Interview

James Vincent McMorrow


James Vincent McMorrow ist ein Mensch, der sehr euphorisch und begeistert ist von den Leuten, mit denen er zusammen arbeitet und die ihm helfen, die Musik und die Ideen in seinem Kopf in die Wirklichkeit zu bringen. Gleichzeitig führen diese Euphorie und die hohen Ansprüche aber auch zu eigenen Enttäuschungen, zum Beispiel mit dem deutschen Label oder der Musikvideo-Macherin Aoife McArdee. Was genau da vorgefallen ist, lest ihr in unserem Interview.

Ich habe gelesen, dass du Aoife für deine Musikvideos angefragt hast, weil du ihr Video zu Jon Hopkins' "Open Eye Signal" gesehen hast. Ich finde das Video auch großartig. Ich mag die Stimmung darin – es passiert nicht viel, aber es ist dennoch ergreifend.

James: Ja, das sehe ich auch so. Es ist perfekt. Ich war schon immer ein großer Fan von Jons Musik. Als ich das Video gesehen hab, hab ich direkt versucht, heraus zu finden, wer es gemacht hat!

Und dann kommt sie auch noch aus Irland, genau wie du!

James: Ja, das war verrückt. Ich habe im Nachhinein heraus gefunden, dass unsere Großväter gerne zusammen getrunken haben! Das ist so eine Sache in Irland... jeder kennt jeden. Mein Großvater war ein Grenzwächter an der Grenze zwischen Irland und Nordirland, die es noch bis vor etwa 15 oder 20 Jahren gab. Er ging gerne in der Grenzstadt Carlingford trinken. Aoifes Großeltern gehörte das Pub, in das er ging. Das war ziemlich witzig, aber auch absurd, diese Geschichte zu hören.

Hast du deinen Großvater danach gefragt?

James: Mein Großvater ist schon lange verstorben, schon einige Wochen bevor ich überhaupt geboren wurde. Wir haben davon erfahren, weil Aoife ihren Eltern davon erzählt hat, dass sie gerade mit mir zusammen arbeitet und die meinten nur: Ach der, ja, unsere Familien kennen sich! Nur eine der skurrilen Geschichten, die man in Irland erlebt. Dank Jon Hopkins' Video habe ich also Aoife kennen gelernt.

Ich mag auch sehr gerne die Videos, die sie für dich gemacht hat! Sie sind sehr melancholisch und tiefgehend...

James: Ja, sie ist eine sehr tiefgehende Person. Sie tendiert zum traurigen Element des Lebens. Ich liebe das. Aoife ist toll, sie weiß genau, was sie will. Als ich sie kontaktierte und ihr sagte, ich möchte ein Video mit ihr machen, fragte sie, warum sie nicht gleich alle drei geplanten machen kann... Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt und ich habe zugestimmt. Ich respektiere sie und finde sie brillant, aber sie ist schwierig. Sie macht einfach ihr Ding, ohne nachzufragen. Sie hat Videos für Songs gemacht, für die wir gar kein Video machen wollten. Wir haben darüber gesprochen, dass sie das "Cavalier"-Video machen sollte – das hat perfekt funktioniert. Das nächste Video sollte für den Song "Gold" vom neuen Album gemacht werden. Eines Tages fuhr ich nach London, um sie zu treffen, und sie zeigte mir ein Video für "Red Dust", das zwar auch ein Song vom neuen Album ist, für den wir aber gar kein Video geplant hatten. Sie hat das einfach gemacht, ohne mich zu fragen. Es hat auch eine Menge Geld gekostet... das war ziemlich schwierig für mich. Aber ich liebe das Video, also musste ich es ihr verzeihen. Dann hat sie noch ein Video zum Song "Glacier" gemacht, das sehr düster und traurig ist. Ich empfinde den Song aber nicht als so düster. Ich wollte es leuchtender haben. Das "Cavalier"-Video ist auch ziemlich düster, aber es befolgt Regeln und Klischees, die funktionieren. Das war es auch, was sie in Jon Hopkins' Video so gut gemacht hat. Es ist ein sehr klischeehaftes Video. Die Idee eines Jungen, der mit dem Skateboard herum fährt... in den falschen Händen hätte das furchtbar enden können. Weil sie aber so gut in dem ist, was sie tut, hat sie es frisch und großartig rüber gebracht. Das war es auch, was ich am "Cavalier"-Video so gerne mag. Ein Junge, der im Strip-Club rum hängt. Auf dem Papier wirkt das ziemlich klischeehaft. Aber ich hab darauf vertraut, dass sie auch damit etwas Beeindruckendes erschaffen kann. Ich hätte gern gehabt, dass sie diese Geschichte weiter verfolgt, aber sie hat sich anders entschieden, und ich muss das akzeptieren. Aber das Problem ist, dass es, wenn du jemanden beauftragst, etwas zu tun und ihm dafür Geld gibst, schwierig wird. Ich liebe es, dass sie mir diese Videos gemacht hat, aber wir haben mit jemand anderem zwei weitere Videos gemacht – und das war eine wirklich schöne Erfahrung, denn dabei ist genau das heraus gekommen, was ich haben wollte.

In den anderen Musikvideos hast du also genau angesagt, was du haben möchtest und hast es auch so bekommen. Hast du dich vorher auch mit Aoife besprochen?

James: Ja, das habe ich! Ich hab die Videos während ihrer Bearbeitungsphase gesehen. Danach hat sie aber nochmals ganz viel verändert. Ich denke, Menschen wie Aoife brauchen jemanden, der sie beim Entstehungsprozess begleitet, um zu gewähren, dass sie beim Thema bleibt. Es hat so toll angefangen, aber dann wurde es einfach nur verrückt, weil sie jeden Tag neue Wege einschlug und sich an keine Abmachungen gehalten hat. Unsere Zusammenarbeit hatte dann auch ein recht trauriges Ende. Wir sprechen nicht mehr viel miteinander... aber das ist wohl auch ein Teil des künstlerischen Prozesses.

Ich habe mich gefragt, warum die Videos in den USA spielen und nicht z.B. in Irland?

James: Ich liebe es, wie die Dinge in Amerika aussehen... das war das Erste, über das ich mit Aoife gesprochen habe. Sie liebt die amerikanische Ästhetik auch. Sie hat einen Kurzfilm namens "Italy, Texas" über eben diese Stadt Italy in Texas gemacht. Der Film ist toll. Sie hat all diese Klischees, die man aus Amerika kennt, toll eingefangen. Der Regisseur Michael Bay kann das auch sehr gut, Stimmungen einfangen. Er hat all diese schlimmen Filme gemacht, wie Armageddon, Transformers oder Bad Boys. Schrecklicher Kram! Aber es sieht immer großartig aus! Denn er filmt nur zu ganz bestimmten Tageszeiten, früh am Morgen und spät am Abend, wenn die Sonne gerade aufgeht oder untergeht. Die Sonne ist also immer am Horizont, die Wirkung ist großartig! Ich liebe diese cheesy amerikanischen Visuals, es ist sehr episch. Man könnte so etwas nicht in Irland filmen. Wir haben keine Landstraßen, die lang genug sind, wir haben keine Täler, die düster genug sind, wir haben keine Straßen, die hell genug beleuchtet sind. Die Szene, in der der Junge mit der amerikanischen Flagge die Straße herunter läuft – es musste einfach die amerikanische Flagge sein. Es sieht einfach großartig aus. Die amerikanische Flagge weht besser als jede andere Flagge im Wind. Das klingt verrückt, aber wenn du nach Amerika gehst und in irgendeinem Vorgarten eine Flagge wehen siehst, sieht es einfach immer episch aus. Es sieht aus, als ob sie in Slow-Motion wehen würde. Das war eins der Dinge, über die wir anfangs gesprochen haben, dass die Videos in Amerika spielen müssen.

Zumindest hat sie sich daran gehalten.

James: Ja! (lacht)

Wo du über Texas spricht, kommt mir eine andere Frage. Du hast dein aktuelles Album "Post Tropical" in Texas aufgenommen. Dein erstes dagegen hast du in deinem Zuhause in Dublin aufgenommen. Macht es nicht einen riesigen Unterschied, eins der Alben zu Hause aufzunehmen und das nächste dann auf einem anderen Kontinent, in einer ganz anderen Umgebung, auf einer Farm in Texas?

James: Ja... da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Auf jeden Fall ist das anders. Das erste Album habe ich bei mir zu Hause aufgenommen, weil ich mir nichts Anderes leisten konnte. Ich hatte keine Wahl. Texas dagegen... ich wollte nicht unbedingt nach Texas, aber ich wollte ganz wo anders hin.

Wie kam es dann, dass du dort gelandet bist?

James: Einige der Leute, die mich in den USA managen, hatten auch gerade mit Animal Collective und Portugal. The Man zu tun, die dort auch aufgenommen haben. Dann kam noch ein wichtiger Punkt dazu. In den USA aufzunehmen, ist sehr teuer, die Studios in L.A., oder auch Studios in Frankreich, Deutschland, Belgien oder Island, die ich angefragt habe, waren sehr, sehr teuer. Dann kam auf einmal dieses Studio in Texas auf die Bildfläche. Als ich mit Tony sprach, dem das Studio gehört, hatte ich direkt ein gutes Gefühl – und es war unglaublich günstig, bei ihm aufzunehmen! Er macht diese Arbeit nicht für Geld. Aber er kann auch nicht so viel Geld verlangen, da es direkt an der Grenze zu Mexiko ist. Es ist recht isoliert und teils auch gefährlich. Also muss er es günstig anbieten, um die Leute dorthin zu holen. Einige der teureren Studios wären bestimmt auch qualitativ hochwertiger gewesen. Ich habe in Räumen aufgenommen, in denen du den Vogelgesang von draußen gehört hast. In der Nähe des Studios sind Zugschienen – wenn du jemals einen amerikanischen Zug gesehen hast, dann weißt du, wovon ich spreche – sie sind riesig und scheinen unendlich lang zu sein. Etwa alle ein bis zwei Stunden fuhr solch ein Zug dort entlang und man musste mit der Aufnahme aufhören, weil es so laut war. Es gab also auch ein paar Dinge, die anstrengend waren, aber insgesamt habe ich diesen Ort geliebt. Ich mag diese Verschrobenheit, ich mag es, dass du, wenn du genau auf die Klavierparts auf der Platte achtest, die Vögel aus ihrem Nest singen hören kannst. Wahrscheinlich kann man es gar nicht auf der Platte hören – aber ich weiß, dass es da ist und das ist cool. Die erste Platte entstand also eher aus einer Notwendigkeit heraus, bei der zweiten hatte ich die Wahl, wie die Aufnahmen sein sollten.

Und du hast es komplett selbst aufgenommen, alle Instrumente, bis auf die Klarinette?!

James: Ja, das hab ich. Nur Jay hat mich bei den Aufnahmen unterstützt, hat Klarinette gespielt. Das ist das einzige, das ich nicht spielen kann.

Wie viele Instrumente kannst du denn insgesamt spielen?

James: Ich weiß nicht... wenn du einmal anfängst, dich mit Saiteninstrumenten zu beschäftigen, kannst du sie eigentlich fast alle spielen. Ich kann so etwa zehn Saiteninstrumente spielen, vielleicht kann ich insgesamt so 20-25 Instrumente spielen. Aber ich bin kein wirklicher Profi. Das Einzige, was ich besser kann als die meisten Menschen, ist das Singen. Alles andere kann ich so gut, wie ich es können muss, um meine Stimme zu begleiten. Ich kann also so gut Klavier spielen, wie es sein muss, damit es funktioniert. Je häufiger ich es tue, desto besser werde ich aber. Anfangs konnte ich nicht gleichzeitig Klavier spielen und singen, denn ich habe beim Singen vergessen, Klavier zu spielen. Nun kann ich das. Wenn du dir eine Show von mir an siehst, wirst du merken, dass da viel Bewegung ist. Ich spiele Gitarre, Drums, Klavier, ... ich mach so einiges. Aber ich sehe mich nicht wirklich als Instrumentalmusiker, sondern als Sänger.

Da die Songs und Melodien alle in deinem Kopf entstanden sind, ist es da für dich schwierig, sie in die Hände anderer Menschen zu geben, z.B. an deine Band beim Live-Konzert?

James: Ja... das ist es und gleichzeitig aber auch nicht. Mit den drei Leuten, mit denen ich zusammen spiele, verbindet mich eine lange Geschichte. Sie verstehen meine Platten sehr gut und Jay hat die zweite Platte vor allen anderen Menschen gehört. Paul und Jill spielen schon seit Jahren mit mir. Es war natürlich schwierig, denn auf dem Album ist so viel los, und es ist schwierig, das auf vier Menschen runter zu brechen. Ich musste also schwierige Entscheidungen treffen. Die Songs sind live grundlegend anders als auf dem Album. Ich muss den Leuten also zutiefst vertrauen.

Und sie machen einen guten Job?

James: Ja, sie machen es toll! Sie sind richtig gute Musiker! Ich möchte, dass die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise laufen und sie haben Verständnis dafür (lacht).

Ich habe über "Post Tropical" gelesen, dass Emily Lazar es produziert hat...

James: Emily Lazar hat das Mastering gemacht.

Ah, ok. Jedenfalls habe ich gelesen, dass sie fast verrückt geworden ist aufgrund deines Perfektionismus...

James: Ja... weißt du, wir haben so viel Zeit in die Produktion gesteckt... ich habe es produziert und mein guter Freund und Techniker im Studio, Ross, hat mir dabei geholfen, es zu mischen, denn es war so ein außergewöhnliches Stück Musik, dass es schwierig gewesen wäre, es zum Mischen in andere Hände zu geben. Aber es hat uns Monate gekostet. Normalerweise braucht man vielleicht einen Tag für einen Song. Wir haben fünf Tage pro Song gebraucht... Wir waren also sehr tief in der Materie drin, ich hatte schon seit einem Jahr an dem Album gearbeitet. Dann kam Emily dazu, mit frischen Ohren. Ich habe sie kontaktiert, weil ich ihre Arbeit als Mastering-Technikerin liebe. Das Mastering kommt ganz am Ende des ganzen Prozesses. Ihr Job ist es, alles laut genug zu machen. So, dass du es gut auf dem iPod, auf dem Computer, auf deinen schlechten Lautsprechern im Auto, im Club, wo auch immer, hören kannst. Sie muss dafür sorgen, dass es in allen Formaten funktioniert. Es ist ein komplizierterer Job, als es einmal war. Wir haben so lange an den Details der Platte gearbeitet und dann kam sie und hat es alles einfach laut gemacht, so dass die ganzen Details verloren gingen. Also musste sie wieder von vorne anfangen. Wir hatten so unsere Schwierigkeiten (lacht). Sie ist brilliant und sie hat es am Ende super hin bekommen, aber ich glaube, sie hat unterschätzt, wie nervig wir sein werden. Das Mastering sollte eigentlich nur zwei, drei Tage dauern, aber es hat sie einige Wochen gekostet – was eine lange Zeit in ihrer Welt ist. Ich glaube, es hat sich gelohnt, denn es war eine der besten Sachen, die sie je gemastert hat. Alles, was sie sonst tut, ist, die Sachen einfach nur groß und laut zu machen – sie macht Foo Fighters und Vampire-Weekend-Alben, wunderschöne Alben, aber alles, was sie tut, ist, sie laut zu machen. Bei meinem hat sie es hinbekommen, es laut und dennoch nuanciert zu machen. Sie hat also einen großartigen Job gemacht. Ich glaube, dass sie jetzt auch sagen würde, dass es sich gelohnt hat. Es gab leider einige Missverständnisse zwischen den Leuten, die für sie arbeiten und den Leuten, die für mich arbeiten... denn es haben zu viele verschiedene Leute darüber gesprochen, was zu verfehlter Kommunikation führte und es nachher alles dramatischer aussehen ließ, als es war.

Von wegen Missverständnisse... bevor ich dich jetzt kennen gelernt habe, hatte ich ein wenig Panik vor dem Interview... denn im Mail-Kontakt kamst du etwas merkwürdig rüber. Es war nicht klar, ob ich ein Diktiergerät benutzen darf und erst recht nicht, ob wir Fotos machen dürfen... ich habe mich gefragt, ob du es bist, der so "besonders" ist, oder ob es alles nur falsch rüber kommt...

James: (lacht) Das ist furchtbar! Das kommt nicht von mir! So langsam wird es aber auch richtig anstrengend und enttäuschend, denn Deutschland ist das einzige Land, in dem es zu solchen Schwierigkeiten mit dem Label kommt, denn sie machen anscheinend keinen guten Job. Es ist sehr enttäuschend, denn ich liebe es, nach Deutschland zu kommen, aber es wird schwierig, wenn sie sich ständig so ungeschickt anstellen. Wir waren jetzt vier Mal auf Tour in Deutschland und jedes Mal gab es solche Schwierigkeiten.

Kannst du nicht mal mit den Leuten sprechen?

James: Naja, sie werden nicht viel daran ändern. Ich habe tolle Erfahrungen mit den Leuten der Labels in anderen Ländern machen können. Es gibt immer gute und schlechte Erfahrungen. Die allermeisten machen einen großartigen Job. Aber dann gibt es da Leute, die verstehen es einfach nicht und sie scheinen es auch nicht verstehen zu wollen. Sie verstehen mich als Künstler scheinbar nicht. Vielleicht denken sie auch, dass das, was ich tue, nicht wert ist, verstanden zu werden – obwohl der Rest der Welt es versteht! In anderen Ländern spielen wir vor drei- bis viertausend Menschen... in Deutschland kümmern sie sich nicht darum. Und es ist so schade, weil ich es liebe, hier her zu kommen, aber es wird darauf hinaus laufen, dass es schwierig wird, überhaupt her zu kommen, weil unsere Bühnenproduktion so groß ist und so viele Leute auf unserer Tour zusammen arbeiten. Wenn wir nun aber die Wahl haben, hier her zu kommen und vor 800-900 Leuten zu spielen – versteh mich nicht falsch, ich liebe es, vor kleinerem Publikum aufzutreten, aber es muss auch alles irgendwie finanziert werden – oder wir gehen nach Kopenhagen und spielen dort vor mehr als 2000 Menschen... dann kann es sein, dass wir in Zukunft einfach mehr Shows in Dänemark machen werden. Ich wollte nie an einen solchen Punkt kommen und es ist wirklich traurig, aber ich habe echt hart daran gearbeitet, es zu verändern... aber wenn du dich mit Leuten auseinander setzt, die zu Hause Sum-41-Platten hören, die dich als Künstler nicht verstehen, wird es sehr anstrengend. Aber trotz allem hatten wir tolle Shows hier, in Hamburg und Berlin hatte ich unter anderem die besten Shows der Tour!

Du hast so viele Fans in Deutschland, die lieben, was du tust... vielleicht solltest du dir einfach klar machen, dass du es für diese Leute tust...

James: Ja, und das ist es, was ich tue. Darum kommen wir immer wieder zurück. Anfang des Jahres haben wir sehr kleine Shows hier gespielt, die super schnell ausverkauft waren, Monate vorher schon. Es war super enttäuschend, weil wir gerne mehr Menschen erreicht hätten, aber es wurden einfach zu kleine Locations gebucht. Es ist also viel Bescheuertes passiert, womit ich mich in keinem anderen Land auseinandersetzen muss. Aber ich mache weiter, denn ich liebe es, für die Leute in Deutschland zu spielen. Es ist keine Frage, dass ich weiterhin herkommen möchte – aber es ist einfach enttäuschend. Und es ist enttäuschend, dass du diese Befürchtungen vor dem Interview hattest. Ich bin nämlich überhaupt kein Arschloch! (lacht) Ich bin einfach froh, hier zu sein und mit dir zu sprechen und ich werde mir so viel Zeit wie nötig dafür nehmen!


Photo Credit: Elisabeth Moch

Das freut mich sehr. Du hast gerade über die große Bühnenproduktion gesprochen. Hast du auch deinen eigenen Lichttechniker dabei?

James: Ja, wenn du nachher zur Show kommst, wirst du es sehen! Wir haben eine großartige Lichtshow, mit einer 3D-Leinwand. Es ist richtig, richtig gut. Das war mein großer Plan, etwas ganz Besonderes zu erschaffen. Das visuelle Element in der Show ist sehr wichtig... es ist ein fünftes Bandmitglied auf der Bühne. Conor Jacob ist unser Lichttechniker, er macht all die Effekte live bei der Show und er ist großartig! Es waren noch weitere Leute am Prozess vorher beteiligt, ein Typ namens Mick und Anthony Murphy haben die 3D-Karte im Hintergrund entworfen, aber Conor ist derjenige, der es ausführt. Es ist toll geworden und ich mag es sehr!

Woher kam die grundlegende Idee für diese Lichtshow?

James: Conor, ich und einige andere Leute haben uns zu Hause getroffen und aus meiner ersten Idee dies hier erschaffen. Ich bin ein großer Fan vom Lichttechniker Michael Brown, er arbeitet mit Leuten wie Grizzly Bear, The National und Wilco zusammen. Conor mag Michaels Arbeit auch sehr gerne und sie sind zudem befreundet. Vor etwa einem Jahr haben wir angefangen, uns Gedanken darüber zu machen, wie etwas visuell absolut beeindruckend sein kann, aber auch transportabel. Denn wenn du in den USA auf Tour gehen möchtest und mit diesem ganzen Zeug fliegen musst, muss es das sein. Also haben wir die Dinge so entwickelt, dass sie transportabel sind, da man sie zusammenfalten kann. Ich bin sehr stolz darauf, dass es funktioniert hat! Es ist etwas, was die Leute überwältigt, denn niemand erwartet solch eine Lichtshow.

Du hast mal gesagt, dass du eher eine Show als einen Gig machst. Ich nehme an, dass es genau so aussehen wird, wie eine große Show. Fühlt es sich ein wenig an wie Theaterspielen? Mit dem ganzen Bühnenbild und dem genauen Ablauf der Dinge?

James: Ja, genau so ist es. Der Unterschied zwischen Gig und Show ist mir ziemlich wichtig. Einer der Leute, die für mich arbeiten, Phil, hasst das Wort "Show", er mag das Wort "Gig". Ich dagegen mag das Wort "Show" und kann "Gig" nicht ausstehen (lacht). "Gig" fühlt sich an wie ein Haufen Jungs auf der Bühne, die da irgendwas machen. Ich mag es, wenn es einen Anfang, eine Mitte und ein Ende hat, wenn eine Show sich aufbaut. Ja, es ist ein wenig wie Theater oder wie ein Film, es ist alles geplant. Wir ändern auch nie die Setlist, um sicher zu gehen, dass es funktioniert, dass jeder intuitiv schon weiß, welches Instrument er greifen muss. Wenn du die Setlist veränderst, veränderst du den Flow. Wenn du etwas hast, das funktioniert, wenn die Lichter dazu perfekt abgestimmt sind, dann solltest du es nicht ändern, sondern es höchstens noch perfektionieren.

Es gibt durchaus Bands, bei denen es wichtig ist, dass sich die Setlist jedes Mal verändert, denn das bringt wiederum einen anderen Flow. Aber ich kann mir vorstellen, dass es bei dir so genau richtig ist.

James: Ja, so ist es. Bei uns muss aber alles abgestimmt sein. Es ist eine große Show, wir spielen 20 Songs.

Ich habe dich vor etwa drei Jahren beim Haldern Pop Festival gesehen...

James: Oh mein Gott, das war großartig! Im Spiegelzelt war das! Das war eine richtig gute Show! (lacht)

Ich habe mich nur gewundert, dass die Shows sich so sehr voneinander unterscheiden!

James: Ja, sie sind komplett unterschiedlich, obwohl immer noch die gleiche Energie da ist.

Beim Haldern warst du alleine auf der Bühne. Ein Folk-Sänger mit seiner Gitarre. Ich habe das Gefühl, dass auch insgesamt das zweite Album eine ganz andere Richtung anschlägt.

James: Ja, auf jeden Fall! Ich glaube ja, dass es nie wirklich Folk in meiner Musik gab, sondern nur den Fakt, dass ich eine Gitarre und einen Bart hatte (lacht). Aber es ist so, wie ich schon von meinem ersten Album berichtet habe. Es war mehr eine Notwendigkeit als das Verlangen, es so zu tun. Ich bin immer unglaublich ambitioniert, aber gleichzeitig auch realistisch. Ich konnte es mir einfach nicht leisten, mit einer Band zu touren. Es gibt nur drei oder vier Songs auf dem ersten Album, die wirkliche Gitarrensongs sind... es sind aber große, dramatische Songs. Ich bezeichne mich selbst ganz gerne als Power-Balladen-Sänger (lacht). Ich bin immer sehr emotional in dem, was ich tue. Ich mag es, wenn Songs mich fangen, wenn sie große, emotionale Momente haben. So sind auch die Songs, die ich schreibe. Ich weiß auch, warum die Leute auf die Idee gekommen sind, dass ich ein Folk-Musiker bin. Die meisten Folk-Bands gebrauchen ähnliche Instrumente und haben ähnliche Ideen, bezogen auf ihre Musik. Aber ich habe zum Beispiel eine Mandoline benutzt, ohne sie im Folk-Kontext zu gebrauchen, oder ich habe ein Banjo genutzt, da ich seinen Klang mag. Aber ich habe einen Song wie "If I Had A Boat" damit gespielt, der so unfolkig ist, wie er nur sein könnte. Auf dem neuen Album nutze ich Instrumente, mit denen ich mich noch wohler fühle. Das dritte Album, an dem ich schon angefangen habe zu arbeiten – ich mag keine Freizeit, ich arbeite immer weiter (lächelt) – es wird die gleichen Instrumente und Sounds haben, aber es wird noch größer werden.

Wirst du mit jemandem kooperieren, oder wünschst du es dir?

James: Nun, ich habe mit vielen Leuten an deren eigenen Platten gearbeitet. Zum Beispiel Denai Moore. Ich liebe ihre Songs! Oder auch Duke Dumont. Dann habe ich noch mit einem amerikanischen Rap-Elektronik-Projekt namens Moors gearbeitet, es wird da auch einen gemeinsamen Song auf der Deluxe Edition von "Post Tropical" geben, die im November kommt. Ich arbeite mit verschiedenen Leuten zusammen. Wo ich mir recht sicher bin, ist, dass ich jemanden als Produzenten fürs neue Album dazu holen werde. Ich hab nicht mehr die mentale Kapazität, das auch noch zu tun (lacht). Desto mehr ich mich aufs Songwriting und auf größere Ideen fokussiere, desto weniger Energie habe ich dafür übrig, das Album zu produzieren. Ich habe dank der guten Rückmeldungen, die ich über "Post Tropical" bekommen habe, eine nette Liste guter Leute, die ich kontaktieren kann. Wir werden sehen, was passiert (grinst).

Wie wäre es mit Flying Lotus?

James: Ich liebe Flying Lotus, ja! Ich glaube aber, dass er sich auf einer anderen musikalischen Ebene befindet, als ich es tue. Ich liebe seine Musik, aber meine ist direkter und einfacher. Es wäre wahrscheinlich ziemlich anstrengend, mit ihm zusammen zu arbeiten.

Aber eine Zusammenarbeit mit Sufjan Stevens könntest du dir gut vorstellen?

James: Ja, Sufjan Stevens ist toll! Ich weiß nicht, ich komme in den letzten Tagen ständig auf ihn zu sprechen! Er arbeitet auf jeden Fall in einer Welt, die meiner musikalischen Welt viel ähnlicher ist. Er ist ein großartiger Künstler und einer der ersten, die mir die Liebe zur Musik gezeigt haben. Ich kenne ihn leider nicht, aber er ist meiner Meinung nach der Musiker, der zur Zeit die meisten Musiker auf der Welt beeinflusst hat. Jeder, mit dem ich bisher zusammen gearbeitet habe und den ich kenne, würde gerne mit Sufjan zusammen arbeiten!

Geht mir genauso, ich würde natürlich auch gerne mal mit ihm zusammen arbeiten (alle lachen). Ich habe deinen neuen Song "When I Leave" vor ein paar Tagen gehört und fand es schön, was du dazu geschrieben hast. Es geht in dem Song darum, so zu tanzen, wie du tanzt, wenn dich niemand sieht. Wann hast du das das letzte Mal getan?

James: Ich tanze sehr viel! (lacht) Ich habe hier im Raum vorhin noch getanzt (grinst), oder heute morgen im Bus. Wir tanzen da oft. Ich liebe es zu tanzen. Ich bin ein Soul und R'n'B-Sänger, ich glaube, das kommt noch dazu. Ich liebe es, mit meinen Freunden zu tanzen, mich zu betrinken, Spaß zu haben. Ich wollte einen Song schreiben, der ehrlich ist, in dem es um das geht, was im Alltag zählt. Einer meiner liebsten Songs der letzten Jahre ist "Climax" von Usher. Es geht dabei um echtes, reales Zeug. So, wie dieser Song ist, sollte R'n'B viel häufiger sein, ist es aber leider nicht.


Photo Credit: Elisabeth Moch

Du hast darüber gesprochen, dass du mit deinen Freunden ausgegangen bist, zum Tanzen. Machst du das immer noch? Und stimmt es, dass du seit ein paar Jahren keinen Alkohol mehr trinkst?

James: Nun, ich trinke von Zeit zu Zeit mal was, aber nicht wirklich, wenn wir auf Tour sind. Während ich auf Tour bin, bin ich etwas langweilig (lacht), denn ich bin immer am Arbeiten. Es wäre blöd, sich auf der Tour wegzuschießen. Unsere Tour ist relativ entspannt. Aber wir können uns auch mal wegschießen... vielleicht ist heute die Nacht der Nächte, vielleicht wird es in Köln wild werden (lacht).

Und dann musst du am nächsten Morgen auch noch früh aufstehen... ich hab wegen des Titels deines ersten Albums "Early In The Morning" darüber nachgedacht, was wohl für dich früh am morgen bedeutet... welche Uhrzeit ist das für dich?

James: Ahh, schwierig! Wenn wir auf Tour sind, stehe ich nicht wirklich früh auf, weil ich nicht gut schlafe. Ich kann im fahrenden Bus nicht schlafen, also schlafe ich erst um 5 oder 6 ein und wache gegen 10 wieder auf. Wenn ich zu Hause bin, stehe ich früh auf, gegen 8. Ich hab das früher gehasst, so früh aufzustehen. Ich habe bis 1 Uhr mittags geschlafen und bin bis 5 morgens wach geblieben. Nun würdige ich den Morgen etwas mehr. Es ist immer noch nicht meine liebste Tageszeit, ich mag es zum Beispiel lieber, nachts zu arbeiten. Aber ich bin offener für die Möglichkeiten, die man hat, wenn man früh aufsteht (lacht).

Wir werden alle älter (lachen).

James: Ja, älter und weiser (lacht). Das Leben ist zu kurz, es gibt noch so viel, was ich tun möchte... darum muss ich früh aufstehen (lacht). Ich war mal ein ziemlicher Faulpelz, nun arbeite ich viel. Das hat aber auch mit Verantwortung zu tun. Ich bin jetzt der Boss von so vielen Leuten! Alleine auf Tour bin ich für zehn Leute verantwortlich, in Irland gibt es nochmal zehn Leute, die für mich arbeiten, dann gibt es nochmal 30-40 Leute, die direkt mit meiner Arbeit verbunden sind, für die ich auch verantwortlich bin. Es gibt also nicht wirklich die Option, lange auszuschlafen, denn ich muss mich darum kümmern, dass es weiter geht. Aber ich mag es, der Boss zu sein (lacht). Ich mag es, Musik zu machen, mit den Leuten zusammen zu arbeiten. Ich bin da ohnehin auch recht ambitioniert und möchte das noch lange machen.

Wie lange noch?

James: So lange, wie die Leute es mich tun lassen. Ich habe so viele Pläne, so viele Alben in mir. Ich fange gerade erst an, das zu tun, was ich eigentlich tun möchte. Ich sehe nicht alles als selbstverständlich an, also muss ich auch hart dafür arbeiten.

Ich hab noch eine Frage, die nicht von mir kommt, sondern aus meinem Interview-Buch, in das ich immer eine Frage vom interviewten Künstler für den nächsten schreiben lasse... und nun wird es etwas peinlich (James lacht)... die Frage kommt von der deutschen Band Die Nerven und sie lautet: Welches war das erste Musikvideo, zu dem du masturbiert hast?

James: Keins! (lacht) Was?! Wer würde denn zu einem Musikvideo masturbieren?

Die Band! (alle lachen)

James: Wofür gibt es denn Pornografie? Du brauchst doch keine Musikvideos, zu denen du masturbieren kannst... (lacht). Das ist wirklich absurd. Meine Antwort ist also: keins, denn ich bin mit einem Computer aufgewachsen, wofür gibt es denn das Internet?!

Naja, das war nicht die tiefgründigste Frage, die mir je eine Band hier ins Buch geschrieben hat.

James: Definitiv nicht (lacht). Aber sie hatten bestimmt ihren Spaß dabei!

Ja, den hatten sie. Aber nun wäre es nett, wenn du eine Frage für den nächsten Künstler aufschreiben könntest...

James: Lass mich darüber nachdenken... vielleicht können wir erst die Fotos machen und ich denke über eine Frage nach...

Wir gehen also raus aus dem Backstage-Bereich, um die Portraits zu machen. Während wir das Foto-Equipment wieder zusammen packen, entschuldigt sich James, um in aller Ruhe seine Frage zu notieren. Die lautet schließlich: "Gibt es einen Musiker, den du so sehr ablehnst, dass du deswegen schon einmal in Frage gestellt hast, selbst Musiker zu werden?". Beantworten möchte James die Frage selbst nicht, ist aber schon gespannt, ob jemand Anderes so mutig sein wird, es zu tun.

Marlena Julia Dorniak

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Rezension zu "We Move" (2016)
Rezension zu "Post Tropical" (2014)
Rezension zu "Early In The Morning" (2011)
Interview (2016)

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