Interview
Murder By Death
Adam Turla: Eigentlich habe ich gelesen, dass es heute regnen sollte. Dasselbe hab ich über Chemnitz gelesen, wo wir gestern gespielt haben – aber ebenso herrliches Wetter dort.
Da hattet ihr Feuertänzer mit euch auf der Bühne, oder?
Adam: Es war wahnsinnig, einfach nur wahnsinnig. Diese Feuertänzergruppe hat der Stimmung wegen eine Band gesucht und uns dann kontaktiert. Wir haben ca. 40 Minuten gespielt, während diese Typen wirklich um uns herum flammende Pyramiden aus Menschen aufgebaut haben, mit Feuerschluckern und allem drum und dran. Das Video davon werden wir auch bald bekommen. Es ist etwas blöde, weil wir tatsächlich eine Live-DVD geplant haben, die diesen Sommer herauskommen soll. Eigentlich wollten wir die Videos sehr bald zusammenstellen, aber jetzt überlegen wir, ob wir auf ein Video von diesem Auftritt warten sollten. Eigentlich schon. Unser Auftritt mit den Feuertänzern war aber ein Instrumentalset – das hat künstlerisch besser gepasst, fanden wir.
A propos: Du warst ja eben bei der Radio-Performance besorgt, dass deine Stimme schlecht klingen würde, weil du gerade gegessen hattest – aber wenn das nicht deine beste stimmliche Leistung war, will ich gar nicht wissen, wie du nachher beim Auftritt klingen wirst.
Adam: Das wird schon. Ich bin immer vorsichtig und probier immer, eine gute Show hinlegen zu können.
Ich frage mich immer, wie beabsichtigt es ist, dass du manchmal wirklich mehr nach Johnny Cash klingst als Johnny Cash selber.
Adam: Ach, ich probiere einfach so zu singen, dass es sich natürlich anfühlt. Ich habe auch lange gebraucht, um das Singen überhaupt zu lernen. Als wir die Band gegründet haben, fing ich auch nur damit an, weil sonst niemand den Gesangspart übernehmen wollte. Obwohl ich überhaupt nicht gerne sang, hab ich mich dann breitschlagen lassen. Es klang zunächst auch nicht besonders gut, deswegen habe ich vor sechs, sieben Jahren dann Gesangsunterricht genommen. Meine Lehrerin meinte: „Wieso singst du eigentlich so hoch? So kann das ja nichts werden.“ Ich habe ja auch eine tiefe Stimme, wenn ich spreche, da ist es nur sinnvoll, wenn ich dann auch SO (spricht in extra tiefer Stimmlage) singe. Es hat aber auch eine Weile gedauert, bis ich das rausgefunden habe.
Hast du Vorbilder, was den Gesang angeht?
Adam: Mein Lieblingssänger ist Eric Burdon von den Animals. Teils nur wegen seines Stils: (singt euphorisch die ersten zwei Zeilen von „House Of The Rising Sun“) Ich liebe es, wie er von tiefen zu hohen Tönen wechseln kann.
Auf „Good Morning, Magpie“ erinnerst du mich hin und wieder an Tom Waits, eventuell auch wegen der Musik auf „You Don't Miss Twice (When You're Shaving With A Knife)“, die schon sehr nach ihm klingt.
Adam: Oh, ja. Der Song war eigentlich als Witz gedacht. Ich habe zwei Wochen alleine im Wald gezeltet und dabei viele Songs geschrieben. Ich wollte einfach mal raus und nur schreiben können. Am Haus arbeiten, Interviews führen, eMails beantworten....Das alles wollte ich mal eine Weile nicht machen müssen. Dabei wurde ich dann sehr einsam (lacht). Eines Tages habe ich mich dann an einem Fluss mit einem Messer rasiert, was ich schon immer einmal tun wollte, und mich dann dabei ertappt, wie ich diesen Song vor mich hingesungen habe – nur um meine Stimme zu hören und mich selber aufzuheitern. Den Song hab ich dann zuhause Sarah (Balliet, Cellistin der Band, Anm. des Autors) vorgespielt, obwohl er gar nicht fertig war, so nach dem Motto „Hör dir mal an, was ich für einen Quatschsong geschrieben habe“. Ihr gefiel das Stück aber wirklich und sie wollte es unbedingt spielen. Ich hatte nie die Absicht, dass der Song auf's Album soll, aber wir hatten so viel Spaß dabei, ihn zu spielen.
Wo wir gerade beim Album sind: Da finde ich interessant, dass es mich in Teilen sehr an älteres Material wie „Who Will Survive...“ erinnert, es aber auch Elemente gibt, die man noch gar nicht von euch kannte. „On The Dark Streets Below“ ist ja fast Mariachi.
Adam: Also, wir wollten schon, dass das Album noch nach Murder By Death klingt, aber jede Platte soll auch etwas Neues beinhalten. Bevor wir das gleiche Album zweimal rausbringen, wollen wir lieber etwas riskieren. Solange Kreativität das übergeordnete Ziel ist, kann man eigentlich gar nichts falsch machen, das kann man nur, wenn das Ziel Geldverdienen oder so ist. Wenn das dann nicht funktioniert, hat man nichts vorzuweisen als ein lausiges Album.
Auf vorherigen Alben hattet ihr ja auch gerne übergreifende Konzepte, wie Rache auf „Red Of Tooth And Claw“. Steckt auch hinter „Good Morning, Magpie“ wieder eins?
Adam: Kein absichtliches. Später fiel mir auf, dass der Aspekt, dass ich alleine im Wald war, fast schon ein eigenes Konzept war. Ich war ja eigentlich nur zum Schreiben dort, und hinterher fiel mir dann auf, dass einige Songs beispielsweise von Natur handelten. Es hat dort tagelang geregnet, es war quasi ein Kampf zwischen mir und der Natur, und die letzten beiden Songs „White Noise“ und „The Day“ handeln mehr oder weniger davon. In „King Of The Gutters, Prince Of The Dogs“ wiederum geht es um Einsamkeit. Die ganzen Themen kamen also natürlich zu mir, eine coole Sache.
Die Geschichten, die du erzählst, scheinen aber auch immer in der Vergangenheit statt im Heute zu spielen.
Adam: Ja, das stimmt auch. Das ist nicht notwendigerweise beabsichtigt, aber vielleicht ist das einfach die Art und Weise, wie ich über Dinge nachdenke. Ich bin nicht sehr modern, ich empfange zuhause kein Fernsehen, bin nicht an Technologie interessiert...Ich fühle mich nicht wirklich wie ein moderner Bürger des Jahres 2010. Die Welt von Murder By Death ist aber auch irgendwie eine eigene Welt, und vielleicht ist die ja einfach altmodisch. Vielleicht eine Welt, die ich gerne hätte.
Viele der Themen sind aber sowieso zeitlos, oder?
Adam: Das nehme ich als Kompliment! Ich mag Songs über Wahres und nicht über temporäre Gefühle mit Inhalten wie „Oh, ich bin so traurig“. Deswegen erwähne ich auch nicht meinen iPod oder so in Songs – wobei ich aber auch gar keinen habe. Ich singe lieber über Symbole, mit denen Leute etwas anfangen können oder eine Geschichte mit Anfang und Ende.
Mir will es nie wirklich in den Kopf, dass ihr stets so ernste, dunkle Themen behandelt, während euer Bandname zwar ebenfalls dunkel, aber ebenso...
Adam: ...ein Witz ist, ja (lacht). Das ist wohl so, weil wir auch nicht so komplett ernsthaft sind, wie wir vielleicht sein könnten. Wir betrinken uns auch gerne und feiern. Manche Songs haben ja auch eine Art von Humor in sich, wenn auch einen dunklen, siehe „Shaving With A Knife“, über das wir ja schon gesprochen haben. Mit „Spring Break 1899“ ist es ähnlich: Ein sehr ernsthafter Song, aber gleichzeitig geht’s darum, sich einfach auf eine mitleiderregende Weise selbst auszulachen, wenn man sich schämt. Wir sind eben etwas zur dunklen Seite hingezogen.
Vor allem interessant am Hintergrund zu „Shaving With A Knife“ finde ich nun ja, dass viele sicherlich wer-weiß-welche tiefen Inhalte da hinein interpretieren möchten, obwohl der Song nur aus einem Witz entstanden ist.
Adam: Ja, genau. Ich dachte einfach: Entweder du schneidest dir aus Versehen den Hals durch und bist tot oder du schneidest dich weniger schlimm und willst dich dann nie wieder mit einem Messer rasieren (lacht).
Neben dieser dunklen Seite merkt man euch auch stets eure amerikanische Herkunft an, finde ich. Ein gewisser Americana-Stil schimmert immer durch eure Musik hindurch.
Adam: Wir sind ja auch eine Band aus dem Herzen Amerikas, umschlossen von Farmen und so. Kaum drei Minuten von meiner Wohnung sieht es so aus wie hier. Das macht eben einen Teil deiner Identität aus.
Wie würdet ihr denn anders klingen, wenn ihr aus einem anderen Land kämt? Deutschland oder Frankreich z.B.? Hier erwarte ich nicht unbedingt eine ernst gemeinte Antwort.
Adam: Oh, interessant. Weißt du, wir haben schon mit vielen deutschen Bands gespielt, die eigentlich gut zu uns gepasst haben. Vielleicht wären nur Nuancen anders. Gestern haben wir mit einer Chemnitzer Band namens „Calaveras“ gespielt – deutsch, aber sie klangen genau wie Calexico und hatten diesen Südweststil sehr gut drauf. Manche bekommen sowas hin.
Da du den Südweststil zuordnen kannst, was wäre denn „deutscher Stil“ für dich?
Adam: Weiß ich nicht! Wir spielen hier zumindest mit vielen dunkel klingenden Bands. Wenn wir hierzulande einen lokalen Support haben, ist der meistens super. Deutsche scheinen Musik wirklich zu lieben, das fiel uns immer auf. In den USA ist der Support oft nicht wirklich gut (lacht). Was französisch klänge, weiß ich auch nicht. Dort haben wir auch erst einmal gespielt, ich kenne keine französischen Bands.
Phoenix vielleicht?
Adam: Ich habe immer noch keine Musik von denen gehört. Ich höre nur von allen, dass sie mir nicht gefallen würden.
Wahrscheinlich nicht. Danke für das Interview!
Photo: Pressefreigabe Starkult
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