Rezension

K.I.Z.

Hahnenkampf


Highlights: Geld Essen // Neuruppin // Der Durch Die Tür Geher
Genre: HipHop
Sounds Like: B-Tight // SIDO // Deichkind // Beatsteaks

VÖ: 24.08.2007

Rap auf Deutsch. Jahrelang eine Bastion von Gymnasiasten und Mittelstandskindern. Bis auf wenige Ausnahmen – vornehmlich aus Frankfurt – standen partytaugliches Wohlfühlen und politisch bewusste Gegenwartsbewältigung gleichberechtigt nebeneinander. Durcheinander gewirbelt und der externe Fokus der Aufmerksamkeit verschoben wurde im Genre erst zum Jahrtausendwechsel mit Kool Savas und Kollegen. Nicht nur stand die Rap-Provinz Berlin plötzlich im Zentrum, nein, auch die Inhalte änderten sich. Dicke Hose, nacktes Fleisch, Geld und Champagner, das real (imaginierte) Ghetto.

Sowohl musikalisch – Beats und Cuts – wie auch Reim-technisch folgte der öffentlich wahrgenommene HipHop dieser inhaltlichen Abwärtsspirale. Ob die Diskussion um G-Hots extreme Homophobie jetzt gerade den absoluten Tiefpunkt der rap-musikalischen Niveaulosigkeit darstellt, sei dahin gestellt. Glaubt man weiten Teilen der vernetzten öffentlichen Meinungen, sind zumindest K.I.Z., Kannibalen in Zivil, Kleptomanen in Zement, …, die Retter des Genres. Retter sein manifestiert sich dabei in Fandom nicht nur aus dem Rap-Untergrund und dem Teenie-Bravotum sondern sogar aus dem Deichkind-Tech-Party- und dem Punk-Lager.

Tatsächlich bedeuten K.I.Z. einen Quantensprung nach vorn. Mit Rap-Skills, die immer noch nicht das Niveau erreichen, auf dem Rap vor der Jahrtausend-Wende stattfand, mit einem teilweise spektakulären Sprachverständnis und -witz und mit einem DJ, der tatsächlich weiß, was sein Job von ihm verlangt, präsentieren die vier Nasen auf „Hahnenkampf“ den altbekannten aggressiven, anzüglichen und sexistischen Berliner HipHop. Allein der Titel lässt sich als Fazit des aktuellen Zustands des deutschen HipHop verstehen.

Wo das Rap-Können und ebenso die Beats meist kaum die Grundschule des deutschen HipHop verlassen zu haben scheinen, schaffen sie es in ihren Texten und deren musikalischer Untermalung jenseits von Koitus-Beschreibungen, Frauen-Missbrauch und teilweise nett verpackten Schwanzvergleichen doch tatsächlich einen Meistertitel der Zunft vorzuweisen. Aus Rezensentensicht eine Katastrophe – für eine Lobeshymne zu Scheiße, für einen Verriss viel zu gut – sind K.I.Z. für die Vermarktung ein Traum. Neben Untergrund-Credibility und Bravo-Charme sprechen sie ganz neue Käuferschichten – Spaß-Crowd, Punkrock-Teenies – und die alten Freunde intelligenten HipHops an. Wobei letztere schon sehr verzweifelt sein müssen, um im Anhören des Hahnenkampfes zu Spiegel’schen Lobeshymnen anzuheben.

Ein Marketing-Traum, der gerade wegen dieser Uneindeutigkeit gesunden Zweifel anmahnt. Im Gespräch mit der Spex schon Anfang des Jahres sagte Tarek „Wir haben die Bissigkeit des Gangsterrap, aber den Umgang mit den Menschen von den Hippies gelernt“, und fügt dem Spiegel gegenüber hinzu „Wir überdrehen die Realität extrem. Musik ist Kunst. Dazu gehört Abstraktion. Das darf man Kunst nicht absprechen, sei es im sexuellen Sinne oder sei es, dass jemand erzählt, er sei ein krasser Zuhälter oder Gangster.“

Natürlich ist der Vierklang aus Texten, Rapskills, Beats und Cuts bei K.I.Z. eine vielschichtigere Angelegenheit als bei anderen – im Licht der Öffentlichkeit zwischen Bravo und MTV stehenden - Berliner HipHoppern. Harte – am Publikum bzw. dessen Erwartungen geschulte – Beats und Raps werden durch die verspielte und zitatenreiche musikalische Untermalung wie durch wortgewandte und intelligente Texte gekontert, gebrochen, karikiert und konterkariert. Positiv formuliert, überdehnen K.I.Z. Rap-Klischees, bis sie brechen, bis dem letzten klar wird, das könne so gar nicht gemeint sein, machen tatsächlich nichts anderes als Kunst. Wo Deichkind billigsten Euro-Dance und exzessive Party zum Signum ihrer Kunst machen, sind es bei K.I.Z. die sexuellen und gewalttätigen Merkmale des Battle-Raps. Negativ gesehen, machten Nevada Tan und Lafee noch lange nicht gute Musik, wenn die einen plötzlich einen guten DJ hätten und die andere genauso überraschend statt klischee-lastiger Befindlichkeitslyrik Texte von Shakespeare’scher Qualität sänge.

Anders gesagt: K.I.Z. machen tolle Kunst, aber echt mittelmäßige Musik … Und da behalte ich gern den metaphorischen Stock im Anus und sage mit Dendemann (Spex #310): „Und [...] Ehrlichkeit kann ich sogar in einigen aktuellen Entwicklungen im deutschen HipHop erkennen, auch wenn mir die musikalisch und rap-technisch ungemein aufstoßen.“ Oder, auch K.I.Z. sind nicht die Herausforderer auf die Dende wartet.

Oliver Bothe

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