Rezension

The War On Drugs

Lost In The Dream


Highlights: Red Eyes // An Ocean In Between The Waves // Eyes To The Wind // Burning // Lost In The Dream // In Reverse
Genre: Folk-Rock // Shoegaze // Psychedelic
Sounds Like: Bob Dylan // Destroyer // Bruce Springsteen // Neil Young // Kurt Vile

VÖ: 14.03.2014

Seit über zwei Jahren ist „Slave Ambient“, das letzte Album von The War On Drugs, nun schon dabei. Es begleitete gemeinsame schöne Erlebnisse mit Freunden, einsame Abendstunden, wichtige Ereignisse, große und kleine Reisen. Und gewann über all die Zeit eher an Reiz, als ihn zu verlieren. Denn es füllte sich mit Erinnerungen, persönlichen Geschichten und witzigen Anekdoten. Daran, dass es auch irgendwann ein weiteres Album der Band geben könnte, war nicht zu denken. Und dann rollte Ende 2013 auf einmal „Red Eyes“ über einen hinweg. Ein ekstatisches Gewitter, das Euphorie geschürt hat.

Euphorie auf „Lost In The Dream“, das Nachfolgealbum von „Slave Ambient“. Das Album, das „Slave Ambient“ noch übertrifft. Adam Granduciel, Mastermind der Band, hat sich tatsächlich noch gesteigert. Weil er sich nicht im Erfolg gesuhlt hat, sondern einfach weiter Musik gemacht hat. Denn das ist eben das, was er macht. Zum Glück. Wenn man „Lost In The Dream“ das erste Mal hört, möchte man am liebsten sofort einen VW-Bus kaufen, alle seinen besten Freunde hineinstopfen, die Platte auflegen, und losfahren. Einfach irgendwohin. Das Album beflügelt.

The War On Drugs vereinen geschickt wie nie viele Dinge, die an Musik seit 1970 gut waren. Die melancholisch-optimistischen Texte hätte Neil Young nicht besser schreiben können. Dazu der breite, losgelöste Sound, der an Bruce Springsteen erinnert. Und letztlich der Gesang im Stile Bob Dylans. Das alles vereint Granduciel und macht es zu etwas neuem Besonderen. Etwas, das nur so strotzt vor Spielfreude und beim Hörer damit unmittelbare Euphorie auslöst. Verschiedene Klangschichten liegen übereinander; Orgeln, eine Harmonica, ein Rhodes. Sie vereinen sich zu einem Sound, in dem sich selbst die direktesten Songs im Reichtum ihrer Klangebenen erst nach mehreren Hördurchgängen voll offenbaren („Red Eyes“, „Suffering“, „Burning“). Der Sound ist offen und bietet allem einen Raum, wie etwa einem hinwegsinkenden Orgelsolo am Ende von „Suffering“. Diese Geduld für alles, was da so klingt, ist essentiell für den Hörgenuss. Fast kein Song dauert weniger als sechs Minuten, keiner fühlt sich länger als drei Minuten an. So etwa das großartige, losgelöste „Eyes To The Wind“. Wenn Granduciel „Have you fixed your eyes to the wind // will you let it pull you in again // on the way back in“ singt, weiß man, dass dieser Song alle Reisen ab sofort begleiten wird. Nicht zuletzt das Saxophonsolo am Ende dieses Songs erinnert an das Album „Kaputt“ von Destroyer. Vom Gefühl und von den Inhalten her fühlt sich „Lost In The Dream“ an wie ein Verwandter dieser Platte.

Ganz besonders macht den Sound der Band, dass in die schwebende Grundatmosphäre hinein ganz geschickt Akzente gesetzt sind, sei es durch einen angeschlagenen Akkord, der durch die Ebenen bricht (z.B. „Burning“) oder eine kurze Synthiemelodie („Red Eyes“). Mal singt Granduciel nahezu völlig losgelöst von der Musik, nur um dann wieder eine mit ihr vereinte Betonung zu setzen. Oder ob der Spielfreude einfach kurz hinter eine Strophe zu jauchzen. „Lost In The Dream“ ist so keine Sekunde belanglos oder langweilig, denn man spürt jeden Ton. Vor allem spürt man, wie Granduciel ihn spürt. Das verbindet einen für die Länge des Albums mit seinem Horizont und lässt daraus mehr entstehen, als das Album selbst enthält. Exemplarisch sei hierzu das großartige „Burning“ zu nennen, gerade die zweite Strophe und ihr Übergang in den Refrain sind die pure Ekstase („Cross the burning in your heart // wide awake to redefine the way // you’re listening to dark dreams starting“).

Völlig über sich hinaus wächst „Lost In The Dream“ auch mit dem vierten Song, „An Ocean In Between The Waves“. Wie er sich aufbaut, von Minute zu Minute steigert, ist atemberaubend. Und das nur, um am Ende zu implodieren. Vermutlich wusste Granduciel selbst nicht, was danach noch kommen soll. „I’m the dark and you’re the sun // and there’s haze right between the trees // and I can barely see you // you’re and ocean in between the waves“. An diesem Song hat er ein Jahr gearbeitet, nur um dann alles wegzuwerfen und in wenigen Tagen neu zu machen, kurz vor der Plattenfirmen-Deadline.

Doch Spielfreude und Euphorie macht noch nicht alleine ein überdurchschnittlich gutes Album. „Lost In The Dream“ ist, wie der Titel schon suggeriert, vor allen Dingen ein tiefgründiges Album. Das vermittelt schon das Cover, welches Granduciel leicht verschwommen bei sich zu Hause am Fenster zeigt. Durch den Nebel fliegen Erinnerungen an vergangene Zeiten ins Zimmer. Granduciel ist ein hadernder, zweifelnder Mittdreißiger, mitunter geplagt von Ängsten. „Lost In The Dream“ bedeutet auch, verloren zu sein in den Straßen Philadelphias, zwischen Freundschaften, Erinnerungen und Begegnungen. Granduciel formt seinen Erfahrungsschatz gemeinsam mit seinen besten Freunden und Bandmitstreitern zu etwas Großartigem, zu einem Weg in die ungewisse Zukunft.

Lost in the dream // or just the silence of a moment“ beginnt der behutsame, emotionale Titelsong der Platte. „Love’s the key to the games that we play // but don’t mind losing“. Wie oft die einfachsten Wahrheiten die schönsten sind. Wenn man sie nur erkennt. Wie dieser Song wird auch das nach ihm benannte Album bleiben. Inmitten der Mitte der siebziger Jahre veröffentlicht wäre dies eines der Alben, die man heute noch beachten würde. „Lost In The Dream“ wirkt, in dem was es auszulösen vermag, letztlich größer als Adam Granduciel selbst. Es wird Teil des Lebens vieler Menschen werden, die es hören und sich dabei in Träumen verlieren. Und deshalb hat seine Geschichte mit der Veröffentlichung erst begonnen.

Daniel Waldhuber

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