Rezension

Sigur Rós

Takk...


Highlights: Sæglópur // Glósóli // Andvarí // Svo Hljott
Genre: Ambientpop
Sounds Like: Mogwai // Godspeed You! Black Emperor // Múm

VÖ: 12.09.2005

Ein neues Sigur Rós Album bedeutet für den gemeinen Musikjournalisten Licht und Schatten gleichermaßen. Zum Einen kann er wunderbar über die ausschweifenden Kunststücke philosophieren, ohne dabei jedes Mal händeringend nach neuen Phrasen zu suchen. Dann schaut er aber auf die Tracklist und entdeckt schon wieder zehn neue Buchstabenvariationen, für deren Schreibweise man besser einen Abschluss in Krytografie gemacht hätte. Die Platte aber erst mal gehört, verschwindet auch das Hindernis und der Drang dieses musikalische Werk in Worte zu kleiden besiegt auch die letzten Vorbehalte.

Nach dem etwas seichten Vorgänger „( )“, welcher trotz aller Schönheit mehr im Teig rumrührte, als ihn dann letztendlich zum Backen zu bringen, musste man diesmal mit einem flauen Gefühl im Magen an „Takk...“ herangehen. Doch alle Sorgen waren ja sowas von unbegründet! Sicherlich können Sigur Rós mit ihrem selbst definierten Sound niemanden mehr überraschen, aber darauf sind sie jetzt auch nicht mehr angewiesen. Was der Sigur Rós Hörer erwartet, das wird ihm hier geboten und häufig auch ein wenig darüber hinaus. Denn die Isländer legen neuerdings nicht nur mehr Wert auf Eingängigkeit, sondern auch auf die Dynamik, die bei den weiterhin sensationellen Arrangements nicht im immergleichen Tempo irgendwann versackt.

Exemplarisch hierfür die erste Single „Glósóli“. Der tapsende Beat wird zuerst mit den typischen Elementen aus Glockenspiel, Bass und elektronischen Spielereien vorangetrieben. Dazu die unmenschliche Falsettstimme von Sänger Jón Thor Birgisson, der in seiner Phantasiesprache Millionen von Welten gleichzeitig entstehen lässt. Und dann plötzlich dieser unglaubliche Ausbruch an Emotionen und Tönen in einem Noisegewitter vereint. Einer dieser Momente, bei denen dieses komische Gefühl zwischen Freiheit und melancholischer Traurigkeit das Herz zu sprengen droht. Das Ganze noch einmal in Kurzform und eine Stufe weniger ergreifend zeigt das nachfolgende „Hoppípolla“, welches sogar einen Platz im Abendradio einnehmen könnte. Gerade deshalb aber ein eher unspannender Song auf dem Viertwerk der Band. Interessanter ist da schon mehr ein Ausrufezeichen wie „Sæglópur“. Hier hört man wunderbar heraus, dass Sigur Rós deutlich von der Zusammenarbeit mit Mogwai und Godspeed You! Black Emperor beeinflusst worden sind. Es bleibt nicht mehr beim bloßen Leisetreten. Sphärische und wuchtige Soundteppiche sind erwünscht und werden konsequent umgesetzt.

Einmal mehr erwähnt werden müssen die beängstigend perfekten Streichergewände, die fast jeden Song wieder so dicht in Watte packen, dass man selbige zum Abwischen der Tränen braucht. Besonders gelungen in „Andvarí“, dem vielleicht traurigsten Song in der Bandgeschichte. Wenn die Streicher zum Schluß immer und immer wieder erklingen, als wollten sie sich nicht von dieser Welt verabschieden, da genügt ein Blick nach draußen und man fragt sich, wann es denn endlich wieder Herbst und Winter wird. Denn eines ist sicher: „Takk...“ wird vielen einsamen und gefühlsbetonten Menschen ein treuer und vielleicht sogar tröstender Begleiter in kommenden tristeren Monaten sein.

Benjamin Köhler

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