Rezension
Bosse
Guten Morgen, Spinner
Highlights: Frankfurt/Oder // Guten Morgen, Spinner
Genre: Deutschrock
Sounds Like: Winson // Kettcar // Astra Kid
VÖ: 28.07.2006
Schulheftromantik. Ist zumindest der erste Eindruck mit Blick auf das Booklet. 16 Seiten / liniert steht dort unten in kleinen grauen Lettern, die Seiten sind vollgekritzelt mit Zeichnungen, hier und da ein paar Fotos und Anmerkungen. Natürlich auch mit den Texten. Und kamen diese beim Bosse-Erstling "Kamikazeherz" zum Teil Schülerreimen nahe, so findet man nun stellenweise hohes Leistungskursniveau. Mit Sternchen.
"Guten Morgen, Spinner" also. Wie schon bei "Keine Panik" oder dem Hit "Kraft" vom Debüt gibt es bei manchen Songs direkt was auf die Fresse. "Die Irritieren" ist ein netter Song über die Jugend, kein jammernder Nachruf auf vergangene Zeiten, sondern eher ein nüchtern zufriedenes Zurückblicken. "Plötzlich" macht allen Mut, die Angst vor dem nächsten Schritt im Leben lähmt. Und "Eigentlich, eigentlich" erzählt von einer Liebe in den letzten Zügen, nicht traurig und melancholisch, sondern laut und kraftvoll, ohne albernes Emo-Geschrei.
Doch Bosse können auch ruhig. "Wenn wir schlafen" erzählt vom Erwachen der Welt, von Momenten, die die meisten nur kennen, wenn sie erst bei Tageslicht aus der Kneipe heraus und ins Bett gefallen sind. Irgendwie nett, aber, genau wie das Schlussstück "Seemannsblau", auf Dauer fad.
Richtig gut sind Bosse, wenn sie ruhige und laute Momente verbinden. Das Titelstück ist das zweitbeste Stück, das Axel Bosse je geschrieben hat. Gänsehautstrophen und ein Refrain, bei dem man lauthals mitsingen will, muss. Und zwar so, dass allen, die die Szene beobachten, die Kinnlade runterknallt.
Die Hymne der Platte ist "Frankfurt/Oder". Selten wurde eine Liebeserklärung so schön verpackt, höchstens noch bei Kettcars "Balu". So schön, dass selbst Sven Regener, ja, DER Sven Regener, seine Trompete auspackte um etwas beizusteuern, Teil zu sein von der Liebe "mit Kartoffelschnaps und Bockwurst zwischen Gartenzwergen".
Man konnte die positive Weiterentwicklung der Band schon im letzten Jahr im Vorprogramm von Mando Diao bewundern, als sie die Schweden an die Wand spielten. Bleibt zu hoffen, dass es noch mehr Geschichten aus "Frankfurt/Oder" und weniger über "Bei Costas" im Fundus von Axel Bosse gibt, dann spielen die vier Jungs bald in der belle etage des Deutschrocks mit. Und die Schulheftromantik ist vergessen.
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