Rezension
Cloud Nothings
Attack On Memory
Highlights: Wasted Days // Stay Useless // Cut You
Genre: Indie Rock // Old School Emo
Sounds Like: Nirvana // Wipers // Shudder To Think // Drive Like Jehu
VÖ: 03.02.2012
Drei Veröffentlichungen in ebenso vielen Jahren. Steve Albini am Mischpult. Lobhudelei bei Pitchfork, Visions und Rolling Stone. Dylan Baldi, kreativer Kopf der Cloud Nothings, ist der lebende Beweis: Wenn Rap kein Abi braucht, dann braucht Rock’n’Roll immerhin weder Bachelor noch Master. Seit dem Hinschmeißen des Studiums, um sich vollends auf die Musik zu konzentrieren, läuft es für den gerade mal 20jährigen rund. Mit “Attack On Memory” veröffentlicht sein mittlerweile zur richtigen Band angewachsenes Projekt sein neuestes Album.
Das polternde, bedrohliche “No Future/No Past” macht vom ersten Moment an klar: Mit dem süßen Pop-Punk der früheren Veröffentlichungen hat das hier nichts gemeinsam. Ein stoischer Beat schleppt fragile Gitarren und Dylan Baldi krächzt wie der Blonde aus Seattle. Das klingt nach verregneten Sonntagnachmittagen, endlosen Wiederholungen von misslungenen Fortsetzungen und der vollen Dröhnung als ausgleichende Gerechtigkeit für stundenlange Röhrenberieselung. So, als hätten Nirvana verspätet ihre Liebe zum britischen Nieselregen und der viktorianischen industriellen Architektur entdeckt.
Doch der Anfang ist bloß eine Fingerübung. “Wasted Days” dehnt diese Elemente auf über acht Minuten. Ein Monolith von einem Song, der sich nach drei Minuten zurückzieht und über fünf erbarmungslose Minuten die akustische Apokalypse beschwört. Ein Wandteppich in Pechschwarz und Dunkelgrau – und ein unglaublich beklemmender und intensiver Song, den die Wipers mit Stolz auf “Youth Of America” gepackt hätten. Waren die Cloud Nothings musikalisch schon immer progressiver als ihre Klassenkameraden, so kommen die mahnenden Worte des Musiklehrers, das wilde Heruntergniedeln von Tonleitern und die Harmonielehre nun völlig zur Geltung. Minimalistisch und doch filigran fügen sich hier die einzelnen Elemente elegant zusammen: Dröhnend, nervös, überschlagend, brachial. Bass, Gitarre, Stimme, Schlagzeug. Mehr braucht es nicht.
“Fall In” und “Stay Useless” lockern die Atmosphäre dann auf. Hier scheint die poppigere Vergangenheit durch, doch Baldis Stimme entreißt die Musik immer wieder dem Verdacht, in Belanglosigkeit abdriften zu können. Atmosphärisch wird besonders hier die Brücke zu frühen Emo-Bands und besonders Dischord Records gezogen. Ein überraschender musikalischer Bezugspunkt in Anbetracht dessen, dass kaum eine Musikrichtung eine größere Divergenz zwischen ursprünglicher Idee und momentaner Ausführung aufzeigen kann – andererseits natürlich ein löbliches Unternehmen und sei es bloß um zu zeigen, dass “Emo” mehr als abgelutschte Ritzwitze ist. Wer misstrauisch bleibt: “Cut You” anhören und die Repeat-Taste statt der Rasierklinge befingern.
“No Future/No Past”? Alles Quatsch. Die Cloud Nothings atmen Vergangenheit und haben hoffentlich noch mehr Zukunft.
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