Rezension
Villagers
The Art Of Pretending To Swim
Highlights: Art Of Light // Sweet Saviour // Real Go Better
Genre: Orchestrale Pop-Elektronik
Sounds Like: John Grant // Unknown Mortal Orchestra // Stornoway
VÖ: 21.09.2018
Man kann ja so einiges vortäuschen, aber schwimmen vorzutäuschen, wenn man es nicht kann, das ist fast eine größere Kunst als das Schwimmen an sich. Für Conor O´Brien, der Person hinter Villagers, ist es die Kunst des Lebens selbst, die er durch den Titel beschreibt: „It’s how I see life; you’re not drowning but you’re not exactly swimming either; you’re making it all up as you go along. It’s a blind faith”. O‘Brien war in seiner Kindheit sehr gläubig und hat für alle Menschen in seiner Umgebung täglich gebetet. Später, in seinen Teenagerjahren, wurde er zum Atheisten. Doch so langsam wandeln sich seine Ansichten wieder: „Now I have this strong urge to believe. Call it love, togetherness, God, whatever. But you can’t argue with faith, which is a terrifying prospect! Though there’s a lot of beauty in it too“, so O´Brien. Schönheit, Glaube, aber auch existentielle Ängste und Ehrfurcht vor den neuen Technologien, Liebe und Hoffnung, das sind einige der Themen, die auf dem neuen Villagers-Album „The Art Of Pretending To Swim“ aufkommen.
Anders als alle bisherigen Villagers-Alben ist das neue nicht mehr im zurückgezogenen Farmhaus entstanden, sondern in einem kleinen Dachgeschossraum, in seiner neuen Wohnung mitten in Dublin. Nicht nur der Ort der Entstehung hat sich verändert, auch der Prozess. Zum ersten Mal hat O´Brien sich selbst ans Mixen und an die Produktion seiner Songs gewagt. Dafür hat er ein analoges Mischpult von James Holden persönlich gekauft. O´Brien hatte die unbändige Lust, etwas Neues zu lernen, zu experimentieren und seine Musik groovelastiger, wärmer und gleichzeitig tanzbarer werden zu lassen. Möglicherweise bezaubert durch die Wirkung des Mischpults und der Inspiration durch die technoiden Songs von James Holden ist ihm das auch an einigen Stellen gelungen: „Real Go-Better“ klingt fast wie eine wilde The-Notwist-Kollaboration, wenn die Elekronikfunken sprühen und der Song zerlegt und wieder zusammengefügt wird. Im Vordergrund treibende Drums und quäkende Rhythmen, im Hintergrund seicht über alles gelegt eingängiger Gesang. „‘Cos since I got better // I’m a real go-getter” erklingt da mantrahaft, bis der Akku leer ist und der Song mit einem Stocken und noch ein paar einzelnen Lauten abbricht.
Was ebenfalls für ein Villagers-Album neu ist, ist das Nutzen von Samples. So gibt es „Sugar Lee“ von der Soullegende Donnie Hathaway, oder Gospel-Ausschnitte von The Dixie Hummingbirds zu entdecken. Und obwohl O´Brien das Allermeiste selbst kreiert und zusammengebracht hat, hatte er auch die ein oder andere Unterstützung in persona dabei. Da wären zu nennen: Maaike van der Linde an der Flöte, Cormac ÓhAodáin am Horn, Cormac Curran an den Synths, die irische Brassband The Greenhorns oder auch Siobhán Kane, die dem Track „Long Time Waiting“ ihre Stimme schenkt. Wie gewohnt ist die musikalische Qualität des Albums herausragend. Wunderschöne Kompositionen, Songs, die mit ihrer Eingängigkeit am Pop vorbeischrammen, ohne zu aufdringlich zu wirken, abwechslungsreiche Arrangements. Und über allem Conor O´Briens Stimme. Es scheint, als hätten Villagers-Alben keinen Grund, irgendetwas vortäuschen zu müssen. Mit der Musik klappt es also perfekt – jetzt gilt es nur noch für O´Brien, im Leben selbst auf keinen Fall unterzugehen.
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