Rezension
Ben Howard
Noonday Dream
Highlights: Someone In The Doorway // The Defeat // Murmarations
Genre: Singer/Songwriter
Sounds Like: Nick Drake // José González // Radiohead
VÖ: 01.06.2018
Ben Howard hätte es sich wirklich leicht machen können. Dem Sound seines Debüts „Every Kingdom“ noch mal ein wenig mehr Mainstream angedeihen lassen und schon wären Tür und Tor offen gewesen für die große Karriere in der Formatradiowelt. Noch vor dem Durchbruch von Ed Sheeran. Darauf hatte der inzwischen 31-jährige Brite aber so gar keinen Bock. Stattdessen gab es mit „I Forget Where We Were“ ein düster-melancholisches Songwriter-Werk, das zwar seinen Status bei Kritikern und der Indiegemeinde festigte, allerdings auch sämtliche Chartsambitionen endgültig ad acta legte. Dann war erst mal vier Jahre lang Sendepause.
Was ist in der Zwischenzeit passiert? Zuerst reiste Howard nach Nicaragua, um dort Abstand von der Musikkarriere zu nehmen und die Liebe zur Poesie zu entdecken. Irgendwann ging's zurück nach England, um sich dort intensiver mit Gartenbau (!) zu beschäftigen. Dann juckte es doch wieder in den Fingern und Howard nahm mit seiner Band ein komplettes Album auf… um es wenig später nahezu komplett wieder zu verwerfen. Einzig zwei Songs aus der Session haben es auf die neue Platte „Noonday Dream“ geschafft. Sie stehen jeweils exemplarisch für eine musikalische Seite von Ben Howard. Beide prägen zusammen einen Songwriter, der angekommen ist und ohne schlechtes Gewissen weiterhin sein Ding durchzieht.
Der eine Überlebende aus dem musikalischen Großreinemachen heißt „Nica Libres At Dusk“. Stattliche sechseinhalb Minuten lang, mit elektronischen Spielereien ausgestattet und Howard nuschelt mehr ins Mikrofon, als dass er singt. Ähnliche Songs kennt man bereits vom Vorgänger. Es ist der etwas depressiv wirkende Howard, der die Songwritertradition von Größen wie Nick Drake oder Bert Jansch fortführt. In eine ähnliche Kerbe schlagen auch die nachfolgenden Songs „Towing The Line“ und „A Boat To An Island On The Wall“. Allesamt tolle Stücke, aber ein eher schwermütiger Beginn in das Album.
Richtig spannend wird es dann, wenn der nächste Überlebende das Ruder übernimmt: „Someone In The Doorway“. Ben Howard beginnt richtig zu experimentieren. Kein lineares Songwriting, sanftes Gitarrenpicking, dazu Streicher und versiertes Schlagzeugspiel. Es klingt fast wie Radiohead zu „In Rainbows“-Zeiten. Noch eine Nummer stärker ist sogar das treibende „The Defeat“. Hier gibt es noch mehr elektronische Einflüsse und die stehen Ben Howard wirklich außerordentlich gut zu Gesicht. Es ist ein wenig schade, dass mit dem abschließenden „Murmurations“ nur noch ein weiteres Experiment folgt, denn auch dieses ist mehr als gelungen.
Trotzdem, der Weg ist vorgezeichnet: Ben Howard wird sich als Songwriter noch enorm weiterentwickeln und neue Dinge wagen. Irgendwie hat man das Gefühl, als ob der Mann gerade erst dabei ist, seinen Sound so richtig zu entdecken. Und kommerzielle Abstriche muss er dabei offensichtlich gar nicht machen. Die Tour zum Album war in relativ großen Locations bereits Monate vorher nahezu überall ausverkauft. Angesehener Künstler statt Surferboy. Gute Entscheidung.
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