Rezension

The Felice Brothers

Life In The Dark


Highlights: Aerosol Ball // Plunder // Dancing On The Wing
Genre: Folk
Sounds Like: Bob Dylan // The Band // The Beatles

VÖ: 24.06.2016

Anachronismus: So nennt man das zum Beispiel, wenn ein Schauspieler in „Ben Hur“ vergisst, die Armbanduhr abzunehmen oder im dritten „Fluch Der Karibik“ ein Junge eine Zahnspange trägt. Peinlich, wenn es unabsichtlich passiert, witzig, wenn es Absicht ist – wenn also beispielsweise die Felice Brothers in ihrem Musikvideo zu „Aerosol Ball“ Schwarz-Weiß-Aufnahmen einer Showtänzerin aus den Fünfzigern zeigen, nur um dann einzublenden, dass man dieser bei Twitter folgen solle. Oder wenn man genauer drüber nachdenkt... mittlerweile eigentlich ziemlich oft, wenn die Band einen Song schreibt.

Die Stichwörter für die musikalische Einordnung der Band, ja, die bleiben (vielleicht mit Ausnahme des düster-elektronischen „Celebration, Florida“) seit jeher die gleichen: Scheunenparty, Bob Dylan, Gefiedel, Moonshine. Nur die Inhalte ihrer Songs vermischen traditionellere oder auch einfach „zeitlose“ Thematiken immer öfter mit gewitzt eingestreuten modernen Motiven. So entsteht dann auch einmal ein kleiner Hit wie „Plunder“, der seine Weltpremiere dazu noch in einem beliebten Podcast über eine Art Wüsten-Twin-Peaks feiert – auch das passt in der Welt der Felice Brothers mittlerweile irgendwie.

Denn die Band aus Upstate New York hat mittlerweile ihre eigene Nische eröffnet und es sich darin bequem gemacht. Dementsprechend ist „Life In The Dark“ auch nicht viel mehr als ein weiteres Album, das bestätigt, was man über die Felice Brothers weiß: Am besten sind sie eigentlich immer, wenn sie die Tonkrüge mit den XXX drauf zum Feiern und nicht zum melancholischen Schwelgen herausholen (hier etwa bei „Aerosol Ball“), auf jedem Album gesellen sich neben Kandidaten für das nächste Folk-Mixtape auch immer Songs, die unter „ferner liefen“ laufen und wirkliche Neuerungen sind dann doch die Ausnahme – hier der achtminütige Closer „Sell The House“, der gegen Mitte des Songs dann noch einmal eine 180°-Stimmungskurve durchmacht. Ansonsten liefern die Felice Brothers auch auf ihrem siebten Album solide ab, verbiegen sich nicht und haben noch kein wirkliches Formtief durchlaufen. Und all das ist in dieser Zeit vielleicht ihr markantester Anachronismus.

Jan Martens

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