Rezension

Prinz Pi

Rebell Ohne Grund


Highlights: Du Bist // Marathon Mann // Virus // Generation Porno // Laura // Beweis Dagegen
Genre: Hip Hop // Rap
Sounds Like: Casper // Marteria // Orsons

VÖ: 28.01.2011

Da ist er – der nächste Wurf des Friedrich Kautz und einer von Deutschraps (wenn wir das noch so nennen können) Hoffnungsschimmern in NullElf. Auf „Rebell Ohne Grund“ stilisiert sich Prinz Pi endgültig als James Dean des Deuschrap. Denn genau wie die Halbstarken in den 50ern hat Pi keinen Grund zur Rebellion. Weder gehört er einer gesellschaftlichen Randgruppe an, noch ist er im Ghetto groß geworden. Diese Grundlage fehlte dem Deutschrap (im Gegensatz zum Ursprung des Hip Hop in den Schwarzenvierteln der USA) von Beginn an, doch immer wieder – in den letzten Jahren vermehrt – wurde die Gangsterfassade künstlich aufrecht gehalten. Prinz Pi ist seit seinen Prinz-Porno-Tagen ein Vorreiter der deutschen Gegenbewegung, die offen mit dem intellektuellen Studentenrap-Klischee spielt und der es um mehr als der bloßen Aufrechterhaltung eines Genres geht – nämlich der Weiterentwicklung des selben.

Und dass Prinz Pi textlich zum besten gehört, was Deutschrap zu bieten hat, haben spätestens „Donnerwetter“ und „Teenage Mutant Horror Show II“ gezeigt. Meist unterstützt vom Haus- und Hofproduzenten Biztram, erweitert er Track für Track die Grenzen des Genres. „Rebell Ohne Grund“ legt davon wieder beeindruckend Zeugnis ab. Lyrisch pendelt Pi zwischen gesundem Größenwahn, Nerd- und Studentengehabe, über clevere Verwebung popkultureller Verästelung bis hin zu den großen, zusammenhängenden und ergreifenden Stories, die er sich auf diesem Album mehr als je zuvor zu erzählen wagt.

Thematisch ist „Rebell Ohne Grund“ breit aufgestellt. „Der neue iGod“ ist die clevere Variante der für den Hip Hop obligatorischen Selbstbeweihräucherung.

Ich weiß, das alles hier ist fremd für dich //
aber bitte mach dir nicht ins Hemd //
meine Musik zeigt dir nur wie beschränkt du bist //
und was du alles noch nicht kennst


„Krieg @ Home“ und „Drei Kreuze für Deutschland“ erzählen traurige, an der Realität angelehnte Geschichten, während „Laura“ und „Eifer & Sucht“ teils autobiographische Stories sind und im Falle des unfassbar ergreifenden „Laura“ dem einen oder anderen sogar eine Träne in die Augenwinkel treiben mag. Das ist bei Pi kein Problem, denn Musik ist für ihn ein Ausdruck des inneren Gefühlslebens, zu dem auch Melancholie und Verletzlichkeit gehören. Allein dafür gebührt ihm Respekt.

Und es schadet seiner Credibility in keiner Sekunde. Songs wie das großartige „Marathonmann“ und das sozialkritische „Virus“ wird dadurch im Gegenteil eine größere Glaubwürdigkeit zu teil. Denn nur jemand, der mitten im Leben steht, die Geschichten der Menschen und des Alltags kennt, kann solche Zeilen erzählen:

Es ist der Virus, bald sterben wir aus wie die Dinos //
die Jugend ziellos, die Konten im Minus //
es ist der Virus, es gibt kein Mittel dagegen //
nur auf RTL gegen Mittag schon Titten zu sehen.


Musikalisch hat Pi weiterhin seinen eigenen, unverwechselbaren Flow, der von Biztram und Co gekonnt unterstützt wird. Natürlich bedient Pi den Trend organischer, instrumentaler und räumlicher Produktion, die sich gerne bei anderen Genres umschaut und jedem Track genau den Kontext gibt, den er verdient.

Man kann nur weiterhin staunen, wohin sich der Deutschrap nun entwickelt und dieser Entwicklung mit großer Begeisterung folgen. Clevere Mittelstandsjungs, die zwischen den Polen intellektuell und hedonistisch gut aufgehoben scheinen, geben dem Genre eine neue Richtung. Prinz Pi ist einer der Köpfe dieser Bewegung – wenn man sie so nennen mag. Im finalen Track „Beweis dagegen“ thematisiert Pi genau diese Situation und listet direkt mal unzählige Buddys und Kollegen auf, die es wert sind, angehört zu werden. Einer der genannten, Casper, bringt in diesem Jahr sein zweites Album raus und dürfte am Ende des Jahres (vielleicht) mit Prinz Pi (ganz bestimmt) zum besten gehören, was Hip Hop in Deutschland mal wieder zu Stande gebracht hat.

Andreas Peters

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