Rezension

Young Knives

Superabundance


Highlights: Fit 4 U // Turn Tail // I Can Hardly See Them
Genre: Brit-Rock // Pop
Sounds Like: Hard-Fi // Arctic Monkeys // Bloc Party // Franz Ferdinand // The Cooper Temple Clause

VÖ: 28.03.2008

Wie wäre es mit einem kleinen Experiment? Hier der Plan: Wir suchen uns einen geeigneten Probanden, vorzugsweise jemanden, der sich in der britischen Musik der letzten fünf Jahre entweder nur dürftig oder am besten überhaupt nicht auskennt, gitarrenlastiger Kost generell aber nicht abgeneigt ist. Und dann machen wir folgendes: Wir geben ihm Alben der üblichen Britrock-Verdächtigen, also Franz Ferdinand, Arctic Monkeys, Futureheads, Rifles, und wie sie eben alle heißen. Allerdings packen wir auf diese „Mixtapes“ noch ein, zwei Songs von den Young Knives mit drauf. Wenige Hördurchgänge später kann die Auswertung starten. Hat der/die Auserkorene mitbekommen, dass da zwei verschiedene Bands am Werk waren? Wohl eher nicht – zumindest sofern die Quelle der Young-Knives-Nummern „Voices of Animals and Men“, das Fast-Debütalbum der drei Geeks aus den englischen Midlands, war. Andy Gill von der Gang of Four am Mischpult, aber die Futureheads ständig im Nacken – an sich ansprechende Songs bekamen so einen faden Déjà-Vu-Beigeschmack.

Das soll sich auf „Superabundance“ ändern, und zwar gehörig. Schließlich hat Bassist Thomas „The House Of Lords“ Dartnall, der sein Alias der Tatsache verdankt, dass er innerhalb der Band ständig Vetos einlegt, auch „keinen Bock darauf, der nächste bepisste MOR-Act zu werden, mit dem die Musikindustrie ihre Jeans beschmiert“. Leichter gesagt als getan in der NME-Hypezone, auch ohne das seit kurzem weggefallene „The“ im Bandnamen. Vor Allem, wenn das Label (so geschehen beim ersten Album), neuerdings sogar mit Major-Support, so ziemlich alles als Single auskoppelt, was sich auch nur ansatzweise dafür zu eignen scheint. Ohne das mit einer negativen Wertung belegen zu wollen, die adäquate Strategie, um mit Thomas’ Vorstellungen konform zu gehen, sieht anders aus.

Aber die Musik, die haben die Young Knives ja zu großen Teilen noch selbst in der Hand. Also Album in die Anlage, auf Play gedrückt, und gleich nach ein paar Minuten erste Zweifel am Vetorecht des „House of Lords“ gehegt. Zu marginal sind die Veränderungen, um die Versprechungen von Thomas Dartnall für voll nehmen zu können. „Fit 4 U“ – klingt wie aus „Favourite Worst Nightmare“ von den Arctic Monkeys entliehen. „Terra Firma“ – siehe oben und ersetze Arctic Monkeys durch Franz Ferdinand. Um Missverständnissen vorzubeugen: beides sind gute Songs, interessant beispielsweise durch den fast durchgehend dreistimmigen Gesang, und zugleich auch reifer geworden in der Ausführung. Nur, von der zahlreichen Konkurrenz abheben wird man sich damit nicht auf dem wohl umkämpftesten Musikmarkt Europas.

Doch was ist das? Zu Albumhälfte dann tatsächlich die Überraschung. Nein, gemeint ist nicht „Light Switch“, in dem die Young Knives unbeabsichtigt und wohl auch nicht ganz ohne ironischen Unterton die „Du bist Deutschland“-Kampagne unter dem Namen „You Are The Light Switch“, zu Deutsch „du bist der Lichtschalter“ imitieren, sondern „Turn Tail“. Alle Register der melodramatischen, groß angelegten Inszenierung von Popsongs, inklusive 16-köpfiges Orchester, werden hier gezogen. Zum einen kommt das zwar reichlich kitschig rüber, verkörpert aber auf der anderen Seite auch genau den Bruch, der vielleicht auf dem ersten Album noch gefehlt hat. Gerade weil der Song, etwa durch seine 2 Refrains und die Brachial-Bridge gewöhnlichem Radio-Pop deutlich überlegen ist.

Es kommt aber noch besser. Direkt im Anschluss überraschende Wendung Nummer zwei: „I Can Hardly See Them“ schwingt sich mit polternden Drums und ultraverzerrten Gitarren zum düsteren Noise-Kracher auf. Danach hat sich die Band eine kleine Pause redlich verdient. Leider dauert diese aber bis zum Ende des Albums an, außer solider, gleichwohl unspannender Kost, die sich meist in ruhigeren Fahrwassern bewegt, passiert nur noch wenig Erwähnenswertes. Trotz der Tatsache, dass dem Motorrad auf dem Cover sinnbildlich vor der Zielflagge schon der Sprit ausgeht, zeigen die Young Knives auf „Superabundance“, dass es ihnen durchaus nicht an Potential mangelt. Vielleicht mit dem nächsten Longplayer zwei und nicht nur ein Jahr warten, mehr Songs schreiben, weniger auskoppeln und dafür nicht zwanghaft die Dreiviertelstunde Spielzeit vollstopfen – das wäre doch mal eine Strategie für die Zukunft. Und das ganz ohne Veto vom britischen Oberhaus.

Johannes Neuhauser

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