Rezension

Bernd Begemann & Die Befreiung

Wilde Brombeeren


Highlights: Gib Mir Eine Zwölfte Chance // Dein Trottelfreund Meint
Genre: Deutsch-Pop
Sounds Like: Olli Schulz // Tele // Gisbert zu Knyphausen

VÖ: 02.09.2011

Wenn es einen Musiker gibt, der Hamburg personifiziert, dann ist es Bernd Begemann. Richtig, Bege, nicht die ollen Streber von der Hamburger Schule. Bernd Begemann ist ein bisschen zu cool, ein bisschen konservativ, ein bisschen kommerziell, ein bisschen dekadent, dabei aber ziemlich ironisch. Wie Hamburg eben. Aber genug der unnützen Vergleiche. Bernd Begemann, nein, in diesem Fall Bernd Begemann & Die Befreiung, haben gerade ein neues Album veröffentlicht und das heißt „Wilde Brombeeren“. Klingt eher nach einer neuen Smoothie-Sorte? Hat Begemann vielleicht beabsichtigt.

Smoothies sind nämlich auch so ein Phänomen der Öko-Spießigkeit des 21. Jahrhunderts, in der Leute übersüßsten Fruchtbrei zu sich nehmen (natürlich in dem Glauben, er sei furchtbar gesund), ranzige Leinenbeutel über der Schulter tragen und sich als „Teil Der Lebendigen Stadtteilkultur“ sehen. Stadtteilkultur, ein Wort, das verboten gehört. Aber dem schlauen Bernd kommt es gerade recht, denn worüber sollte er sonst singen, wenn nicht über den Schwachsinn des Alltags? Wie er täglich praktiziert wird in den „Slums Von Eppendorf“, wo Mamis ihre 15-Liter-SUVs vor'm Feinkostladen parken und „Altbau“ zu einer Beleidigung geworden ist. Oder im Nachtleben, wo seltsame Balzrituale auf der Tanzfläche vollzogen werden („Die Tanzfläche Braucht Dich“). Und natürlich beim Paarungsverhalten („Gib Mir Eine Zwölfte Chance“). Ich enttäusche dich so, wie nur ich es kann. Also gib mir eine zwölfte Chance.

Aber Bernd macht ja nicht nur tolle, witzige, sarkastische, treffende Texte, er macht auch Musik, und die ist schließlich ebenso wichtig. Oder etwa nicht? Freund und Kritiker sagen gerne, Begemann würde Schlager fabrizieren. Aber verwechseln die Schlager nicht mit Pop? Musikalisch bewegt sich „Wilde Brombeeren“ ziemlich häufig an der Schmerzgrenze der einfachen Melodien, die Songs zwingen sich dem Hörer geradezu auf und nach drei Mal hören kennt man jedes Stückchen auswendig. Aber vielleicht ist eben jene Einfachheit, die man Begemann missgünstig unter die Nase reiben kann, genau das Grundgerüst, das nötig ist, damit seine Songs funktionieren. Wer hätte schließlich noch die Energie, über die Lyrics zu lachen, wenn er von musikalischen Raffinessen abgelenkt würde?

Unter'm Strich zählt, zumindest in diesem Genre, der Spaßfaktor und der ist hoch. Dass am Ende eben jene Leute, über die Bernd Begemann im Stadtteilkultur-Song lästert, seine Musik kaufen, sei einmal dahingestellt.

Lisa Krichel

Sehen


Video zu "Gib mir eine zwölfte Chance"

Hören


Album-Trailer

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!