Interview
The War On Drugs
Das Gebäude 9, just noch von der Schließung bedroht, hat gerade einen frischen Zehn-Jahres-Vertrag erhalten. Als wäre das nicht schon genug Grund zur Freude, spielt hier heute auch noch die mittlerweile zum Sextett gewachsene Band um Adam Granduciel. Es ist uns eine Freude, mit ihm zu sprechen. Bestens aufgelegt und in Erzähllaune begegnet er uns nach dem Soundcheck an der Bar des Gebäude 9. Es entwickelt sich ein intensives Gespräch, das viel länger wird, als geplant.
Es freut mich, dass ihr wieder in Europa seid. Wie fühlt es sich an, wieder zurück zu sein?
Adam: In Europa zu spielen, ist, als ob ein Traum wahr werden würde. Für mich persönlich – aber auch für alle anderen in der Band. Reisen ist ein großer Teil unseres Lebens. Schon bevor ich ein tourender Musiker war, war ich in Europa, sogar in Deutschland. Ich habe einen Freund in Bremen besucht – 1998. Wir sind durch ganz Europa gereist. Es war eine schöne, auf eine Art auch romantische Reise. Aber jetzt hier rüberzukommen, so viele Male wie wir schon hier waren, als Band, um Musik zu spielen, das ist großartig.
Schön.
Adam: Total. Das klingt jetzt cheesy, aber Touren fühlt sich an, als wäre das "eine große Welt". Wir haben mit "Lost In The Dream" schon in Amerika getourt, sind jetzt zu sechst auf der Bühne. Ich freue mich so darauf, das Gleiche jetzt hier zu machen, auch mit voller Band, nicht nur zu viert wie früher. Es freut mich so, das, was wir machen, überall hinzubringen. Und so viel Musik, die wir lieben, ist europäisch. Deutsche Musik aus den 70ern, 80ern, britische Musik aus den 60ern. Und die Länder sind auch schön, es ist eine andere Kultur. Überall, wo wir hinkommen, kochen sie uns riesige Dinner. Die Umstände der Konzerte hier in Europa sind so anders als in den USA.
Oh, das ist interessant. Also ist es schön, wieder auf Tour zu sein – besonders in Europa.
Adam: In Amerika natürlich auch. Es ist immer gut, wieder auf Tour zu sein – überall. Hier ist es genauso aufregend wie in Amerika, aber auf eine andere Art und Weise.
Und es ist eine schöne Tour, die ihr spielt. Sie endet beim Primavera Sound Festival in Barcelona, was ein wirklich großartiges Festival ist.
Adam: Oh ja, darauf freuen wir uns sehr. Unser Konzert dort vor zwei Jahren war eine tolle Show, wir hatten viel Spaß dort.
Mit einer neuen Tour bringt ihr auch eine neue Platte nach Europa – "Lost In The Dream". Ich habe viele Interviews mit dir gelesen und mir überlegt, wie ich Fragen stelle, deren Antwort ich nicht schon kenne, es dabei aber gleichzeitig für unsere Leser spannend halte. Also dachte ich mir, ich frage dich exemplarisch zur Entstehung eines bestimmten Songs. Ich habe mir "In Reverse" ausgesucht, vielleicht mein Lieblingssong auf der Platte. Wie der Song sich langsam aus dem Meer an Geräuschen aufbaut, dieses im Hintergrund nie aus den Augen verliert, finde ich spannend. Mich würde wirklich interessieren, wie der Song entstanden ist.
Adam: Oh, das ist eine gute Frage. Denn genau das ist ein Song, der sich während des Aufnahmeprozesses ständig veränderte und gerade zum Ende hin noch einmal eine Wendung nahm. Ich habe ihn auf der Akustikgitarre geschrieben, damit ein paar frühe Demos aufgenommen. Aber ich kam nicht davon los, irgendwas fehlte noch. Ich wurde regelrecht süchtig nach dem Song, machte es mir zum Auftrag, ihn noch besser zu machen. Eines Nachts war ich in North Carolina und arbeitete mit Jeff (Zeigler, Produzent, Anm. der Red.) an verschiedenen Songs. Ich baute eine Drum Machine auf, und wir nahmen den Song auf fünf oder sechs verschiedene Arten, die ich mir über die Monate ausgedacht hatte, auf, ich improvisierte den Text.
Du improvisierst die Texte anfangs?
Adam: Ja, aber das war früh. Naja – am nächsten Morgen hörte ich mir die Takes an, sie klangen alle wunderschön, es war ein großartiges Studio. Ich entschied mich dann einfach für das dritte Take. Das war das Arrangement, das letztlich auf der Platte landete. Darauf baute ich dann über die nächsten Monate immer mehr auf, Drums, Synthesizer. Als wir den Song dann gemixt hatten, klang er gut, aber irgendein Kniff fehlte noch. Die ganze Zeit waren die Drums zu hören! Ganz am Ende des Mixens sagte ich: Nimm die Drums raus! Nimm alles raus, außer die Synthies! Und als ich es das erste Mal so hörte – wow, das fühlte sich großartig an. Die ganzen Synthies, die Slide-Guitar und meine Stimme. Und ganz plötzlich war es dieses wunderschöne Etwas.
Interessant.
Adam: Ja. Und dann dachte ich, es wäre eine gute Idee, wenn die Drums zum ersten Refrain reinkommen würden. Also nahmen wir sie bis dahin raus. Eigentlich waren sie ja die ganze Zeit dabei. Aber wie der Zufall es so will, hatte Charlie (Hall, Drummer der Band, Anm. der Red.) genau zu diesem Zeitpunkt ein Becken geschlagen. Deshalb klingt es jetzt so, als würde er da erst einsteigen, mit diesem Beckenschlag. Dabei hat er schon die ganze Zeit gespielt. Genauso ist es mit meiner Gitarre – ich hab die ganze Zeit schon gespielt.
Stimmt, man kann die Gitarre ganz leise im Hintergrund schon hören.
Adam: Genau. Jedenfalls passte so dann irgendwie alles zusammen. Als wir diesen Kniff mit dem Muting hatten, war der Rest einfach. Die zweite Strophe, die dritte Strophe, wie es dann ein bisschen ruhiger wird und die letzte Strophe sich völlig öffnet. Es passierte einfach. Das war schön, denn ich hatte den Song, bis er fertig war, nie als Ganzes betrachtet, mit Ambient-Intro und dem ganzen Schnickschnack. Ich hab einfach ein paar Ideen zusammengebastelt.
Also hast du den Song bei der Entstehung weniger geplant als ihn einfach im Gefühl gehabt und darauf gehört.
Adam: Ja, genau. Ich habe zwischen den ganzen Möglichkeiten und Ideen, die es zu dem Song so gab, irgendwie nach Gefühl die Art herausgefunden, die sich am besten angefühlt hat. Das ist wirklich ein gutes Beispiel für die Art, wie unsere Musik entsteht, wie es uns Spaß macht, daran zu arbeiten. Und auch dafür, wie die Musik am Ende daraus profitiert, wie wir an die Songs herangehen. Obwohl diese Synthiesounds eigentlich für den Hintergrund geplant waren, habe ich sehr penibel an ihnen gebastelt. Ich habe immer nur eine Note pro Take gespielt. Pro Take hab ich dann immer den Sound perfektioniert. Drei Takes – also drei Töne – verschmelzen jetzt immer zu einem Akkord. Deswegen klingt das jetzt so gut, auch, wenn es letzten Endes allein dasteht. Es klingt so, als würde ich es auch wirklich so meinen. Obwohl es sich erst gen Ende dahin entwickelt hat.
Schön. Und wie hast du den Text geschrieben? Woher nimmst du deine Inspiration dafür?
Adam: Es gab eine frühe Version, bei der ich einfach improvisiere. Nach und nach kommen dann Bausteine dazu, der Text entwickelt sich immer weiter. Und dann beim Mixen entstehen die endgültigen Texte für alle Songs.
Oh, wow. Vorher sind die Texte nur improvisiert? Als wäre die Stimme einfach ein weiteres Instrument?
Adam: Manche mehr, manche weniger. Bei manchen Songs habe ich um die 80% der Texte vor dem Mixen fertig, vollendet werden sie dann.
Ich hab zum Beispiel gelesen, dass du bei "Lost In The Dream" die ganze Zeit schon diese ersten beiden Sätze hattest: "Lost in the dream // or just the silence of a moment". Du wusstest immer, dass der Song so beginnen würde.
Adam: Genau. Und der Rest kam dann nach und nach dazu. Bei "In Reverse" zum Beispiel hatte ich die Zeile "...and I don't mind you disappearing // when I know you can be found" von Anfang an. Manche Zeilen, wie z.B. "it evaporates and fades like a black parade" sprudeln auch einfach so aus meinem Mund, einfach so im Moment, wenn ich bei einem der Takes improvisiere. Und ich bin dann überrascht, und denke: "Wow, cool". Die Zeile etwa habe ich mir dann nochmal angehört, sie direkt nochmal präziser aufgenommen. Aber sie ist inhaltlich genauso geblieben, wie sie aus dem Moment entstanden ist. Sowas passiert mir irgendwie einfach. Wenn ich auf ein Blatt Papier schaue, bekomme ich nichts hin. Aber in dem Moment, in dem ich den Song spiele, Kopfhörer auf, vergesse ich einfach alles und die Dinge passieren. "Oh, das ist eine tolle Zeile. Oh wow, das hört sich an, als hätte ich das und das gesungen." Und dann singe ich es einfach.
Schön, wie die Musik einfach ein Produkt des Moments ist. Das spürt man nämlich auch, wenn man sie hört.
Adam: Adam: Ja. Aber das mag jetzt alles so einfach klingen, als würde mir alles leicht von der Hand gehen. Im Gegenteil, das ist genau, warum das Songwriting bei mir immer so lange dauert. Ich plane nie einen Song mit wunderschönem Ambient-Intro, dann steigt die Band ein, und der Text ist eh schon längst geritzt (lacht). Ich packe einfach einen Haufen Ideen zusammen und schaue, was über die Zeit passiert, probiere Dinge aus. Das ist Musikmachen, wie es mir riesigen Spaß macht. Du nimmst einfach Dinge auf, Geräusche, Ideen, über ein Jahr hinweg. Dann hast du dieses ganze Zeugs und kannst dir etwas daraus basteln und ihm dabei zugucken, wie es wächst.
Ich habe eine Menge über diesen Entstehungsprozess der Platte gelesen. Du alleine in deinem Haus, völlig abgeschottet und so auf eine Art auch losgelöst von allem. Du sagtest mal, dass "Lost In The Dream" ab einem gewissen Zeitpunkt größer als die Platte selbst wurde. Da habe ich mich gefragt, ob vielleicht diese Losgelöstheit von allem, das Runterfahren auf die Basis von allem, was irgendwie bedeutsam ist, einen Zustand erzeugt, in dem man etwas erschaffen kann, zu dem jeder einen Bezug schaffen kann. Etwas, das für jeden irgendwie bedeutsam sein kann, weil es Raum für jeden bietet, den er mit eigener Bedeutsamkeit füllen kann. Eine Platte, die größer ist als sie selbst.
Adam: Das ist ein schöner Gedanke. Ich war so besessen von der Platte, es fühlte sich gar nicht mehr so an, als würde ich an ihr arbeiten. Ich war die Platte, ich war in ihrem Innersten. Es war nicht so, dass ich völlig abgedreht wäre und auf negative Art und Weise besessen von ihr. Sie war das Einzige, was ich hatte. Für alles, mit dem ich in meinem Privatleben zu kämpfen hatte, nutzte ich die Platte als Ausdrucksform. Aber es war gar nicht so, als dass ich damit letztlich großartig zu kämpfen hatte. Der eigentliche Aufnahmeprozess war eine gute Zeit. Es war nie so, als hätte ich einen Song nur mit Mühe fertigstellen können. Nur wenn ich nicht im Studio war, hatte ich große Schwierigkeiten, mein Leben zu genießen, irgendetwas zu genießen. Es war schwer für mich, nicht ein emotionales Desaster zu sein. Wenn die Zeit kam, ins Studio zu gehen, dann ging es mir nicht großartig – aber ich konnte all diese Gefühle in die Musik stecken.
Gut, dass du so einen Weg gefunden hast, damit umzugehen. Etwas, das dich erleichtert.
Adam: Ja. Ich glaube, die Platte ist persönlich, aber nicht befremdlich für andere. "Lost In The Dream" handelt nicht von mir, ist zwar persönlich – aber nicht auf mich bezogen. Sie dreht sich um die Idee von Schwierigkeiten allgemein (schmunzelt).
Das ist vielleicht das, was du mit einer Platte, die größer ist als sie selbst, meintest. Jeder kann einen Bezug zu ihr herstellen, weil sie nicht nur von dir handelt.
Adam: Ja, genau. Sie handelt nicht von irgendetwas Speziellem, die Musik war einfach ein Weg für mich, auszudrücken, was ich fühlte. Sie klingt ja nicht einmal düster, es ist irgendwie eine Art Pop-Rock... Musik halt einfach. Ich habe nicht versucht, ein trauriges Album zu machen, sondern einfach awesome rock music. (Gelächter)
Vielleicht einigen wir uns darauf, dass es einfach gute Musik auf Kosten von Alleinsein und emotionalen Tiefen ist.
Adam: Genau. Ich habe einfach darüber gesungen, wie ich mich fühlte, da kam ich auch gar nicht drumherum.
Mir ist etwas Interessantes aufgefallen: "Lost In The Dream" ist vielleicht mein Lieblingsalbum seit einer Platte von 2011 – "Kaputt" von Destroyer. Die beiden Alben fühlen sich für mich wie Cousins oder etwas Ähnliches an, sie haben so viele Gemeinsamkeiten. Beide haben diese freie Art zu texten, beide sind mehr oder weniger den Wirrungen eines Typen entsprungen...
Adam: Weißt du, dass wir mit Destroyer richtig gut befreundet sind? Wir haben vor ein paar Jahren zusammen getourt.
Ja, ich weiß.
Adam: Wir haben 2011 zusammen getourt, ganz kurz bevor "Slave Ambient" erschien. Eine große Amerikatour, genau als "Kaputt" gerade veröffentlicht war. Das war großartig, wir waren damals eine ganz andere Band, noch vierköpfig. Mit Destroyer auf Tour zu sein, war ein großes Glück, denn wir konnten jeden Abend diese große achtköpfige Band sehen. Das hat mich inspiriert. Und für "Lost In The Dream" sind wir jetzt sechs in der Band. Ich habe von dieser Tour damals viel gelernt. Klar, Dan (Bejar, Mastermind von Destroyer, Anm. der Red.), hat diese Platte gemacht. Aber dann musst du noch einen Schritt weiter gehen und die Platte auch präsentieren – auf die richtige Art und Weise. Das ist extrem wichtig, denn sonst kannst du es auch gleich bleiben lassen. Warum sollten wir also wieder nur zu viert nach Europa kommen? Wenn du diese ganze Musik gemacht hast, dann musst du sie auch mit letzter Konsequenz präsentieren. Es muss sich richtig anfühlen, so wie du es machst. Diese sechs Leute haben auf "Lost In The Dream" gespielt. Sie sind Teil der Platte, also sind sie auch Teil davon, wie sie präsentiert wird.
Schön – meine Frage wäre gewesen, ob Dan Bejar dich inspiriert hat. Scheinbar schon.
Adam: Ja, ich habe wirklich viel gelernt auf dieser Tour (lacht). Es geht nicht nur darum, die Musik einfach live runterzuspielen. Die Musik muss so präsentiert werden, wie sie es verdient.
Wir haben jetzt noch zwei Minuten. Eine Frage noch – wir haben ja über Platten gesprochen, die größer sind als sie selbst. So zu tun, als wüsste ich nicht, dass Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Neil Young dich inspiriert haben, wäre schräg. Aber was sind spezielle Platten, die für dich größer sind, als sie selbst?
(Adam überlegt)
Ich bin zum Beispiel auch ein großer Neil-Young-Fan, und eine dieser Platten für mich wäre "Everybody Knows This Is Nowhere".
Adam: Genau, die zum Beispiel. Das ist eine großartige Platte. Ich habe heute morgen noch eine Menge Neil gehört.
Schön.
Adam: Ich meine, diese drei Typen sind natürlich nicht meine einzigen Einflüsse...
Klar.
Adam: ...aber wenn wir schon über sie reden: "Blood On The Tracks" (von Bob Dylan, Anm. der Red.) oder "Darkness On The Edge Of Town" (von Bruce Springsteen, Anm. der Red.). Einfach nur, weil das dieselbe Idee wie bei "Lost In The Dream" ist. Die beiden sind unglaublich persönlich, aber nicht befremdlich für den Hörer. "Blood On The Tracks" ist der abgefuckteste Trennungssoundtrack überhaupt, es ist so persönlich. Aber wenn du es hörst, projizierst du immer deine eigenen Schwierigkeiten hinein. Du denkst niemals: "Fuck, Bob Dylan hasst seine Frau." Es sind immer diese persönlichen Geschichten, die größer sind als der, der sie geschrieben hat. Bei manchen Songwritern zum Beispiel sind die Texte so persönlich, dass das nicht funktioniert. Nick Drake, Mark Kozelek.
Stimmt. Vor allem Kozelek ist unglaublich persönlich und direkt berührend.
Adam: Ja. Wenn er düster wird, das ist anders. Es ist immer noch schön, aber viel persönlicher. Vielleicht denken wir das auch nur, weil "Blood On The Tracks" und "Darkness On The Edge Of Town" riesengroße amerikanische Alben sind. Aber vielleicht sind sie es auch genau deswegen.
Um sie herum ist für jeden eine individuelle Geschichte entstanden.
Adam: Genau – und die Platte ist ihr Anfangspunkt. Sie wurde jeweils nicht als Therapie genutzt, sondern Bob und Bruce wollten immer noch einfach großartige Musik machen.
Wir sind schon über die Zeit – um zu einem Ende zu kommen: Ich habe "Lost In The Dream" rezensiert, und da habe ich genau das über die Platte geschrieben: Dass ich glaube, dass das eine Platte ist, die für jeden eine persönliche Geschichte anstößt. Und deshalb größer wird, als sie eigentlich ist.
Adam: Oh, das wäre cool (lacht).
Also, vielen Dank für deine Zeit, es war toll, mit dir zu sprechen. (Die Zeit ist mittlerweile seit fünf Minuten abgelaufen.)
Adam: Oh, gerne, das hat Spaß gemacht. Hättest du noch mehr Fragen? Frag doch einfach weiter deine nerdigen Fragen, wenn du magst, die Zeit macht mir nichts (lacht).
Puh, gerne, ich schau mal kurz nach (kurze Pause). Oh, ja. Das ist jetzt natürlich etwas zusammenhangslos. Wenn man die Songs hört, dann ist da immer diese Grundatmosphäre, auf der alles aufbaut, das Grundgerüst des Songs und natürlich der Gesang. Und dann gibt es häufig kleine Akzentuierungen, kleine Melodien etwa der Gitarre, zum Beispiel in der ersten Strophe von "Red Eyes". Manchmal schwebt der Gesang einfach frei über dem Song, aber an diesen kleinen Stellen verbindet er sich immer mit ihm. Ist das bewusst so gemacht?
Adam: Oh, auch das passiert einfach.
Interessant. Denn für mich sorgt genau das dafür, dass man als Hörer die Platte wirklich fühlt, jeden Ton, ganz bewusst.
Adam: Ich glaube, der Grund dafür ist auch ganz einfach der Entstehungsprozess: Ich verbringe so viel Zeit mit dem ganzen Zeugs. Überarbeite Melodien, spiele so viele verschiedene Gitarrentakes ein. So habe ich zum Beispiel eine frühe Gitarrenmelodie, ändere dann aber nochmal die Gesangsmelodie und die frühere Gitarrenmelodie passt nicht mehr. Diese kleinen Sounds, die du meinst, sind Artefakte, Überbleibsel früherer Ideen, von denen ich mich nicht vollständig trennen konnte. Ich denke dann: Wow, diese Gitarre von vor zwei Monaten klingt jetzt echt bescheiden. Aber dieser eine Lick ist super. Und dann landet der eine Lick im finalen Mix. Ich habe so viele kleine Schnipsel an Pianomelodien, Synthiesounds, und so weiter. Eine Ansammlung vieler kleiner Momente.
Also sind diese Akzentuierungen Überbleibsel des Prozesses.
Adam: Ja, genau. Und das macht die Platte komplett. Es klingt nicht nur wie sechs Typen in einem Raum, die zusammenspielen. Die Songs werden von einer Sammlung kleiner Ideen zu einer großen Idee.
Und wie probt ihr so etwas dann? Denn dann seid ihr ja "sechs Typen in einem Raum".
Adam: Oh, in der jetzigen Band ist jeder wirklich musikalisch und so nah am Aufnahmeprozess gewesen. Ich teile immer die aktuellsten Mixe, so dass es ganz einfach ist, wenn es letztlich soweit ist, dass wir für eine Tour proben. Jeder hat über Monate mitbekommen, wie die Songs gemeint sind und in welche Richtung wir damit live gehen könnten. Und so kann jeder auch live kleine Momente einstreuen. Die proben wir dann nicht explizit, sondern wie bei der Entstehung der Platte passieren sie einfach. So ist jede Show anders. Manchmal drehe ich bei den Gitarrensolos mehr ab, manchmal weniger (lacht).
Schön – ich bin gespannt, wie es heute wird. Ich denke, wir sollten zu einem Ende kommen. Ich könnte noch lange weiterfragen, aber das sollte erstmal reichen. Vielen Dank für deine Zeit, es hat mir wirklich Spaß gemacht, mit dir zu sprechen.
Adam: Schön, mir auch.
Ich freue mich aufs Konzert und auf den Auftritt beim Primavera Sound Festival und wünsche dir bis dahin eine schöne Tour.
Adam: Ja, endlich geht es wieder los. Die US-Tour ist ja schon über einen Monat her. Wir haben gestern schon für das holländische Fernsehen gespielt, aber heute ist endlich wieder eine Clubshow.
Witzig, im holländischen Fernsehen. Ich gehe auch zu eurem Konzert in Amsterdam im Oktober.
Adam: Oh, cool. Im Paradiso. Das wird großartig.
Ja, das ist mein Lieblingsvenue in Europa.
Adam: Und wir haben noch nie im großen Saal gespielt. Das wird etwas Besonderes für uns. Du kannst mich dann den Rest deiner Fragen fragen, wenn du willst!
Gute Idee. Warum nicht.
Das Konzert macht dann später fast noch mehr Spaß als das Gespräch. Die Band ist in unglaublicher Spiellaune. Man merkt, was Adam meint, wenn er sagt, dass man eine Platte so präsentieren muss, wie sie es verdient. "Lost In The Dream" wird ungemein druckvoll vorgetragen, man hat zeitweise das Gefühl, dass man die Luft im Gebäude 9 zerschneiden könnte. Die alten Songs sowie ein Cover eines Bill-Fay-Songs streuen sich perfekt in das zweistündige Set – ein großartiger Auftakt für eine Europatour, die beim Primavera Sound Festival zwei Wochen später furios endet.
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Rezension zu "Lost In The Dream" (2014)
Rezension zu "Slave Ambient" (2011)
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