzberger auf den Fick-Deine-Mutter-Gangster-Rap, der sich im Berlin der 00er Jahre unter der Aggro-Fahne aus der Versenkung erhob, zu beschränken, wäre ebenso falsch wie die automatische Verklärung einer vermeintlichen ironischen Genialität.

Letztlich machen Tarek, Maxim, Nico und DJ Craft worauf sie Bock haben. Das fing auf dem hingerotzten „RapDeutschlandKettensägenMassaker“ an, wurde auf „Hahnenkampf“ einer textlichen wie musikalischen Perfektionierung unterzogen und wird nun auf „Sexismus Gegen Rechts“, das bei einem Major erscheint, zur Massentauglichkeit geprügelt?! Mit „So Alt“ befindet sich auf dieser Platte der erste K.I.Z-Song, der fast ohne jegliches Augenzwinkern ein Thema ernst anspricht. Es geht ums Altern, dann werden die vier Rapper schnell mal gefühlsduselig. Im Blick zurück reift eine melancholische Verklärung dessen, was früher einmal war (so schlimm es auch gewesen sein mag) und das Bedauern des unabwendbaren Alterns. Sind das noch K.I.Z.? Aber hallo.

In Zusammenarbeit mit Sido wird in „Das System“ aus der selbstbezogenen Ironie und einem winzigkleinen Genital ein Song gestrickt, der alle Rap-Klischees aufnimmt und einfach umkehrt. Mein Pimmel will nicht wachsen // so wie Peter Pan heißt es da und mit wenigen netten Metaphern wird der übliche Schwanzvergleich der Lächerlichkeit preisgegeben. Ähnliches passiert in „Halbstark“, indem die gängige Outlaw-Ästhetik des Rap auf die Thematik der Rock’n’Roll-Rebellen der 50er Jahre trifft und musikalisch Boogie-Like verarbeitet wird. „Straight Outta Kärnten“ ist die rotzdreiste Geste, mit der Hitler, Haider und Möllemann gleichgestellt werden und aus dem Tod Jörg Haiders ein rechter Aufruhr inszeniert wird. Einen gesellschaftskritischen Rundumschlag erlebt man auf „Selbstjustiz“, während „Rauher Wind“ eine Anti-Hymne auf alle Banker ist, ein bandeigenes Statement zur Finanzkrise, in dem der uneinsichtige, vom ketzerischen Volk verfolgte Banker in den Selbstmord getrieben wird.

Der Rest ist schmückendes Beiwerk. Immer wieder tauchen Samples früherer Alben auf und in „Hurensohn Episode 1“ wird die Selbstreferenz, verknüpft mit der ironischen Selbstbetrachtung, die dafür sorgt, dass stets die Möglichkeit zur Mehrdimensionalität gegeben ist, auf die Spitze getrieben: Eine Entschuldigung an den „Hurensohn“, auf dessen Grab seit drei Alben schon Party gemacht wird. Als herauskommt, dass hinter der beleidigenden Floskel doch eine tiefere Wahrheit steckt, rudern die Übeltäter zurück: Du Hurensohn // es tut uns wirklich leid // darüber macht man wirklich keine Witze. Der rebellische, nahezu anarchistische Kurs, der die Berliner auch für Punks interessant machte, wird auf „Sexismus Gegen Rechts“ beibehalten. Die Möglichkeit zur differenzierten Betrachtung, zum um-die-Ecke-Denken bleibt jedoch stets songimmanent. Will sagen: Die guten Tracks der Platte bieten reichlich Diskussionsbedarf, der Rest sind albenfüllende Wermutstropfen.

Andreas Peters

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!