Rezension
Protomartyr
Ultimate Success Today
Highlights: Processed By The Boys // Modern Business Hymns // Worm In Heaven
Genre: Post-Punk // Noise
Sounds Like: Iceage // Pere Ubu // The Fall
VÖ: 17.07.2020
Alle VerschwörungstheoretikerInnen aufgepasst! Anfang März, kurz bevor mit Corona die Kacke richtig am dampfen war, veröffentlichten Protomartyr mit „Processed By The Boys“ die erste Single aus ihrem neuen Album. Die Eröffnungszeilen daraus: „When the ending comes is it gonna run at us like a wild-eyed animal, a foreign disease washed upon the beach“. Nur wenige Wochen später thematisiert die Band aus Detroit im Video zu „Michigan Hammers“ Gewalt von und gegen Polizisten. Ihr ahnt, was kurz darauf passiert ist... Alles nur Zufall???
Ziemlich sicher sogar oder hoffen wir zumindest, dass es so ist. Denn wenn nach zweimonatigem Aufschub Mitte Juli „Ultimate Success Today“ erscheint, gibt es textlich wenig Erbauliches darauf zu hören. Ganz konkret ist hier von dem Ende der menschlichen Existenz die Rede. Und wenn wir mal ehrlich sind: Bei all der Scheiße, die so in letzter Zeit passiert, muss man das Thema auch mal konsequent ansprechen. Das tut Sänger Joe Casey in gewohnt lakonischer bis zutiefst sarkastischer Form. Es mag paradox klingen, aber es ist eine wahre Freude, seine Weltuntergangs-Lyrics zu lesen/hören. Casey wäre mit seinen tiefsinnigen Texten für jeden Poetry-Slam eine große Bereicherung.
Musikalisch entwickeln sich Protomartyr schon wieder weiter. Unermüdlich feilt die Band an ihrem Sound, fügt dabei mit jedem Album neue Elemente hinzu. Auf „Ultimate Success Today“ sind mit Jemeel Moondoc (Altsaxophon), Izaak Mills (Bassklarinette, Saxophon, Flöte) und Fred Lonberg-Holm (Cello) gleich mehrere Jazz-Musiker als Gäste vertreten. Mal verstärken sie dabei die Songs punktuell, mal gehen sie mit Gitarrist Greg Ahee eine wahre Lärm-Allianz ein. Und damit es ja nicht unerwähnt bleibt: Die Rhythmus-Fraktion um Alex Leonard (Drums) und Scott Davidson (Bass) ist auch auf dem fünften Album der Band unfassbar präsent und bildet das Rückgrat für einen weiteren unwiderstehlichen Hybrid aus Noise und Post-Punk.
Den gilt es sich aber auch erst mal zu erschließen. Denn in puncto Songwriting verteilen Protomartyr keine Geschenke und viele Songs auf „Ultimate Success Today“ sind noch mal eine ganze Ecke sperriger als der bisherige Output. Wer nur mit klaren Songstrukturen klar kommt, ist hier definitiv fehl am Platz. Dafür lauert hinter jeder Note eine neue Überraschung. Protomartyr trauen sich einfach etwas. Genau das macht sie so spannend und hebt sie von so vielen anderen KünstlerInnen ab. Bleibt zu hoffen, dass uns das dicke Ende erspart bleibt. Es wäre zu schade, schon allein um die weitere Musik dieser Ausnahme-Band.
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