Rezension
The Felice Brothers
Yonder Is The Clock
Highlights: Penn Station // Sailor Song // Run Chicken Run // Boy From Lawrence County
Genre: Americana // Country // Folk
Sounds Like: Bob Dylan // The Band // Bruce Springsteen // Tom Waits // Willie Nelson
VÖ: 24.04.2009
Auch ohne Rentnerfloskeln bemühen zu wollen, bleibt einem in Zeiten von postmoderner Reizüberflutung und wirtschaftskrisen- und schweinepestbedingter Existenzsorgen manchmal nichts anderes zu sagen als: Früher war doch alles besser. Vielleicht nicht unbedingt in den 90ern - der Dekade vieler schlimmer Frisuren - oder den 80ern - der Dekade vieler schlimmer Musik -, aber doch bestimmt in den 70ern (viele tolle Musik), 60ern (freie Liebe) oder 50ern (heile Welt und Wunder von Bern). So mancher mag sich sogar noch weiter in die Vergangenheit wünschen, wenn man die Musik der Felice Brothers so interpretieren darf. Denn auch deren viertes Album „Yonder Is The Clock“ klingt wieder, als sei es zu Zeiten der großen Depression aufgenommen worden.
Dieser Schluss lässt sich nicht daraus ziehen, dass die Stimme von Sänger Ian Felice mal wieder eine unheimliche Ähnlichkeit mit der von Bob Dylan aufweist - so alt ist der gute Mann nun schließlich auch wieder nicht. Die von Ian - einem der drei Felice-Brüder in der Band - besungenen Themen ließen sich schon eher in dieser Ära verorten, sind aber häufig schlicht und einfach zeitlos: Geschichten von Außenseitern, Verbrechern und verlassenen Liebenden.
Den Unterschied macht die Mentalität: Während heutzutage die kleinen und großen Probleme des Lebens gerne dadurch erst recht unnötig mit Bedeutung aufgeladen werden, dass ihnen auch noch verweinte Musik von geschminkten Intersexuellen gewidmet wird, wären solche Heulsusen in den guten alten Zeiten [Schwarz-weiß-Malerei-Mode: OFF] noch mit der zuverlässigen Schrotflinte aus der Ortschaft gejagt worden: Denn nichts wird dadurch besser, dass man es beweint, und auch das Schicksal eines Vagabunden klingt gleich viel weniger negativ, wenn man es in einen Song wie „Penn Station“ verpackt: Was schon fröhlich mit beschwingten Gitarren- und Orgeltunes beginnt, fidelt sich zwischendurch gar zu einem Stück, das auch auf einem Flogging-Molly-Konzert die Stimmung nicht drücken würde.
Wirklich perfekt geeignet für „Barn Party Hits Vol. 20“ ist neben „Penn Station“ jedoch nur die erste Single „Run Chicken Run“: Die beste Orgelmelodie, die in den 20er Jahren nie geschrieben wurde, Bläser, Backgroundgesänge und ein Rhythmus, zu dem noch der größte Redneck die Dorfschönheit (also die mit mehr als 15 Zähnen) auf die Tanzfläche entführen könnte. Ansonsten geben sich die Felice Brothers auf „Yonder Is The Clock“ ruhiger als noch auf dem nach der Band benannten Vorgänger: Die ruhige Pianonummer „Sailor Song“ könnte auch aufgrund des Gesangs als Hommage an Tom Waits verstanden werden, „Buried In Ice“ behandelt mit dem lebendigen Einfrieren eine in der Musik eher ungewöhnliche Thematik und bei „All When We Were Young“ wird ausnahmsweise mal Ians Bruderherz ans Mikro gelassen. Eher ruhig und gefühlvoll sind alle diese Lieder, und doch weit von trister Melancholie entfernt.
Dass nicht 13 Songs auf „Yonder Is The Clock“ Hits sind, ändert nichts daran, dass den Felice Brothers auch mit Werk #4 wieder eine im Großen und Ganzen wunderbare Platte gelungen ist, die aber wahrscheinlich wieder einmal kaum Aufmerksamkeit genießen wird - in einer Zeit, in der amerikanische Musik anscheinend entweder hippiesk klingen oder von Männern mit ungepflegten Bärten vorgetragen werden muss, um bei Freunden ruhiger Töne Anklang zu finden. Früher, ja früher wären die Felice Brothers sicherlich schon längst die größte Band des Landes. Ach ja, früher war doch alles besser...
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