Rezension

Silversun Pickups

Neck Of The Woods


Highlights: Bloody Mary (Nerve Endings) // Here We Are (Chancer) // Mean Spirits // Simmer
Genre: Art-Rock // Indie
Sounds Like: The Smasing Pumpkins // We Were Promised Jetpacks // Minus The Bear

VÖ: 15.06.2012

Die stabilste Form kommt immer noch aus dem Huhn. Ja, das Ei ist einer dieser Geniestreiche von Mütterchen Natur. Stöße verteilt es optimal auf die gesamte Oberfläche und schützt dabei den Dotter – die perfekte Kugel. Und obwohl’s erstmal danach aussieht: Kein Ei gleicht dem anderen. Zur Überleitung: Die Silversun Pickups haben mit „Neck Of The Woods“ eine Platte wie einen Karton mit elf dieser Frühstücksrenner aufgenommen – im Gesamtbild eine einheitliche Packung, beim genauen Blick ein bunter Haufen.

Und ehrlich: Diese Leistung ist beachtlich. Nach 'nem Grammy und dem Auftritt bei „Germany’s Next Top Model“ (!) waren Befürchtungen allgegenwärtig. Wenn die sich jetzt anbiedern? Oder mit Vorsatz scheiße werden?! Noch runzliger wurde die Stirn gar, als Jacknife Lee (R.E.M., U2, Snow Patrol) im Produzentenstuhl Platz nahm. Aber, nein! Alles Schmarrn. Die Entscheidung für Lee war richtig. Denn der hat der Band zwar ihren vielschichtigsten und fettesten Sound spendiert, ihr aber kein Struktur-Korsett verpasst. Im Gegenteil: Die Songs auf „Neck Of The Woods“ fallen tatsächlich noch üppiger und formoffener aus als auf dem Vorgänger „Swoon“.

Völlig verwinkelt startet direkt „Skin Graph“. Fast kakophonisch baut sich der Song auf, hangelt sich am Breakbeat entlang. Fast zu gelassen ist der Opener – bis plötzlich doch die Gitarre aufheult. „Skin Graph“ gibt die Richtung vor: „Neck Of The Woods“ will den hügeligen, riskanten Weg zum Gipfel – zum Henker mit der Sicherheit! Digitale und organische Beats verschmelzen, die Gitarre ist aus Kristall und schießt gleißende Lichtstrahlen. „Here We Are (Chancer)“ startet so minimalistisch wie nie und entwickelt sich kühn und stetig weiter, „Mean Spirits“ ist ein flotter, gewichtiger Rocker. Die Vier aus der Stadt der Engel loten den eigenen Horizont aus – und zwar in jede Himmelsrichtung.

In Momenten gerät „Neck Of The Woods“ schon zu verkopft – zum Beispiel, wenn hektische Drum-Wirbel die prächtigen Melodien von „Busy Bees“ zerschneiden. Aber mit dem gewaltigen Großleinwand-Rock von „Simmer“ oder der beachtlich eingägigen Dark-Wave-Nummer „The Pit“ gehen die Silversun Pickups in zwei aufeinanderfolgenden Songs schon mal in entgegengesetzte Richtungen. Es kommt auch zu Längen, die auf „Swoon“ oder „Carnavas“ rarer waren. Aber „Neck Of The Woods“ ist in sich vollkommen schlüssig, atmosphärisch ausgesprochen dicht. Und: Den Pickups gelingt es, innerhalb dieser Homogenität verdammt wagemutig zu bleiben. Oder um’s mal wieder per Henne zu sagen: Dieses Huhn ist glücklich, seine Eier sehen astrein und felstenfest aus – wenn auch nachpoliert. Aber keine Bange: Ist immer noch dasselbe drin.

Gordon Barnard

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