Rezension

Polarkreis 18

The Colour Of Snow


Highlights: Tourist // Untitled Picture // The Colour Of Snow // Rainhouse // Name On My ID
Genre: Synthie-Pop & Kuschel-Rock // Filmmusik
Sounds Like: Muse // Sigur Ros // The Notwist // Modern Talking // Depeche Mode

VÖ: 17.10.2008

“Weiß, Weiß, Weiß sind alle unsre Kleider; weil unser Album 'The Colour Of Snow' heißt.” Naja. Ganz so stimmt das ja nicht, immerhin hatten die Herren von Polarkreis 18 schon mit ihrem selbstbetitelten Vorgängeralbum ein Faible für Weißes. Sei es bei den Bühnenoutfits oder den Frostzapfen des Gesichts, das das Albumcover schmückt. Was den Frost angeht, gehen sie dieses Mal sogar noch einen Schritt weiter: Jetzt sind es nicht nur ein paar Frostkristalle, sondern ganz und gar in riesigen Eiswürfeln nackt eingefrorene Körper (nämlich die der Band selber), die das Album-Artwork zieren.

„Tourist“ eröffnet das Album, mit düsterem Sound, zerbrechlich schönen Klavierklängen und dazu ruhigem Gesang. Der erzählt die verzweifelte Geschichte der „Tourists“, die immer nur herum reisen und nie irgendwo ankommen.

Dann kommt der potentielle Song zum schnell weiter Klicken: „Allein, Allein“, eine richtige „Hit-Single“ eben, wie es so schön heißt. Der Song, der Polarkreis 18 in einem Atemzug ganz groß raus bringt und gleichzeitig ganz schön ihr Niveau herunter schraubt. Titelsong zur Kino-Verfilmung von Otfried Preußlers „Krabat“, Werbesong zu RTL-Serien-Highlights, und hoch geliebt auf You-Tube. Wenn man sich bei eben letzterem einmal in die Song-Diskussionen einklinkt, oder einfach nur zwei oder drei Kommentare liest, bemerkt man schnell, welches Publikum Polarkreis 18 mit ihrer „Hit-Single“ erreichen: Ade Haldern-Pop-Festival, Helau Après-Ski-Party!

„Allein, Allein“-Stadionchöre eröffnen leise eingespielt den Song, noch ganz unmerklich im Hintergrund. Als Sänger Felix Räuber mit seinem englischen Gesang einsetzt, klingt das zwar verdächtig nach 80er Jahren und Modern Talking, aber wirft dennoch Zuversicht in den Raum. Bis der Refrain erreicht wird und die „Allein! Allein! Allein! Allein!“ Rufe alles übermannen. Zugegeben ist der Song ein absoluter Ohrwurm, den man schon mal den ganzen Tag mit sich rumtragen kann. Aber eher einer der Art, den man gar nicht im Kopf haben möchte und den man am liebsten nie gehört hätte.

Aber warum länger über einen schlechten Song auslassen, wenn es doch noch Hoffnungsträger zwischen den übrigen Titeln zu finden gibt. „Prisoner“ kommt mit geballten orchestralen Blechblas-Basssounds und nervösen Streichermelodien im Hintergrund. Ohnehin hat das Filmorchester Babelsberg einen großen Teil zum Album beigetragen, genauso wie die vielen Chöre, die für die Aufnahmen engagiert wurden. Am gesamten Sound ist auch Mario Thaler von The Notwist, der das Album produziert hat, nicht unschuldig.

„Untitled Picture“ wirkt durch sein zartes Klavierspiel und den engelsgleichen Gesang wie die Filmmusik zu einem zauberhaften Märchen. „The Colour Of Snow“ wirkt motivierender, schneller, es rüttelt auf, und scheint wie ein positiver Umschwung zur Albummitte. „We Have To Believe It!“ wird da gesungen, und nicht wie zuvor frustrierend „Wir kommen nirgendwo an!“ (Tourist) oder „Wann hört das auf…?“ (Prisoner). Auch „130/70“ wirkt leichter, geradezu erleichternd und „Rainhouse“ ist schön und voller Hoffnung, wenn Felix Räuber singt: „Our House Is Floated With Light / Don´t Care What It Looks From Outside / We Are Shining So Bright / In Our House There Is No More Rain“.

Es bleibt zu sagen, dass sich hoffentlich das gesamte Album mindestens ¼ so häufig verkauft wie seine erfolgreichste Single. Dann wäre bei potentiellen Chart-Song-Käufern durch das Anlocken mit „Allein, Allein“ doch zumindest ein wenig positive Musiksozialisation geschehen. Denn der Rest des Albums klingt glücklicherweise vertraut schön nach Polarkreis 18.

Marlena Julia Dorniak

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