Konzertbericht

Ben Howard


Wie komplett unterschiedliche Erwartungen dafür sorgen können, dass die Wahrnehmung eines Konzertes zwischen verschiedenen Besuchern eine komplett gegensätzliche Richtung einnimmt, zeigt eindrucksvoll Ben Howard. Zwischen denen, die wegen der erfolgreichen Singles des Debüts anwesend sind und jenen, die sich intensiver mit seiner Musik und vor allem seiner Entwicklung befasst haben, teilt sich das Publikum auf – und somit auch die Einschätzung, ob der Abend ein gelungener war, oder eben nicht.

Eine gute Gelegenheit, das Konzertjahr mit einer schönen, entspannten Show ausklingen zu lassen, bot der Termin am 02.12. im Berliner Tempodrom: Ben Howard ist an diesem Abend zu Gast. Zu etwa drei Vierteln ist die Halle gefüllt und es ist schon bezeichnend für die Erwartungshaltung einem Künstler gegenüber, wenn der Sitzplatzbereich gefüllter ist als der Stehplatzinnenraum. Noch etwas fällt auf: Selten lässt sich ein Publikum so einfach durch zwei teilen; Ben Howard ist ein Pärchenmagnet.

Ben Howard ist jedoch auch viel mehr – ein Musiker mit einem extrem durch die Decke gegangenen Debüt, für dessen Hits wie "Only Love", "Old Pine" und "Keep Your Head Up" sicher nicht wenige den Weg an den Anhalter Bahnhof angetreten sind. Ben Howard ist allerdings auch jemand, dem der Erfolg dieser Stück nicht zu Kopf gestiegen ist – im Gegenteil. Schon der Nachfolger "I Forget Where We Were" schlug ganz andere, sehr düstere Töne an und das aktuelle "Noonday Dream" ist trotz seiner ruhigen Grundstruktur ziemlich sperrig.

Genau diese Sperrigkeit ist es, die jene Teile des Publikums, die wegen der Hits angereist sind, enttäuschen wird. Denn Howard und die Vielzahl an Musikern – inklusive Streicherinnentrio und zwei Schlagzeugern – denken nicht daran, einen seichten, gefälligen Abend zu liefern – auch wenn die Vorband "Hater" mit ihrem recht anspruchslosen Wenige-Akkorde-Indie diesen so einleitet.

Ben Howard und Band spielen "Noonday Dream" komplett. Unterbrochen nur von einem kurzen Zwischenspiel – einem Cover zu "Wild World" – während dem ein Video zum Black-Friday-Unsinn in (vermeintlich) den USA läuft. Die etwa fünfzig Minuten des Albums erstrecken sich live dank einiger Verlängerungen und Experimente auf über siebzig, ehe Howard und Band, die bis dato noch kein einziges Wort Richtung Publikum verloren haben, die Bühne verlassen.

Als sie nach Minuten des Applauses zum Zugabenblock wieder erscheinen und irgendjemand einen der Hits hereinruft, ist aus Howards Richtung ein vernuscheltes "Not This Time" zu vernehmen. Vier weitere Stücke gibt es in der Zugabe, drei davon vom Zweitwerk, dazu "Hot Heavy Summer" von einer kürzlich erschienenen EP.

Tosenden Applaus erntet Howard, als er nach etwas 90 Minuten Spielzeit dann doch einmal ein paar Worte an die Zuhörenden richtet, diese sind jedoch ob seiner undeutlichen Aussprache kaum zu verstehen. Ein großer Entertainer ist Ben Howard nicht, jedoch lässt dieser Auftritt keinen Zweifel daran, dass hier jemand in seiner Musik aufgeht – und dass, wer sich darauf einlässt, gern eingeladen ist, ein Teil dieser zu sein. Wer jedoch ein stimmungsvolles Hitkonzert mit relativ seichten Indiefolksongs erwartet, ist an diesem Abend fehl am Platz.

Klaus Porst