Interview

The Robocop Kraus


Wer denken die eigentlich wer sie sind? Sänger Thomas Lang und Gitarrist Matthias Wendl hängen schief auf dem Sofa im Backstage-Raum und reden lieber über Frauen die von Mäusen geschwängert werden als über ihr neues Album. Alles sehr lustig und zum Ende wurden sie ja doch noch informativ...

Wir waren beim letzten Interview beim Namen einer Partei hängengeblieben. Du meintest sicher die APPD...

Thomas Lang: Ah ja. Die kann man ja leider nicht deutschlandweit wählen. Aber in Berlin. Und zwar: "Deine Stimme für den Müll". Und "Nur nehmen nicht geben" stand auch noch auf dem Plakat. (lacht)

Beim letzten Mal hast du erzählt, du würdest den Text auf die Musik improvisieren. War das diesmal immer noch so? Das Songwriting wirkt schon sehr fokusiert.

Thomas: Nönö, das ist immer noch so, dass ich das improvisiere. Aber irgendwann setz ich mich dann auch hin und bastel daran. Aber es ist kein klassisches Songwritertum dass einer aus der Band ein Lied schreibt und es mitbringt.

Olli Schulz hat mal gesagt: "Manchmal ist es so: Hauptsache der Rhyme ist fett!"

Thomas: Joa, stimmt schon.

Früher war das Thema ja eher so Mensch-Maschine...

Thomas: Stimmt ja.

Das hat man jetzt ja auch noch im ersten Lied. Aber es geht doch jetzt auch mehr um Menschen und Zusammenleben...

Thomas: Das hatten wir das letzte Mal doch sogar im Titel. Ich tu mich total schwer das Album auf einen Nenner zu bringen. Es gibt keinen Masterplan über welche Themen wir singen wollen. Das sind Sachen die mich interessieren oder ich irgendwo aufschnappe.

Wenn du betrunken bist?

Thomas: Ich trink ja wahnsinnig gern. Aber beim Schreiben eigentlich gar nicht.

Aber du wirst mir doch zustimmen das einige Lieder total gaga sind?

Thomas: Ja. Das ist doch super. Das Leben macht ja eigentlich auch keinen Sinn, oder? Oft versteht man doch gar nicht warum der das macht oder jenes passiert. Ich seh da oft keinen Sinn, warum muss dann Kunst Sinn machen? Viel zu viel verlangt vom Künstler. (grinst)

Okay, dann erzählt mal wenigstens die Amsterdam-Geschichte.

Matthias Wendl: Ein paar Leute sind mit unserem ehemaligen Bassisten nach Amsterdam gefahren. Und dann war der irgendwann weg. Der hat dann erzählt, dass ihm Jesus erschienen ist am Zeltplatz. Der Grund warum er dann einfach ausgestiegen ist, weil Jesus ihm das gesagt hat.

Ist das wirklich passiert oder...

Matthias: Das ist eine wahre Geschichte!

Könnte ja auch ein ironisches Lied auf die Musikszene sein. Da passiert das gerade ganz häufig. Zuletzt ist doch einer bei KoRn aus diesem Grund ausgestiegen.

Thomas: Ein Klassiker unter allen die so satanistisch unterwegs sind wie wir. (Matthias lacht sich schlapp)

Seid ihr eine ironische Band?

Thomas: Mir ist Ironie schon wichtig, aber ironisch geht so nach Mike Krüger.

Ich sagte ironisch, nicht unlustig. Die neue Platte hat sehr viel weniger Spielereien, sie wirkt sehr klar.

Matthias: Ich kann mir schon vorstellen, dass die nächste Platte wieder mehr Spielereien hat.

Thomas: Ich seh sie auch schon. Das war schon eine extreme Platte für uns, weil wir uns sehr reduziert haben auf das Wesentliche. CDs hört man sich ja über Discman und so an und wir wollten das es da funktioniert und gut klingt. Weil ich hab immer wieder gehört: Live sind die super, aber wenn ich die Platte höre will ich sie wieder live sehen, denn die ist zu anstrengend fürs Ohr.

Liegt der klare Sound auch an Pelle Gunnerfeldt oder nicht? Ihr habt in Interviews immer wieder betont seine Rolle wäre überbewertet.

Thomas: Das findet der bestimmt auch übertrieben. Eigentlich voll cooler Typ, ich mag den, also ich distanziere mich jetzt überhaupt nicht von dem, weil ich find den total cool und es war super mit dem zusammen zu arbeiten. Aber ganz klar dass da jetzt das Label, wo der bekannt ist, mit dem Namen werben will.

Okay, gutes Stichwort für eine kleine Schnellfragerunde. Hives oder Noise Conspiracy?

Beide (schnell): Hives!

Schwedische Windbeutel oder Pizza?

Matthias: Pizza.

Bratwurst oder Lebkuchen?

Thomas: Bratwurst, wenn ich Fleisch essen würde.

Hast du wirklich Thees mit Lebkuchen auf einem Konzert beworfen?

Thomas: Ja. (lacht) Das sollte ein Geschenk sein. Ich wollte ihm eine Freude bereiten. Ich bin nicht rausgeflogen, aber so ein Security war stinkig. Das war ein Geschenk, man. Ich hätte es vielleicht vorher auspacken sollen und einzeln werfen und nicht die ganze Kilo-Packung. (lacht) Ich hab dann halt den Drummer erwischt.

Robocop-Soundtrack oder Kraus-Best-Of?

Thomas: Robocop-Soundtrack wahrscheinlich. Obwohl ich den nicht kenne.

Habt ihr inzwischen Polen annektiert?

Thomas (lacht sich kaputt): Das musst du auch erklären, das Interview versteht keiner. (Anm. d. Red.: Okay. In einer englischen Review stand einst The Robocop Kraus klingen als würden sie Polen annektieren wollen.) Aber das machen wir im Frühjahr.

Pop oder Punk?

Thomas: Punk!

Minor Threat oder Fugazi?

Beide: Fugazi!

Gang Of Four oder Talking Heads?

Thomas: Talking Heads.

Matthias: Gang Of Four.

Findet ihr den Talking Heads Link inzwischen nicht auch ein wenig überstrapaziert?

Thomas: Jaja, jetzt reichts langsam.

Selbst ideenlos?

Thomas: Ja. (lacht) Nein, du meinst jetzt wegen Cover und so? Das haben wir uns schon lange überlegt, weil wir solche Fragen erwartet haben. Wir fanden das einfach die beste Idee. Punkt. Ich finde das nicht schlimm, weil es ist ja auch ein bißchen Fantum. Die Talking Heads haben ja auch nur eine Idee von David Hockney verwendet. Von dem stammt ja diese Art der Darstellung eigentlich.

Es gibt bald schon wieder ein neues Video. Wie kamt ihr dazu in so kurzer Zeit drei Clips zu machen, die ja sowieso nirgendwo laufen?

Thomas: Weil das Abschlussarbeiten von Studenten sind. Die haben halt gefragt und bekommen die Kosten für das Material erstattet. Nur das zu "You Don't Have To Shout" war professionell.

Was eigentlich am stärksten abfällt. Ist etwas sehr trashig.

Thomas: Da gab es ja noch ein anderes Treatment. Das war noch viel verrückter. Das wären einzelne Szenen zu "You Don't Have To Shout" als Thema zu Situationen wo man eigentlich schreien sollte. Eine war dabei, wo ein Typ auf einem elektrischen Stuhl sitzt und dann kommt ein Blinder rein und findet den Schalter nicht. Und der Typ auf dem Stuhl hat so ein Blaulicht auf dem Kopf und als der andere dann den Schalter findet springt der auf und tanzt. (lacht) Und die andere Szene, wo eine Frau vor einer Maus erschreckt und die läuft ihr dann zwischen die Beine. Und in der nächsten Szene sitzt die dann da mit einem Mäusebaby im Arm. Frau von Maus geschwängert, elektrischer Stuhl,... - das haben wir dann nicht genommen. Wir hatten dann eine ewige Diskussion über Sexismus, weil diese Frau von einer Maus geschwängert wurde. Ich fand das ja absolut okay, die anderen fanden schwierig das so darzustellen. Weil die anderen verstanden das als Fabel, die direkt auf Menschen übertragbar wäre und die Frau ist ja erschrocken also kommt das einer Vergewaltigung gleich. Wobei ich sage: Die Skurrilität dieses ganzen Treatments auf dieser Sinnebene geht. Ich habe stark dafür plädiert dass es keine Vergewaltigung ist. Da haben wir ewig drüber gestritten. Was meint ihr?

Im Gegensatz zur Darstellung der Frau in den ganzen HipHop-Videos würde ich das eher ironisch als sexistisch sehen.

Thomas: Ja, wir wollen ja kein Sexismus provozieren. Das ist ja was, was wir scheisse finden. Würdet ihr das denn reinlesen in die Szene?

Kommt sicherlich auch auf die Darstellung an.

Thomas: Stimmt. Ich weiß nicht wie die Idee im Kopf bei ihr war, es war ja sogar eine Regisseurin. Und sie ist Jüdin. Und sie hat gemeint wir schauen wie Nazis aus in dem anderen Video. Ich will die Diskussion auch gar nicht weiterführen, weil ich fand die total beschissen.

Ich finde die gut. Werden wir im Board weiterführen. Ich schick dir dann das Protokoll. Wie kam die Zusammenarbeit mit Epitaph zustande?

Thomas: Ein Freund von uns kannte da jemand. In Amsterdam sitzt Epitaph Europe und die kamen dann angereist, haben sich das angeschaut und gemeint sie wollen mit uns zusammenarbeiten.

Was erwartet ihr und was erwarten die?

Thomas: Was ich von denen stark erwarte ist, dass sie es in Amerika rausbringen. Ich hoffe es schwer. Die haben uns das aber nicht garantiert. Das muss in Europa gut laufen, dann machen die das in Amerika.

Gibt es aus Europa denn schon Reaktionen?

Thomas: Promo-Reaktionen, aber keine Verkäufe. Ich weiß nicht mal was wir in Deutschland verkauft haben. Aber in zwei Wochen kommen wir in Australien raus. Wir laufen da auf Triple J. Ich war schon in Australien, der Sender ist der Wahnsinn. Wir laufen da auf Heavy Rotation, echt super, weil der Sender ist der Hammer. Der ist staatlich, ohne Werbung, ein Studentensender. Spielen den ganzen Indie-Kram, dann halt auch mal eine Joy Division Sondersendung eine Stunde lang oder Birthday Party Livekonzert und wirklich gute Wortbeiträge. Sowas kennst du gar nicht, du kannst den ganzen Tag gute Musik hören. Und da kommt dann noch zwischendurch eine Stunde lang Dokumentation über Masturbation und das total unpeinlich und unverklemmt auf ganz anderem Niveau als in unseren Nachmittagstalkshows.

Euer Tourplan für dieses Jahr sieht noch ziemlich heftig aus.

Thomas: Ich wollte es etwas lockerer, aber es hat sich wieder zugeballert. Ich trinke gerade gar kein Alkohol wegen der Stimme, das kotzt mich an.

Fahrt ihr in irgendein Land mit besonderer Erwartung? In Spanien habt ihr ja dieses Jahr schon auf Festivals gespielt.

Thomas: Das Benicàssim war unglaublich gut. Ich bin ja nicht so der Festivalfan, aber das war schon Wahnsinn. Letzte Mal lief da alles scheisse, weil die Bookingagentur dort vor Ort 18 Euro Abendkasse verlangt hat. Das geht halt nicht. Jetzt haben wir gesagt: 10 Euro ist Limit, gib uns lieber ein schlechtes Hotel.

Wie sieht es aus mit England? Für deutsche Verhältnisse seid ihr ja absolute NME-Lieblinge.

Thomas: Die Reviews sind recht gut, aber ich bin gespannt wie selbst Epitaph das dort stemmt. England ist glaub ich selbst für die schwierig. Ich würde auch viel lieber Irland touren. Aber da kommen wir leider nicht hin. In England kriegst du dann 70 Pfund garantiert für die Show und das Hotel kostet 120.

Werdet ihr weiter diesen Spagat zwischen Jugendhaus, Club und Festival machen? Oder wollt ihr auf eine Level wo ihr sagt: Es reicht jetzt im Atomic Cafe fünfmal gespielt zu haben. Wir wollen jetzt mal eine Location größer.

Thomas: Das kommt drauf an wieviel Leute kommen. Wir wollen die Leute natürlich nicht nerven, in dem wir immer das gleiche machen. Wir gucken auch was noch so geht und Spaß macht. Wir planen jetzt zum Beispiel für nächstes Jahr Osteuropa. Da zahlen wir bestimmt drauf. Slowenien, Kroatien, Serbien und so weiter. Aber du kannst halt dort die Platte nur für fünf Euro verkaufen und wir bekommen sie vom Label für acht Euro. Aber das ist bestimmt sehr interessant. Wir wollen nächstes Jahr was erleben und haben uns mal ein paar Sachen vorgenommen die nicht so das Klassische sind wie Promo und Tour.

Über das eigene Level gibt es bestimmt viele Diskussionen in der Band. Ihr wolltet ja eigentlich keine Fernsehshows machen, wart vor kurzem dann aber doch bei Kuttner.

Thomas: Markus hat das gesagt. Ich hab voll lachen müssen wie ich das Interview gelesen habe. Schon wenn du mit Lado zusammen arbeitest, weißt du eigentlich das sowas ansteht. Epitaph und Lado machen zwar Punkrockplatten, aber gehen halt auch in die Mainstreammedien rein. Wir machen ja auch nicht alles.

Wenn Kerner jetzt am Ende der Sendung die Gäste für den nächsten Tag vorstellt, läuft "In Fact You're Just Fiction" im Hintergrund.

Matthias: Waaas?

Thomas(hält sich die Hände vor die Augen): Ne. Ist das dann eingeblendet? (abfällig:) Johnnes B. Kerner.(schüttelt den Kopf)

Matthias: Besser als Beckmann.

Lass uns zum Schluss über "I Can't Relax in Deutschland" reden. Ich habe es auch nach der Visions-Story immer noch nicht verstanden.

Thomas: Ich hab die Story noch gar nicht gelesen. Ich hab da ja fast nix gesagt, war ein bißchen schwierig. Die beiden waren politisch und rhetorisch halt auch unheimlich gut drauf. Mir war das ein bißchen zu hoch.

Ah, mir auch. Ich verstehe glaub ich die ganze Kampagne nicht.

Thomas: Ja, schon schwierig. Auch die Texte in dem Buch. Du kannst natürlich hingehen und sagen: Nationalismus ist scheisse, weil das ist uncool und scheisse. Aber die haben wirklich versucht das historisch aufzuarbeiten und den Begriff zu erklären.

Ich habe immer das Gefühl diese ganze Nationalstolz-Debatte ist nur wegen diesem einen Mia.-Song.

Thomas: Mia, dann Fler, dann dieses "Wir sind wir". Das sind schon einige. Dann fand ich die Auseinandersetzung schon gut damit. Ich hab dabei auch was für mich gelernt, ich fand das sehr interessant. Die legen die Latte sehr hoch in ihren Texten. Ich hab das dem Martin Büsser auch etwas vorgeworfen, so: "Hey, das versteht doch keiner." Weil die gehen ja schon absichtlich raus aus diesem subkulturellen Umfeld, die haben das an alle Medien geschickt und das soll für jeden erhältlich sein. Er meinte man sollte die Leute auch nicht unterfordern und sie sollen was dazulernen. Da hat er schon Recht.

Was ist denn das Ziel der Kampagne? Stört sie nur der Begriff "Deutsche Popmusik" oder wirklich der Begriff "Staat"?

Thomas: Ich glaube die formulieren das unheimlich scharf, aber nie als Antwort. Das finde ich das geile dran: Die haben auch keine Antwort. Die können ja keine Alternative zum Staat anbieten. Das ganze Anliegen ist ja utopisch und zum Scheitern verurteilt. So hab ich das verstanden. Ich kann jetzt auch nicht uneingeschränkt für die sprechen, wir haben nur ein Lied dazu beigetragen.

Wie wird das nächste Jahr aussehen? Wird es mal eine B-Seiten-Sammlung geben? Ihr habt doch auch einige rare Coverversionen. "Filler" ist zum Beispiel der Hammer.

Thomas: Findet Ian MacKaye auch. (lacht) Aber wir wollen ja eine neue Platte aufnehmen. Wir sind jetzt schon wieder eine ganz andere Band, mit Hans vor allem, unser neuer Schlagzeuger, der einen Großteil der Songs ja einfach nur übernommen hat. Und ich glaube, dass er noch ganz anders Schlagzeug spielt und das möchte ich eigentlich bald rausarbeiten. Nächstes Jahr im Herbst wollen wir anfangen, über Weihnachten will ich neue Songs schreiben.

Zum Schluss: Wer ist zur Zeit der Beppenwolf?

Thomas: Noch keiner. Aber beim Sascha, unser Fahrer, ging es heute los.

Carsten Roth

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